"We will not go back to the days of reckless behaviour and unchecked excess that was at the heart of this crisis.”"
Kein Zurück zu rücksichtslosem Verhalten, zu unkontrollierten Exzessen, kein Zurück zu den Zuständen vor der Finanzkrise. Es sind deutliche Worte, die Barack Obama an die Banken richtet. Mit denen er die wichtigsten Industriestaaten und aufstrebenden Schwellenländer einschwört auf das morgen beginnende Treffen in Pittsburgh. Zum dritten Mal innerhalb eines Jahres kommt die G20-Gruppe zusammen, um an einer neuen Weltfinanzordnung zu basteln. Die Weichen dafür wurden – noch unter dem Schock der Lehman-Pleite - vor knapp einem Jahr in Washington und in London vor sechs Monaten gestellt:
""No longer can we allow risk to be transferred around the world without responsibility. I see every part of what has been a shadow banking system must now come under a supervisory net.”"
Es dürfe nicht länger sein, dass Risiko verantwortungslos um die Welt verschoben werde, sagte der britische Premierminister Gordon Brown nach dem letzten Treffen. Alles, was auch nur nach einem Schattenbanksystem aussehe, müsse beaufsichtigt werden. Oder in den Worten der deutschen Bundeskanzlerin:
""Kein Produkt, keine Region, keine Bank dürfen ohne Kontrolle sein."
Dieses Mantra der G20-Gruppe, hat sich in einem 47 Punkte umfassenden Aktionsplan niedergeschlagen. Die Aufsicht soll verschärft, die Spielregeln für die Finanzmarktakteure geändert werden, damit sich eine derartige Krise niemals wiederholen kann. Der Finanzkapitalismus soll in die Schranken gewiesen werden. Darüber herrscht international Einigkeit. Doch die Ausgestaltung einer neuen Regulierungsarchitektur entpuppt sich als schwierig. Abgesehen davon, dass sich einige Steueroasen nach und nach zu mehr Transparenz verpflichten, Banken dort also nicht mehr unbeaufsichtigt ihren Geschäften nachgehen können, ist bislang wenig passiert.
Zwar haben sowohl die Europäer als auch die Amerikaner Richtlinien und Gesetzentwürfe auf den Weg gebracht, mit denen Finanzmärkte in Zukunft strenger kontrolliert werden sollen – die EU-Kommission etwa stellte heute ihr geplantes Gesetzespaket vor, das eine zentrale Finanzaufsicht vorsieht – doch das ändert nichts an dem Problem, dass sich die Zuständigkeiten noch immer auf zu viele Akteure verteilen. Und der nötige Austausch von Informationen finde zwischen den Institutionen - zumindest bisher - nicht statt, kritisiert Reinhard Schmidt, Professor für internationales Bank- und Finanzwesen an der Universität Frankfurt.
"Ich glaube in ganz starkem Maße sind die nationalen Aufsichtsbehörden immer noch an nationale Interessen und an nationale Rechtsvorschriften gebunden und dann hört man von allen möglichen Instanzen wir haben nicht das Recht, die Informationen weiterzugeben, weil es vertrauliche Informationen sind. Und irgendwie muss man diese Hürde überwinden, sonst kriegt man nicht mal das Mindeste hin, nämlich eine zentralisierte Transparenz, darüber wie sehr die einzelnen Finanzinstitutionen finanziell miteinander verwoben sind. Also wer hat eigentlich wem gegenüber welche Verbindlichkeiten und welche Forderungen. Und wenn man das nicht weiß, dann ist die Finanzsystemstabilität in der heutigen Situation mit sehr komplexen Finanzmärkten kaum zu gewährleisten."
Zumal mit der Erholung der Börsen das Investmentbanking ein ungeahntes Comeback erlebt. Riskante, renditeträchtige Finanzprodukte sind gefragter denn je. Einige Geldhäuser sind zwar vom Markt verschwunden, andere gehen dafür – teilweise durch Staatshilfe oder Zukäufe - gestärkt aus der Krise hervor und erwirtschaften wieder Milliardengewinne. Eine Entwicklung, die Detlev von Larcher, vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac mit Sorge beobachtet.
"Man muss sich doch überlegen, warum lässt man es eigentlich zu, dass Banken so groß werden, dass sie nicht bankrott gehen dürfen, weil sie sonst die ganze Wirtschaft mit sich reißen, im Englischen heißt das: "Too big to fail", es ist völlig absurd. Eigentlich müsste man entflechten, müssten Banken kleiner, weniger wichtig werden, jede für sich alleine, damit eben das Risiko eben auch bei den Vorständen und den Aktionären liegt, wenn so eine Bank zusammenkracht und nicht der Steuerzahler die Verluste tragen muss."
