Archiv


Kunststoff auf dem Holzweg

Technik. - Als vor mehr als hundert Jahren erstmals ein Kunststoff im Reagenzglas entstand, wurde das neuartige Material mangels Masse mit Naturfasern vermischt. Doch diese Technik geriet schnell in Vergessenheit. Erst vor rund zehn Jahren wurde die Methode wiederentdeckt. Seitdem erfreuen sich die Materialien immer größerer Beliebtheit. Die Nachfrage - insbesondere im Automobilbau und in der Möbelindustrie - steigt stetig an, besonders im Ausland. Dieser Entwicklung tragen die Organisatoren des 5. Global Wood and Natural Fibre Symposium Rechnung, das heute in Kassel zu Ende geht. Neben den wissenschaftlichen Vorträgen zeigen 30 Unternehmen ihre neuesten Produktentwicklung, denn das Symposium sollte auch eine Brücke zwischen Wissenschaft, Industrie und Markt schlagen. Michael Engel mit Einzelheiten.

Von Michael Engel |
    Man nehme alte Plastikflaschen aus Polyethylen, zerschreddere sie, und vermische den zerhäckselten Müll mit Kokosfasern. Jetzt wird die Masse bei sanften Temperaturen oberhalb von 100 Grad zusammengepresst: fertig ist ein nagelneuer Schreibtisch:

    Die Technologie ging von West nach Ost, produziert wurde der Tisch in Sri Lanka, mit Material was vor Ort in Hülle und Fülle vorhanden ist, mit Kokosnuss, und wie sie sehen, haben wir hier einen Tisch produzieren können, so dass aus den Kokosnussschalen etwas wirtschaftlich sinnvolles hergestellt werden kann ....

    .. sagt Wolfgang Amann von der Abadon Group mit Sitz in Köln. Die Firma lieferte das know how nach Sri Lanka. Neue Materialien, die aus einer Mischung von Kunststoffen und Naturfasern entstehen, sind nicht nur in Entwicklungsländern von Interesse. Fagerdala Deutschland zum Beispiel produziert aus Spänen von Fichtenholz und Polypropylen Bodendielen für den Außenbereich mit zahlreichen Vorteilen, wie Jürgen Brüning aus Ohrdruf erklärt:

    Die Unverrottbarkeit, keine Absplitterungen, also wenn man barfuß draufgeht, es ist eine echte Barfuß-Diele, und dass man sie geschlossen verlegen kann.

    Die so genannten WPC-Materialien – Wood Polymer Composites - vereinigen die Vorteile beider Materialien: sie sind fast so leicht wie Holz, bruchstabil, und fassen sich auch an wie das natürliche Pendant, während der Kunststoffanteil für Witterungsbeständigkeit sorgt.

    Früher wurden alle Fenster aus Holz gemacht, heute dominiert inzwischen das Kunststofffenster, über das WPC-Produkt könnte das Holz in den Fensterbereich wieder stärker zurückkommen, dann hätte ich eine Kombination aus 20 bis 30 Prozent Kunststoff, aber auch 70 oder 80 Prozent Holz, und dann wäre für mich das Fenster wieder ein Holzfenster, wenn auch in einer technisch anderen Form.

    ..... freut sich Prof. Rainer Marutzky, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung Braunschweig. Amerikanische Kunden stehen auf WPC-Produkte, in Deutschland indes sind solche Materialien eher selten, bedauert Dr. Volker Sperber vom Institut für Werkstofftechnik Kunststoff- und Recyclingtechnik der Universität Kassel.

    Der ökologische Wert liegt einfach daran, dass man Energie letzten Endes spart, in Ländern wie Mitteleuropa gibt es Wälder und Holz genug, das ist ok, an der Stelle kann man sagen, es ist ein ökologischer Vorteil.

    Auf der Kunststoffseite dominieren Polypropylen und Polyethylen, während bei den Naturfasern eine große Vielfalt existiert: Palmfasern bis hin zu Kakteen, hier zu Lande sind es Holzspäne, aber auch Hanf und Flachs, was mitunter problematisch ist:

    Natur ist eben Natur. Wir könnten auch Fasern einkaufen, die verfault sind oder zu feucht sind, und das ist natürlich für die Qualität der Produkte, die heute eingesetzt werden, sehr negativ.

    ... sagt Ernst Spengler von R + S Technik aus Offenbach. Man behilft sich mit Mischfasern aus verschiedenen Ländern und verschiedenen Ernten, um eine gleichbleibende Qualität zu gewährleisten. Mit einem spezifischen Gewicht von 1,2 Gramm pro Kubikzentimeter sind die Materialien rund 30 Prozent leichter als glasfaserverstärkter Kunststoff, doch es wird noch leichter, verspricht Prof. Andrzej Bledzki – der Chairman des Kongresses in Kassel.

    Wir versuchen jetzt in unseren Projekten auch zu verschäumen, also Mikroverschäumung, wo wir dann unter eins landen, damit wir etwa auch in dem Bereich von Holz landen können.

    Materialien aus WPC – sie erobert den deutschen Massenmarkt. Im Automobilsektor funktioniert das schon. Haus und Garten – so die Experten in Kassel – werden in spätestens in zwei Jahren folgen.