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Kurt Beck: Mit Meldedaten darf kein Handel betrieben werden

Nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf dürfen Meldeämter Namen und Adressen ohne ausdrückliche Einwilligung zu Werbezwecken an Firmen weitergeben. Der Bundesrat werde daher eine Gesetzesänderung vorschlagen, sagt Kurt Beck. Der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz ergänzt, dass solche Gesetzeslücken missbraucht werden könnten.

Silvia Engels im Gespräch mit Kurt Beck |
    Silvia Engels: Im Sommer beschloss der Bundestag in einer Nachtsitzung Änderungen im Meldegesetz. Den Meldeämtern sollte es erlaubt werden, persönliche Daten von Bürgern an Interessenten zu verkaufen, wenn die Bürger nicht ausdrücklich widersprechen. Die Wellen schlugen erst im Nachhinein hoch.

    Hans-Peter Uhl: "Es geht darum, dass Inkassobüros, die säumige Zahler ausfindig machen müssen, dass die ihren Bestand an Daten aktualisieren dürfen."

    Peter Schaar: "Gerade diejenigen, die ihre Daten im Internet nicht preisgeben, sind ja dann auch Objekt des Datenhandels nach diesem Gesetz."

    Jens Börnsen: "Das Aushebeln des Widerspruchsrechts muss man schon als sehr üblen Trick betrachten. Deswegen denke ich, dass die Adresshändler noch nicht die Sektkorken knallen lassen dürfen."

    Engels: Das waren in der Collage der CSU-Abgeordnete Hans-Peter Uhl, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, und Jens Börnsen, SPD-Bürgermeister von Bremen. - Nun will der Bundesrat Änderungen an dieser Melderechtsnovelle vorschlagen und die in den Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag einbringen.

    Ein Rückblick in den Juni: Am Abend des Fußball-EM-Halbfinales zwischen Deutschland und Italien war kaum noch ein Abgeordneter im Plenum des Deutschen Bundestages. Ohne große Debatte beschloss der Bundestag damals mit der Mehrheit von Union und FDP eine Änderung des Melderechtswesens. Die Aufregung kam dann hinterher. Da beklagten nämlich Opposition und Verbraucherschützer, die Neuregelung erleichtere es Unternehmen, persönliche Daten bei den Meldeämtern zu kaufen, ohne dass der Verbraucher widerspricht. Das wäre die Neuregelung und die SPD kündigte damals an, dieses Gesetz im Bundesrat zu stoppen. Heute wird es im Bundesrat behandelt.
    Am Telefon begrüße ich Kurt Beck, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz. Guten Morgen, Herr Beck.

    Kurt Beck: Schönen guten Morgen!

    Engels: Werden denn nun mit den Änderungsvorschlägen, die die Länder beim Melderecht machen, die Daten der Bürger besser vor Verkauf geschützt als im ersten Entwurf des Bundestages?

    Beck: Da bin ich ganz sicher, denn zum einen: Alle Länder haben zwischenzeitlich erkannt, das kann so nicht sein, wie es im Bundestag beschlossen worden ist, also es wird eine breite Mehrheit für die Anrufung des Vermittlungsausschusses geben, und nach meiner festen Überzeugung wird es eine sehr grundlegende Überarbeitung dieses Gesetzes geben, im Sinne der Bedenken, die Sie gerade eben auch berichtet haben.

    Engels: Sie haben es gehört, wir haben die Kritik von Verbraucherschützer Glatzner gerade noch mal im Beitrag gehört. Der übt nämlich auch Kritik an dem Länderentwurf. Er sagt zum Beispiel, auch nach dem neuen Entwurf würde es reichen, wenn der Kaufinteressent der Daten, also zum Beispiel ein Unternehmen, lediglich versichert, dass die betroffene Person der Datenweitergabe zugestimmt hat, und in der Praxis könnten die Meldeämter das gar nicht überprüfen. Was sagen Sie dazu?

