"Was ist hier das Internationale, was ist ein Garten und was ist eine Ausstellung?", fragt Jochen Becker.
Der Publizist formuliert die Kernfragen des Wettbewerbs, mit dem die neue Gesellschaft für bildende Kunst, kurz nGbK, künstlerische Positionen zum Thema Internationale Gartenausstellung 2017 gesammelt hat. Realisiert werden sie in der Großsiedlung Berlin-Hellersdorf, zwischen Plattenbauten. Weit im Hintergrund sieht man die Seilbahn, die für die IGA errichtet worden ist. 2015 hat die nGbK begonnen, ihr Kunstprojekt vorzubereiten. Hervorgegangen ist es aus den Fragen und Protesten von Hellersdorfer Anwohnerinnen und Anwohnern bezüglich der IGA: Denn Kunst im öffentlichen Raum entsteht nach dem Selbstverständnis der nGbK im Kontakt mit Anwohnern, sagt die Künstlerin Eva Hertzsch.
"Wir haben hier in unserer Arbeit in den letzten zwei Jahren festgestellt, dass die Menschen vor Ort sich wirklich außen vor gelassen fühlen. Dass Dinge passieren, die woanders entschieden werden und die mit der Situation vor Ort, glaube ich, relativ wenig zu tun haben."
Kritik an der Internationalen Gartenausstellung
So entstand der Titel für das Kunstprojekt: "Mitte in der Pampa". Das Wuhletal und der Kienberg, Sport- und Spaziergebiet der Anwohner, wurde für die IGA eingezäunt, schwere Baumaschinen rollten an, um aus Natur ein Gartengelände zu machen. Was da passiert, am Standort Marzahn-Hellersdorf, ist in Zusammenhang mit dem Begriff "Internationale Gartenausstellung" für die neue Gesellschaft für Bildende Kunst diskussionswürdig.
"Ich glaube, die Rolle der Kunst kann da viel bessere Antworten geben als eine städtische GmbH", sagt Publizist Jochen Becker. "Wir fragen uns aber auch über 'international', wo wir hier einen deutlich internationalisierenden Stadtteil haben. Es gibt hier sehr viele sogenannte Russlanddeutsche, es gibt ein Flüchtlingsheim. Wo sind die denn präsent? Werden die adressiert, oder meint man doch immer nur Touristen?"
Für die Auftaktveranstaltung hat die nGbK einen Platz geschaffen. Auf einem Erdhügel, der eher wie vergessener Bauaushub zwischen langgestreckten Wohnanlagen aussieht . Hier kreuzen sich ein paar Trampelpfade, Gras und Unkraut wuchern. Aber jeder, der am nahen U-Bahnhof aussteigt, kommt hier vorbei. Ellen Nonnenmacher und Eva Randelzhofer stellen ihr Projekt "Wildwuchs und Ordnung" vor.
"Wir haben schon viele Samen gesammelt, die werden wir hier auf dem Platz aussäen", sagt Nonnenmacher. "Auch sehr schöne Wildblumen, die hier aus dem Wuhletal stammen, wo jetzt IGA-Gelände ist."
Hommage an Sturz der Siegessäule Napoleons
Die Attraktion der Einweihung des neu geschaffenen Gemeinschaftsplatzes ist die Installation einer Säule. Ein fleischfarben gestrichener Holzsockel dafür steht schon seit ein paar Wochen. Künstlerinnen haben ihn zusammengenagelt, nach und nach kamen Kinder und Eltern aus dem benachbarten Flüchtlingsheim und den übrigen Häusern, um zu helfen. Menschen, die sich sonst nie begegnen sind auf dieser neuen "Place Internationale" zusammengekommen, erzählt Eva Hertzsch:
"Die Säule als Herz des Wettbewerbs, die Säule und der Sockel sind beide in enger Zusammenarbeit mit Jugendlichen hier vor Ort spontan, aber auch mit Schulprojekten während der vergangenen Monate entstanden", sagt Eva Hertzsch. "Jetzt geht’s gleich los."
Die "Säule", das ist eine sechs Meter hohe Röhre aus Ballonseide, die per Turbine mit Luft gefüllt und an langen Seilen aufgerichtet wird. Und dann wird die Säule gemeinsam gestürzt. In Anlehnung an den Maler Gustave Courbet und die Künstler der Pariser Commune, die 1871 auf dem Pariser Platz Vendôme die Siegessäule Napoleons stürzten. Ein Hoffnungssymbol, findet Lutz Reinicke. Als Mitglied einer Bürgerinitiative hat er gegen die Pläne der IGA protestiert.
"Da sind über 50 Meter Müll aufgeschüttet worden zu DDR-Zeiten. Es gibt da keine Protokolle mehr. Da nun einen Freizeitpark draufzustellen, das ist ein Umweltverbrechen!"
Auf der neu geschaffenen Place Internationale werden sich Bürger und Künstler später austauschen. Tatsächlich spürt man am Ende dieses Tages ein großes Stück "Mitte in der Pampa".