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Kurden im Irak
Ein Kreuz für die Unabhängigkeit

Trotz internationaler Proteste und gegen den Willen der irakischen Zentralregierung in Bagdad haben die Menschen in Irakisch-Kurdistan über die Unabhängigkeit abgestimmt. Mehr als 70 Prozent der etwa drei Millionen Wahlberechtigten sollen sich beteiligt haben. Ein Ergebnis gibt es erst in drei Tagen - gefeiert wurde aber schon.

Von Björn Blaschke |
    Ein Kurde im Nordirak hält nach dem Referendum ein Tuch mit dem Wort "Kurdistan" hoch.
    Kurden im Nordirak feiern nach dem Referendum für eine Unabhängigkeit. (AFP / Safin Hamed)
    Feierstimmung auf den Straßen von Erbil, der Regionalhauptstadt von Irakisch-Kurdistan. Die Menschen in dem Autonomiegebiet haben ungeachtet internationaler Proteste und gegen den Willen der irakischen Zentralregierung in Bagdad über die Unabhängigkeit ihrer Region abgestimmt. Das wurde bis in die frühen Morgenstunden gefeiert – mit Feuerwerk und Autokorsos.
    Wahlbeobachter hatten nicht überall Zugang
    Am Ende blieben die Wahllokale eine Stunde länger geöffnet als geplant; wie es hieß, wegen des großen Andranges. Mehr als 70 Prozent der etwa drei Millionen Wahlberechtigten sollen sich beteiligt haben, heißt es. Wie groß der Andrang tatsächlich war, ist nicht ganz klar; einige Wahllokale waren wirklich voll, andere kaum. In manchen hatten Wahlbeobachter und Journalisten Zutritt; in anderen wurde er ihnen verwehrt.
    So oder so: Die Stimmauszählung begann gleich nach der Schließung der Wahllokale.
    In diesem Wahllokal haben etwa 80 Prozent der Stimmberechtigten "Bale" angekreuzt – "Ja". Und jeder in Irakisch-Kurdistan geht davon aus, dass dieses Ergebnis kaum anders ist als im Rest der Region; dass sich also eine klare Mehrheit für die Unabhängigkeit von Irakisch-Kurdistan ausgesprochen hat. Bis in die tiefen Abendstunden wurden vorläufige Hochrechnungen präsentiert, aber das offizielle Endergebnis wird erst innerhalb der kommenden drei Tage erwartet. Das heißt aber nicht, dass nach Bekanntwerden des Ergebnisses auch sofort eine Unabhängigkeitserklärung folgen wird. So wie der Ausgang der Volksabstimmung nicht bindend ist. Aber: Das Ergebnis wird der Führung von Irakisch-Kurdistan für Verhandlungen mit der Regierung in Bagdad und den Nachbarstaaten den Rücken stärken. So deutete es Präsident Masoud Barzani selber vorgestern an:
    "Ich möchte deutlich machen, dass dieses Referendum nicht stattfindet, um die Grenzen zu Kurdistan zu ziehen. Dieses Referendum wird keinen Status Quo festschreiben. Nach dem Referendum sind wir bereit in den Dialog mit Bagdad einzutreten. Wir sind bereit, so viel Zeit einzuräumen wie nötig ist; ein Jahr, zwei Jahre, und wenn wir sehen, es ist konstruktiv, nicht problematisch auch mehr."
    Das Parlament in Bagdad hatte schon vor einigen Tagen die Zentralregierung ermächtigt, mit allen Mitteln gegen eine Spaltung des Irak vorzugehen. Denn: Das Referendum sei verfassungswidrig, wie auch das Oberste Gericht des Irak festhielt. Der Grund: Die irakische Verfassung schreibt die Einheit des Landes vor, keine Abspaltung einzelner Provinzen. Das heißt, dass die irakische Verfassung, die 2005 auch von den Menschen in Irakisch-Kurdistan angenommen wurde, für eine Abspaltung von Irakisch-Kurdistan erst umgeschrieben werden müsste.
    Angst vor Unabhängigkeit in anderen Ländern
    Die Türkei, Syrien und der Iran hatten sich ebenfalls gegen die Abstimmung gestellt. Sie haben Angst davor, dass die Unabhängigkeit von Irakisch-Kurdistan den kurdischen Minderheiten in ihren Ländern Auftrieb verschafft.
    Die Regierung in Ankara lässt gar die Muskeln spielen: Das türkische Militär hält ein Manöver an der Grenze zu Irakisch-Kurdistan ab. Präsident Recep Tayyip Erdogan drohte, die Öl-Exporte aus Irakisch-Kurdistan durch die Türkei zu blockieren. Und: Den Luftraum Richtung Irak hat die türkische Regierung gesperrt. Das alles ändert erst einmal nichts daran, dass das Referendum stattgefunden hat – und das feiern die Menschen in Irakisch-Kurdistan erst einmal; sie feiern und fürchten sich nicht.