    Beck: Es gibt differenzierte Anrufungsgründe im Einzelnen. Dem Grunde nach sind wir uns einig, dass wir anrufen, also den Vermittlungsausschuss, um das Gesetz zu überarbeiten. In den beiden Antragsbegründungen, im Einzelnen zwischen den sogenannten A-Ländern, also SPD-geführten Ländern, und den B-Ländern, CDU-geführten Ländern, gibt es Unterschiede in der Tat und da werden wir sehr gründlich arbeiten, denn das wird ja auch 57-Sekunden-Gesetz genannt. Dieses Gesetz, das da durch den Bundestag geschlüpft ist, das wird so nicht den Bundesrat verlassen. Insoweit werden diese Bedenken sehr gründlich überarbeitet werden und ich glaube auch, das muss praxistauglich gemacht werden, nicht nur dem Sinne nach und dem Buchstaben nach überarbeitet, sondern auch dieser Kern eines deutlich besseren Datenschutzes wird im Bundesrat erarbeitet und ich bin dann zuversichtlich auch im Bundestag bestätigt werden.

    Engels: Verstehe ich Sie da richtig, dass Sie diese Kritik des Verbraucherschützers, dass es nach wie vor möglicherweise zu einfach ist, auch nach den jetzt vorliegenden Entwürfen, an Daten zu kommen, dass Sie diese Kritik teilen?

    Beck: Zumindest halte ich es für notwendig, dass dieser Kritikpunkt sehr sorgfältig geprüft wird und von den Fachleuten dann auch ausgelotet wird, wie man ihm entsprechen kann in der gesetzlichen Form. Also es wird nicht noch mal eine fluchse Geschichte werden, sondern es wird sehr gründlich beraten werden.

    Engels: Die Verbraucherschützer fürchten ja, dass diese neue Vorschlagsregel vonseiten der Länderkammer dazu führen wird, dass sie zum Schutz der Bürger nichts taugt. Das wollen Sie abstellen?

    Beck: Das wollen wir auf jeden Fall abstellen, denn es geht nicht darum, jetzt irgendetwas zu tun, sondern wirklich Verbraucherschutz in diesem Zusammenhang sehr groß zu schreiben. Wir haben ja eh eine Problematik in unserer Gesellschaft, dass mit Daten der Bürgerinnen und Bürger zwischenzeitlich in einer Weise umgegangen wird, dass es einen besorgen muss. In vielfältiger Weise werden direkt und indirekt Daten ja gebraucht in einer Form, dass man von Missbrauch reden muss. Keiner weiß, was mit den eigenen Daten geschieht. Wir selber als Bürger haben uns angewöhnt, auch viel zu leichtfertig mit unseren Daten umzugehen. Und das ist einer der Punkte, der jetzt in diesem Gesetz angesprochen ist, wo der Lackmustest jetzt durchgeführt wird, ob wir dem ein Stück weit zumindest gegenhalten. Wer freiwillig und bewusst dann mit seinen Daten leichtfertig umgeht, den kann man nicht schützen, da kann man nur aufklären. Aber in diesem Gesetz darf es nicht so sein, dass auf direkte oder indirekte Weise mit Daten Handel betrieben wird und letztendlich wegen Nichteinwilligung auch Missbrauch betrieben wird.

    Engels: Warum haben Sie dann in den Ländergegenvorschlag zu dem Gesetzentwurf nicht einfach hineingeschrieben, dass der Bürger direkt vom Meldeamt gefragt werden muss, ob die Daten verkauft werden dürfen?

