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Kurswechsel der USA
Kuba nicht "überrollen"

Kubanische Kunst der 90er-Jahre möchte das Aachener Ludwig Forum in Havanna und Aachen ausstellen. Der Kurswechsel der USA gebe besonders den kubanischen Kulturinstitutionen die Chance, sich zu öffnen, sagte die Leiterin des Forums und Kuratorin der Ausstellung, Brigitte Franzen, im DLF.

Brigitte Franzen im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Brigitte Franzen, Direktorin des Ludwig Forums für Internationale Kunst in Aachen.
    Bisher seien die Institutionen in Kuba "am Gängelband" gewesen, berichtet Brigitte Franzen, Direktorin des Ludwig Forums für Internationale Kunst in Aachen, im Interview mit dem Deutschlandfunk. (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Zur Vorbereitung der Ausstellung war Brigitte Franzen vor Kurzem in der kubanischen Hauptstadt. Ihrer Ansicht nach seien die Kubaner "durchaus vorbereitet" auf eine Annäherung der USA. Zudem hofft sie auf "neue Impulse für einen globalen Begriff von Kunst und Kultur", warnte aber davor, Kuba nun zu überrollen.
    Die mächtigen US-Konzerne würden schon lange auf ihre Gelegenheit warten und realistischerweise gebe es Kubaner, die in dieser Hinsicht Befürchtungen hätten. Die Frage werde deshalb sein, inwiefern Kuba die wirtschaftlichen Annäherungen kontrollieren könnte, gab Franzen zu bedenken.

