Pappelbäume wiegen sich, Vögel zwitschern: Wer in Monroeville, Alabama, ankommt, sieht Vom-Winde-Verweht-Romantik. Doch diese Kleinstadt hat ihren eigenen Literaturklassiker. Harper Lee schrieb hier "Wer die Nachtigall stört": Der Roman findet immer noch eine Million neue Leser pro Jahr. 90 Prozent der amerikanischen Jugendlichen wissen, wovon er handelt. In Monroeville bestimmt er den Alltag eines jeden.
Theaterprobe bei den Mockingbird Players. Die Amateurtruppe aus Monroeville ist weltberühmt. Sogar vor dem Kongress in Washington durfte sie ihre Inszenierung von "Wer die Nachtigall stört" schon zeigen. Harper Lees Werk beschreibt eine Kindheit im amerikanischen Süden aus der Sicht eines aufgeweckten Mädchens. Für Stephanie Salter, die Regisseurin der Mockingbird Players, ist jeder Auftritt zugleich ein Stück Realgeschichte:
"Das Leben ist viel langsamer hier und alle kennen sich, es ist immer noch genau so, wie Harper Lee es beschrieben hat. Ihr Stück handelt von diesem einfachen Leben, wonach sich heute so viele Menschen sehnen. Und es handelt von der Angst vor dem, was wir nicht verstehen."
"Wer die Nachtigall stört" ist mehr als ein Kinderbuch und wurde deshalb auch in Hollywood verfilmt. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Atticus Finch. Der Anwalt verteidigt einen Schwarzen, der beschuldigt wird, eine weiße Frau vergewaltigt zu haben. Gregory Peck bekam einen Oscar für die Rolle: Sein Plädoyer, in dem er die Schuld und Ignoranz des weißen Amerikas anprangert, ist Filmgeschichte.
Harper Lee modellierte die Figur des Atticus nach ihrem Vater, der in Monroeville eine Anwaltspraxis betrieb. Die gerademal 7000 Einwohner umfassende Kleinstadt war lange der juristische Hauptsitz Alabamas. "Wer die Nachtigall stört" spielt in den 30er-Jahren, als die Rassentrennung dort auf dem Höhepunkt war.
Drei Jahre nach dem Erscheinen von Harper Lees Erfolgsroman, verabschiedeten die Politiker in Washington den Civil Rights Act: Das Gesetz verbietet die Diskriminierung Einzelner aufgrund ihrer Rasse oder Hautfarbe. Der versteckten Gewalt in Monroeville tat das jedoch erst einmal keinen Abbruch. Dort hatten die Afroamerikaner noch Jahre danach kaum eine Chance auf faire Gerichtsverhandlungen, erinnert sich der Ladenbesitzer A.B. Blass:
"Ich habe selber große Probleme gehabt, weil ich mich dafür einsetzte, dass es auch endlich schwarzen Juroren bei den Prozessen gibt. Sie schimpften mich einen 'Nigger Lover' und natürlich hatte ich auf einmal keine weißen Kunden mehr. Ich habe alles verloren damals."
Im Restaurant "Radley's", benannt nach dem Dorftrottel aus "Wer die Nachtigall stört", speisen heute Menschen aller Hautfarben. Die Wähler von Monroeville haben mit dazu beigetragen, dass Barack Obama Präsident geworden ist. Heidi Beirich, die für die auf Rassenhass spezialisierte Organisation Southern Poverty Law Center arbeitet, sorgt sich trotzdem. Obama hat kürzlich Tausende von Soldaten an der mexikanischen Grenze postiert, um den Strom illegaler Einwanderer einzudämmen. Das, so Beirich, sei wie ein gefundenes Fressen für all diejenigen, die derzeit dafür sorgen, dass die Fremdenfeindlichkeit in den USA wieder zunimmt:
"2000 gab es 602 rassistische Gruppierungen in den USA, jetzt sind es derer 888. Das entspricht einer Steigerung von 48 Prozent! Viele dieser neuen Rassisten verlagern ihre Ressentiments nun auf die Einwanderer aus Lateinamerika. Interessant ist, wie sie die Krise ausschlachten: Sie sind ganz begeistert davon, dass unser Wirtschaft ins Schlittern geraten ist. Sie hoffen, dass das zu einer Rassenrevolution führt."
Rassismus als vordergründige Rechtfertigung der eigenen, wirtschaftlichen Misere: Monroeville ist für so etwas besonders gefährdet. Das Heimatstädtchen von Harper Lee gehört zu den ärmsten Landstrichen Amerikas. Vielleicht wäre es an der Zeit, dass die Schriftstellerin eine zeitgemäße Fortsetzung von "Wer die Nachtigall stört" schreibt. Doch die inzwischen 84-jährige hat nie ein zweites Buch veröffentlicht.
