Für den türkischen Staatspräsidenten Tayyip Erdogan war bereits am Tag nach dem Anschlag von Ankara klar, wer dafür die Verantwortung trägt. Die militante kurdische PKK und die syrisch-kurdische Volksverteidigungseinheiten, kurz YPG:
"Die PKK und und die YPG können noch so sehr beteuern, sie hätten damit nichts zu tun. Unser Innenministerium und unsere Sicherheitsdienste haben dafür klare Beweise."
Für Ankara gibt es keinen Unterschied mehr zwischen den syrischen Kurden und der Terrormiliz Islamischer Staat. Das war nicht immer so. Vor zwei Jahren noch war der Vorsitzende der kurdischen Partei der Demokratischen Union, PYD, Salih Müslüm, gern gesehener Gast in der türkischen Hauptstadt. Die PYD ist der politische Arm der kurdischen Milizen und steht einer kurdischen Übergangsverwaltung vor. Aber damals lief auch noch der Friedensprozess mit der PKK. Die Türkei, so schien es, stand vor einer historischen Aussöhnung mit den Kurden. Doch seit Erdogan - vermutlich aus innenpolitischem Kalkül - den Versöhnungsprozess mit den Kurden wieder aufgekündigt hat, gelten die syrischen Kurden und ihr Streben nach einem selbstverwalteten Gebiet jenseits der türkischen Grenze als große Gefahr.
Begehrter Partner gegen den IS
Dabei ist die YPG für andere ein begehrter Partner. Für die USA sind die Kurden die einzig brauchbare Truppe im Bodenkampf gegen den IS. Mit Luftunterstützung der Amerikaner konnten die Kurden den Dschihadisten über 15.000 Quadratkilometer Land entreißen. Und auch Russland bombardiert neuerdings für die YPG. Die syrischen Kurden eröffneten kürzlich sogar eine eigene Vertretung in Moskau.
Dass sie mit Gegnern wie mit Unterstützern des Assad-Regimes auskommen, macht die syrischen Kurden für viele verdächtig. Auch zahlreiche arabisch-syrische Oppositionelle glauben, den Kurden gehe es nicht um das Schicksal des Landes, sondern allein um ein unabhängiges Kurdistan. Der Vorsitzende der kurdischen Übergangsverwaltung, Müslüm, weist das zurück:
"Wir haben in unseren Gebieten mit anderen Gruppen wie Arabern, syrisch-orthodoxen Christen und Turkmenen eine gemeinsame Miliz gegründet. Wir wollen damit ein demokratisches Vorbild für ganz Syrien sein. Der Vorwurf, es ginge uns bloß um die kurdische Sache, ist aus der Luft gegriffen. Wir kämpfen schon seit über zehn Jahren gegen das Assad-Regime."
Unterstützung durch den Westen
Die Kurden haben in ihrer leidvollen Geschichte keine guten Erfahrungen mit Allianzen gemacht. Auch in Syrien waren sie anfangs auf sich allein gestellt, ständig attackiert von anderen Rebellengruppen. Erst die Belagerung der Grenzstadt Kobani Ende vergangene Jahres durch den IS brachte die Wende zugunsten der Kurden. Die US-Luftwaffe kam den Eingeschlossenen zur Hilfe, die mutigen Kurdenkämpfer - vor allem deren weibliche Brigaden - wurden in den westlichen Medien als Helden gefeiert.
Mit Unterstützung des Westens - auch Waffen sollen geliefert worden sein - erreichten die Kurden seitdem immer mehr Geländegewinne. Nach der Eroberung der Grenzstadt Azaz stehen sie kurz davor, ihre beiden Regionen Rohjava und Afrin miteinander zu vereinen. Dann besäßen sie eine zusammenhängende Region vom Mittelmeer bis zur irakischen Grenze.
Für die Türkei wäre damit, so heißt es in Ankara immer wieder, eine rote Grenze überschritten. Sie fürchtet, dass sich dann die Kurden auf der türkischen Seite dem neuen Kurdistan anschließen könnten. Seit Tagen beschießen türkische Truppen zwar die Positionen der YPG. Aber viel mehr kann die Türkei bisher nicht unternehmen. Der Einsatz von Bodentruppen könnte eine militärische Konfrontation mit Russland provozieren. Die NATO hat die Türkei eindringlich davor gewarnt.