    Beck: Jetzt lassen Sie uns doch mal die Gesetzesberatung erst aufnehmen. In den Anrufungsgründen - die sind ja sehr strukturiert zunächst mal in den Grundzügen - ist das alles geöffnet, sodass eine wirkliche Gesetzesberatung, die im Bundestag versäumt worden ist, jetzt im Bundesrat nachgeholt wird. Dafür öffnen wir heute die Debatte, dafür gibt es den sogenannten Vermittlungsausschuss, und ich bin zuversichtlich, dass niemand mehr leichtfertig und schnell mit diesen Fragen umgeht, sondern dass sie wirklich ernsthaft beantwortet werden. Ich werde auf jeden Fall alles tun, was in meiner Kraft steht, dass das sehr sorgfältig getan wird.

    Engels: Aber es gibt ja nun schon eine Vorlage, die der Bundesrat zumindest auf Ausschussebene erarbeitet hat, wo genau diese Geschichte, dass die Meldeämter einfach die Bürger direkt fragen sollen, nicht drinsteht. Was ist denn da schiefgegangen?

    Beck: Das sehe ich überhaupt, dass noch nichts schiefgegangen ist. Die Ausschüsse beraten und im Bundesrat wird dann eine zusammenfassende Anrufung des Vermittlungsausschusses gesucht. Das haben wir getan und jetzt wird im Vermittlungsausschuss das im Einzelnen beraten. Also schiefgegangen ist da bisher überhaupt nichts. Das ist die Gesetzesberatung, wie sie normal ist, und die Korrekturen werden jetzt vorgenommen werden - in dem Sinne, das will ich ausdrücklich, dass es eben nicht wieder zu einer, ich sage mal, zu lockeren Form kommen kann, mit den Bürgerdaten umzugehen.

    Engels: Eine neue Umfrage des Internetportals "Spiegel Online" bei Kommunen hat ergeben, dass einige Meldeämter, beispielsweise in Wuppertal oder Mannheim, recht gute Umsätze mit dem Verkauf von Daten machen. Wie ist das denn in Kommunen in Rheinland-Pfalz?

    Beck: Also mir liegen keine Erkenntnisse vor, dass es so ist, dass da, ich sage mal, Geschäfte gemacht werden in Rheinland-Pfalz, aber ich schließe es auch nicht aus, dass es im Einzelfall so sein könnte. Wenn man solche Gesetzeslücken lässt, werden sie teilweise auch genutzt, und das müssen wir unterbinden.

    Engels: Wenn es Gesetzeslücken gibt, könnte man ja auch vorschlagen, dass die Meldeämter einfach die Daten nicht mehr verkaufen dürfen.

    Beck: Na ja, ganz so schlicht sollte es, glaube ich, nicht sein. Es gibt durchaus auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger bestimmte Informationen, die, wenn Einwilligung da ist, auch herausgegeben werden sollten, aber dann begrenzt und nicht indirekt wieder durch diejenigen, die sie bekommen, weitergegeben an Dritte, ohne dass man es weiß. Also das ist, glaube ich, ein Gebot der Sorgfalt, die Dinge jetzt abzuwägen und Missbrauch auszuschließen.

    Engels: Aber die Meldeämter könnten auch in Zukunft damit gut verdienen?

    Beck: Das will ich überhaupt nicht. Daten sind keine Ware und kein Handelsgut. Es gibt begründete Sachverhalte, wo man sagt, ich sage jetzt mal, Jubiläen beispielsweise, wenn die Leute da nichts gegen haben, dann zu sagen, den Leuten kann man auch gratulieren zur diamantenen Hochzeit und so weiter, wo man sagen kann, es gibt eine Begründung, und wenn dann nicht Geld verdient wird, aber die Kosten für die Datenzusammenstellung erstattet werden. Das sind Abgrenzungen, die man sehr sorgfältig treffen muss. Aber Daten, ich sage es noch einmal, dürfen keine Handelsware sein.

    Engels: Im Bundesrat wird über Veränderungen bei der Novelle des Melderechts beraten. Wir sprachen über das, was da noch zu klären ist, mit Kurt Beck, er ist der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und gehört der SPD an. Vielen Dank für das Gespräch.

    Beck: Ich danke auch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.