Beatrice Uerlings über Harper Lees Bestseller "To kill a mockingbird". Die deutsche Ausgabe, "Wer die Nachtigall stört", ist für zehn Euro im Rowohlt Taschenbuch Verlag erhältlich, ISBN: 978-349-925418-5.
Theaterprobe bei den Mockingbird Players. Die Amateurtruppe aus Monroeville ist weltberühmt. Sogar vor dem Kongress in Washington durfte sie ihre Inszenierung von "Wer die Nachtigall stört" schon zeigen. Harper Lees Werk beschreibt eine Kindheit im amerikanischen Süden aus der Sicht eines aufgeweckten Mädchens. Für Stephanie Salter, die Regisseurin der Mockingbird Players, ist jeder Auftritt zugleich ein Stück Realgeschichte:
"Das Leben ist viel langsamer hier und alle kennen sich, es ist immer noch genau so, wie Harper Lee es beschrieben hat. Ihr Stück handelt von diesem einfachen Leben, wonach sich heute so viele Menschen sehnen. Und es handelt von der Angst vor dem, was wir nicht verstehen."
"Wer die Nachtigall stört" ist mehr als ein Kinderbuch und wurde deshalb auch in Hollywood verfilmt. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Atticus Finch. Der Anwalt verteidigt einen Schwarzen, der beschuldigt wird, eine weiße Frau vergewaltigt zu haben. Gregory Peck bekam einen Oscar für die Rolle: Sein Plädoyer, in dem er die Schuld und Ignoranz des weißen Amerikas anprangert, ist Filmgeschichte.
Harper Lee modellierte die Figur des Atticus nach ihrem Vater, der in Monroeville eine Anwaltspraxis betrieb. Die gerademal 7000 Einwohner umfassende Kleinstadt war lange der juristische Hauptsitz Alabamas. "Wer die Nachtigall stört" spielt in den 30er-Jahren, als die Rassentrennung dort auf dem Höhepunkt war.
Drei Jahre nach dem Erscheinen von Harper Lees Erfolgsroman, verabschiedeten die Politiker in Washington den Civil Rights Act: Das Gesetz verbietet die Diskriminierung Einzelner aufgrund ihrer Rasse oder Hautfarbe. Der versteckten Gewalt in Monroeville tat das jedoch erst einmal keinen Abbruch. Dort hatten die Afroamerikaner noch Jahre danach kaum eine Chance auf faire Gerichtsverhandlungen, erinnert sich der Ladenbesitzer A.B. Blass:
"Ich habe selber große Probleme gehabt, weil ich mich dafür einsetzte, dass es auch endlich schwarzen Juroren bei den Prozessen gibt. Sie schimpften mich einen 'Nigger Lover' und natürlich hatte ich auf einmal keine weißen Kunden mehr. Ich habe alles verloren damals."
Im Restaurant "Radley's", benannt nach dem Dorftrottel aus "Wer die Nachtigall stört", speisen heute Menschen aller Hautfarben. Die Wähler von Monroeville haben mit dazu beigetragen, dass Barack Obama Präsident geworden ist. Heidi Beirich, die für die auf Rassenhass spezialisierte Organisation Southern Poverty Law Center arbeitet, sorgt sich trotzdem. Obama hat kürzlich Tausende von Soldaten an der mexikanischen Grenze postiert, um den Strom illegaler Einwanderer einzudämmen. Das, so Beirich, sei wie ein gefundenes Fressen für all diejenigen, die derzeit dafür sorgen, dass die Fremdenfeindlichkeit in den USA wieder zunimmt:
"2000 gab es 602 rassistische Gruppierungen in den USA, jetzt sind es derer 888. Das entspricht einer Steigerung von 48 Prozent! Viele dieser neuen Rassisten verlagern ihre Ressentiments nun auf die Einwanderer aus Lateinamerika. Interessant ist, wie sie die Krise ausschlachten: Sie sind ganz begeistert davon, dass unser Wirtschaft ins Schlittern geraten ist. Sie hoffen, dass das zu einer Rassenrevolution führt."
Rassismus als vordergründige Rechtfertigung der eigenen, wirtschaftlichen Misere: Monroeville ist für so etwas besonders gefährdet. Das Heimatstädtchen von Harper Lee gehört zu den ärmsten Landstrichen Amerikas. Vielleicht wäre es an der Zeit, dass die Schriftstellerin eine zeitgemäße Fortsetzung von "Wer die Nachtigall stört" schreibt. Doch die inzwischen 84-jährige hat nie ein zweites Buch veröffentlicht.
Beatrice Uerlings über Harper Lees Bestseller "To kill a mockingbird". Die deutsche Ausgabe, "Wer die Nachtigall stört", ist für zehn Euro im Rowohlt Taschenbuch Verlag erhältlich, ISBN: 978-349-925418-5.