    Das Interview mit Brigitte Franzen in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: "Heute ändern die USA ihre Beziehungen zu Kuba." Das war eine historische Ankündigung, die US-Präsident Obama da vorgestern in Washington gemacht hat. Nach einem halben Jahrhundert diplomatischer Eiszeit soll es wieder eine amerikanische Botschaft in Havanna geben. Politiker beider Länder werden wieder miteinander reden, es soll Handel geben. So sehen die Pläne aus.
    Weltweit haben Politiker diesen Schritt in diesen Tagen freudig begrüßt. Aber was genau bedeutet diese Annäherung, diese Entwicklung jetzt für Kuba? Was wird sich ändern auf diesem Inselstaat, der unter anderem unter einem jahrzehntelangen Wirtschaftsembargo gelitten hat?
    Ich kann darüber jetzt mit Brigitte Franzen sprechen. Sie ist Leiterin des Ludwig-Forums für Internationale Kunst in Aachen und sie betreut zurzeit ein Ausstellungsprojekt in Havanna und war deshalb auch vor wenigen Tagen wieder dort. Schönen guten Morgen, Frau Franzen.
    Brigitte Franzen: Schönen guten Morgen.
    Armbrüster: Frau Franzen, ich habe es gesagt: Sie waren vor wenigen Tagen in Havanna. Hat sich da bei Ihrem Besuch, bei Ihren Gesprächen schon irgendetwas angedeutet von diesem Gezeitenwechsel?
    Franzen: Zwischen den Zeilen war das ein Stück weit zu spüren und Kollegen, mit denen ich wirklich engeren und sehr vertraulichen Kontakt auch habe, deuteten dann an, dass kürzlich in der „New York Times" drei Artikel erschienen seien über Kuba, und das sei äußerst ungewöhnlich, und dass man erwartete, dass bei einem der nächsten Treffen, wo Obama und Castro aufeinandertrafen, es möglicherweise zu irgendeiner Verständigung kommen könnte. Man sah ganz gut, dass die Leute es gewöhnt sind, auch kleine Zeichen zu lesen und sofort zu interpretieren, auf die Goldwaage zu legen und zu ihren Gunsten auch auszulegen.
    "Der Austausch ist da"
    Armbrüster: Wo machen sich denn die Menschen auf Kuba jetzt die größten Hoffnungen?
    Franzen: Ich denke, die Reisefreiheit ist ja schon vor Kurzem gewährt worden. Aber ich glaube, dass es tatsächlich auch um den Warenaustausch geht, auch natürlich um eine nähere persönliche Nähe zu der Verwandtschaft und so weiter, wobei man auch erstaunt ist, wenn man dort ist, denn durch die Reisefreiheit gibt es tatsächlich viele junge Leute, die quasi regelmäßig in die USA fahren, gerade auch die Künstler, mit denen ich da zusammengetroffen bin. Der Austausch ist da.
    Man darf es sich auch nicht so vorstellen, dass dort jetzt niemand mit einem Mobiltelefon oder mit einem Smartphone unterwegs wäre. Die Leute sind technisch ganz gut ausgestattet. Man wundert sich immer, wo die Dinge herkommen sozusagen. Aber es wird sehr erstaunlich und sehr besonders sicherlich jetzt sein, wie die Entwicklung weitergeht. Man muss es genau anschauen, denke ich, damit Kuba nicht überrollt wird sozusagen.
    Armbrüster: Das wollte ich fragen. Wie gut, meinen Sie denn, sind die Kubaner vorbereitet auf diese Öffnung, auf diese Annäherung an die USA?
    Franzen: Ich glaube, die sind durchaus vorbereitet. Wenn man dort unterwegs ist, hat man ohnehin so ein bisschen das Gefühl, wenn die US-Amerikaner sich einen Sozialismus ausgedacht hätten, dann sähe der vielleicht so aus wie auf Kuba. Diese Beziehungen sind ohnehin natürlich auch historisch sehr eng und die Kubaner sind sehr clever, sehr aufgeschlossen, und ich denke, sie sind durchaus vorbereitet darauf.
    Nichts desto trotz ist natürlich die USA eine Super-Power und da steckt eine wirtschaftliche Macht dahinter und sicherlich auch Konzerne, die schon lange darauf warten, dass da was passiert. Das darf man nicht unterschätzen. Es hat mich manchmal so ein bisschen erinnert an die deutsch-deutsche Situation. Man wird sehen, ob es da eine langsame Entwicklung geben kann überhaupt.
    "Wenn man die kaputten Häuser sieht, wird man fast wütend"
    Armbrüster: Könnte es sein, dass es da auch so eine Entwicklung gibt, dass sich möglicherweise die Kubaner überrollt fühlen von diesem supermächtigen Partner und seinen supermächtigen Konzernen?
    Franzen: Es gibt sicherlich Leute, die da auch sehr selbstbewusst auftreten und die Befürchtungen in diese Richtung haben. Die muss man auch realistischerweise natürlich haben. Die Frage wird sein, wie die Kubaner sich aufstellen können, um das überhaupt zu kontrollieren. Das ist deswegen natürlich auch nicht von Ungefähr, dass Castro da sehr langsam vorangeht, Schritt für Schritt.
    Aber klar ist auch, wenn man dort in den Straßen unterwegs ist, dass es einfach schlechter kaum mehr sein kann. Die Leute sind dennoch unheimlich guter Laune, was einen fast wundert. Aber wenn man die kaputten Häuser sieht und so weiter, dann wird man fast wütend, wenn ich das so sagen darf, und dann ist klar, dass es schlimmer eigentlich kaum mehr werden kann.
    Armbrüster: Sie sind nun eine Frau aus dem Kulturbetrieb. Was wird sich denn Ihrer Meinung nach ändern für die kubanische Kultur durch diese Öffnung?
    Franzen: Die kubanische Kultur, speziell die Kunstszene, die ich jetzt etwas besser kenne, ist immer schon sehr, sehr offen gewesen, und das war auch das Besondere der kubanischen Kunst, dass man gemerkt hat, dass sie sehr gut informiert ist über das, was im Norden und im sogenannten Westen passiert, und gleichzeitig aber auch die Szene in Südamerika im Blick hatte.
    Man kann jetzt nur wünschen und ich wünsche mir das auch fürs eigene Projekt, dass da eine größere Öffnung auch passiert und dass beispielsweise die Museen, das Nationalmuseum, mit dem ich jetzt zusammenarbeiten möchte, da einfach weniger angstbesetzt mit Projekten umgeht und da eine größere Offenheit, eine Experimentierfreude vielleicht entsteht, denn die Künstler selber haben die längst. Aber die Institutionen sind natürlich am Gängelband und haben die Chance, jetzt sich zu öffnen.
    "Kubas Kunstszene hat ein großes Selbstbewusstsein"
    Armbrüster: Gibt es da denn eine große Lust, einen Hunger an Kunst, auch aus dem Westen?
    Franzen: Ja und nein. Man ist sehr selbstbewusst auch und hat sich immer als Brücke verstanden, vor allen Dingen auch, weil ja schon seit den 80er-Jahren die Havanna-Biennale einfach eine sehr, sehr große Rolle spielt und innerhalb der Kunstszene der Ort war, wo man zum allerersten Mal vom Westen aus Kunsttendenzen wahrgenommen hat aus dem karibischen Raum, aus dem afrikanischen Raum.
    Insofern hat man da ein großes Selbstbewusstsein und muss da auch nicht hinten anstehen. Man ist sehr gut informiert, wie gesagt, auch durch die exil-kubanischen Kontakte, und ich denke, es wird sehr, sehr spannend sein, wie sich das jetzt weiterentwickelt. Ich denke, es gibt neue Impulse einfach auch für einen globalen Begriff von Kunst und Kultur.
    Armbrüster: Dann müssen Sie uns noch ganz kurz erklären, Frau Franzen: Was ist das für ein Ausstellungsprojekt, was sie da in Havanna derzeit betreuen?
    Franzen: Wir haben eine ganz tolle Sammlung kubanischer Kunst in Aachen, die von Peter und Irene Ludwig gesammelt worden sind, speziell aus der Wende Ende 80er-, frühe 90er-Jahre, wo es ähnlich wie bei uns in Deutschland in Kuba einen Abzug der sowjetischen Kräfte dort gab. Der Fall des Eisernen Vorhangs hatte entsprechend Einfluss.
    Die kubanischen Künstler waren extrem offen und sehr, sehr interessant und wir wollen diese Sammlung nach Kuba bringen und dann wieder zurückholen und flankieren mit Kunstprojekten, die über Kuba handeln, aber nicht von Kubanern sind. Das Ganze hat sich eine kubanische Künstlerin ausgedacht, Tania Bruguera.
    Armbrüster: Brigitte Franzen war das, die Leiterin des Ludwig-Forums für Internationale Kunst in Aachen, über ihre Erfahrungen, die sie kürzlich in Kuba gesammelt hat. Vielen Dank, Frau Franzen, dass Sie hier bei uns im Studio waren.
    Franzen: Danke!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.