Der Bronze-Löwe mit der prächtigen Mähne lässt eine Pranke auf dem Braunschweiger Wappen ruhen. Das grün oxidierte Schlachtdenkmal steht im garagenartigen Vorbau zur eigentlichen Schmiede-Werkstatt in Altrip bei Ludwigshafen. Fast fertig, ein paar Pinselstriche mit Patina fehlen noch, um die Kupferblechnähte am Körper zu kaschieren. Martin Wilperath ist Kunstschmiedemeister und neuer Inhaber der Werkstatt:
"Also, die eigentliche Restaurierungsarbeit sieht man nicht, weil die innen drin stattgefunden hat. Es sind ja einzelne Kupferbleche, die sehr meisterlich getrieben worden sind," und zwar Ende des 19. Jahrhunderts in der Wilhelmshütte in Bornum am Harz: "Und in dem Löwen drin, da steht ein Eisen-Skelett, und dieses Eisen-Skelett ist total verrostet gewesen."
Also schraubte Altmeister Christian Traubel gemeinsam mit seinem damaligen Gesellen Martin Wilperath den anderthalb Tonnen schweren Löwen gemeinsam auf und verpasste ihm ein neues Edelstahl-Skelett. Einen Großteil der über 4.000 Kupferschrauben mussten die beiden dafür lösen. Fast anderthalb Jahre dauerte die Restaurierung. Einschüsse auszubeulen, gehörte auch dazu. Demnächst tritt das von innen stabilisierte Denkmal-Tier die 400 Kilometer lange Reise zurück aufs historische Schlachtfeld südlich von Brüssel an.
Martin Wilperath begleitet den Löwen: "Der Löwe, der kommt auf unseren Anhänger. Auf einem Transporter wird er fachmännisch gesichert, und wir haben ganz viel Glück, weil der gerade unter der Autobahnbrücke her passt, da ist nicht mehr viel Luft, vielleicht 50 Zentimeter, etwas weniger eventuell. Dann wird er mittels Kran nachher wieder auf den Sockel aufgesetzt und dann oben fachmännisch verankert."
Archaisch mutet das Schmiedefeuer an
In acht Metern Höhe. Der 27-jährige Kunstschmiede-Meister stammt aus Köln. Als Wandergeselle hatte er zunächst Erfahrungen im Ausland gesammelt: in Italien, England, Tschechien und Israel. 2011 machte Wilperath in der Werkstatt bei Ludwigshafen Station, die er jüngst übernahm. Das Können des Pfälzer Altmeisters Christian Traubel faszinierte den jungen Schmied auf Anhieb - und der erste Auftrag dort, nämlich gemeinsam mit Traubel kunstvolle schmiedeeiserne Blattrosetten eines Balkongeländers am Bundesgerichtshof Karlsruhe wiederherzustellen. "Unseren Kurfürsten sind wir auf ewig dankbar", lächelt Wilperath, "dafür, dass sie uns mit Aufträgen versorgen."
"Zum Beispiel vom Schloss Karlsruhe, aber auch in Mannheim vom Schloss, da haben wir ganz tolle Aufträge."
Heute allerdings bezahlt von der öffentlichen Hand, also von Museen, staatlichen Hochbau- und Denkmalämtern als "Erben" der kurfürstlichen Gebäude samt deren reich geschmückten Toren und Geländern, "wo man auch immer von den Altvorderen lernt, wo man das Handwerk neu entdeckt, wo man alte vergrabene Techniken wieder aufdeckt."
An einem Arbeitsplatz, an dem sich seit Jahrhunderten manches, aber nicht alles geändert hat.
Archaisch mutet das Schmiedefeuer in der Mitte der Werkstatt an. Wilperath erhitzt einen Vierkantstahl in der glühenden Anthrazitkohle und lässt den Hammer auf dem Amboss klingeln.
Das Klingeln übertönt das Rauschen des Feuers und signalisiert: Der Feuerschmied braucht einen Zuschläger. Wilperaths Geselle Simon Schütte eilt herbei und schmiedet das Eisen mit einem großen Hammer. Der Meister wendet es und dirigiert mit einem kleinen Hammer die Schläge des Gesellen. Eine Geländerspitze entsteht. Knochenarbeit für den Gesellen, aber: „Es ist ja nicht mehr jeden Tag so. Dafür haben wir ja die Maschinen auch."
Prunk wird nicht mehr bezahlt
Wie Lufthammer und Stanze. Die Stanze löst aus einem Flachstahl den Blütenkern für die Girlande eines Treppengeländers. Für das Empire-Geländer in der Villa des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn müssen fehlende Blütenteile rekonstruiert werden. Bei der Restaurierung des Mannheimer Barockhauses war die 250 Jahre alte Schmiedekunst im französischen Stil unter einer Betonkruste entdeckt worden. Mit 100.000 Euro beteiligt sich das Mannheimer Friedrich-Engelhorn-Archiv an der Restaurierung.
Das macht rund die Hälfte vom Jahresumsatz der Altriper Schmiede-Werkstatt aus. Martin Wilperath hat die elf Geländer-Teile exakt kartiert und in allen Details gezeichnet. Farbschichten trug er mit dem Skalpell ab, um die Ursprungsfassung zu ermitteln: "Und beim Freilegen dieser Farbfassung hat man dann auch Reste von Blattgold gefunden, was darauf hinweist, dass das Gitter auch blattvergoldet war, also dieser Lorbeer, diese Lorbeergirlanden und die Amphoren waren mit großer Wahrscheinlichkeit blattvergoldet."
Das Blattvergolden beherrscht Wilperath auch. Doch es ist nicht mehr drin im 2,6 Millionen Euro-Etat für die Herrichtung der Mannheimer Barockvilla, die Hälfte davon aus Fördermitteln der EU und des Landes Baden-Württemberg. Darin unterscheidet sich die öffentliche Hand zum Leidwesen des jungen Kunstschmieds von den alten Kurfürsten: Prunk wird nicht mehr bezahlt.