Dieser Gefahr ist sich auch die Politik bewusst, die sich durch die unausgesprochene Garantie, systemrelevante Banken nicht untergehen zu lassen, erpressbar gemacht hat. Dazu kommt: Die Steuerzahler, die den Kollaps des Finanzsystems mit verhindert haben, wollen nun Taten sehen. Das weiß auch Angela Merkel. Und so kann sich die Bundeskanzlerin kurz vor der Wahl selbst für die von der SPD kurzfristig ins Spiel gebrachte – und nicht ganz neue – Idee einer Steuer auf Finanztransaktionen erwärmen. Spekulationen und Schwankungen an den Finanzmärkten sollen so abgemildert werden. Doch die Erfolgsaussichten dafür in Pittsburgh sind gering. Denn nicht einmal im Kreis der europäischen Verhandlungspartner findet der Vorschlag eine Mehrheit.
Bessere Chancen hat die Idee, riskante Geschäfte für Banken unattraktiv zu machen. Und so wird überlegt, "dass die Eigenkapitalanforderungen an die Banken erhöht werden müssen je höher ihre Verwobenheit in internationalem Bereich ist und je größer ihre Größe."
Schon heute müssen Banken Eigenkapital vorhalten, um Kreditausfälle oder Verluste zu verkraften – und auch heute richtet sich die Höhe bereits nach dem Risikograd ihrer Geschäfte. Je risikoreicher das Geschäft desto mehr Eigenkapital müssen sie vorweisen. So sieht es das Regelwerk Basel II vor, an das sich europäische Banken seit 2007 halten müssen. Die Wirksamkeit dieser Regeln ist bislang allerdings begrenzt gewesen, denn für Banken in den USA waren die Basel-II-Kriterien bisher nicht bindend. Wenn diese Vorschriften nun verschärft und international abgestimmt würden, könnten Banken also nicht mehr Risiken eingehen, so die Idee. Zwingt man die Institute zudem noch anti-zyklisch vorzugehen, in guten Zeiten also mehr Kapital anzuhäufen als in schlechten, entstünde ein Polster, das Verluste abfedern und so die Hilfe des Staates überflüssig machen könnte. Allerdings würde dadurch die Eigenkapitalrendite der Banken sinken. Ein wichtiger Erfolgsfaktor, der das Verhältnis von Gewinn zu Kapital misst. Eine Vorstellung, mit der man sich langsam aber selbst in der Finanzwelt anfreundet. Oliver Roth, Aktienhändler bei der Frankfurter Bank Close Brothers Seydler.
"Vorübergehend sind die Zeiten der 20 bis 25 Prozentrendite vorbei. Ich halte das auch für vollkommen ungesund. Ich denke, es ist wichtig, dass die Unternehmen als Ganzes und die Banken im Besonderen die Kapitaldecke verstärken, dazu brauche man das Geld innerhalb des Unternehmens langfristig und die Aktionäre müssen sich sicherlich in Zukunft erst mal mit weniger zufriedengeben, aber langfristig ist damit mehr zu erzielen als kurzfristig Gelder auszubezahlen."
Höhere Eigenkapitalanforderungen werden schon jetzt als das Herzstück der Finanzmarktreform gehandelt, als wirksamer Hebel, der Finanzblasen verhindern soll. Vor allem systemrelevante Banken, sollen sich ein größeres Sicherheitspolster zulegen müssen, damit sie nicht zu mächtig werden. Für einige kleine Geldinstitute könnte eine strengere Eigenkapitalunterlegung allerdings teuer werden, warnen Bankverbände. Hierzulande beträfe es vor allem Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die keinen direkten Zugang zum Kapitalmarkt haben. Und so ist der Ansatz zwar gut und findet auch unter den Gipfelteilnehmern viele Befürworter, allein die Ausgestaltung der Regeln wird schwierig werden. Denn strengere Eigenkapitalvorschriften haben noch einen unliebsamen Nebeneffekt. Und der könnte die Wirtschaftskrise sogar verschärfen, warnt Professor Reinhard Schmidt von der Universität Frankfurt.
"Eigenkapital begrenzt nach geltendem Bankrecht das Maß an Kreditvergabe, das möglich ist, und weil wir vielleicht jetzt die Finanzkrise ein bisschen hinter uns haben und die Krise sich auf die Realwirtschaft verlagert ist dieser negative Effekt, dass eine Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen den Kreditspielraum einengen würde, ist ein wirklich ernst zu nehmendes Bedenken. Und vielleicht sollte man sich dann überlegen, was gibt es an vernünftigen Alternativen zur Erhöhung des Eigenkapitals."
Und so werden strengere Eigenkapitalvorschriften wohl frühestens in ein paar Jahren auf den Weg gebracht werden. Also erst dann, wenn Unternehmen nicht mehr unter einer schleppenden Kreditvergabe leiden und sich die konjunkturelle Lage entspannt hat. Darauf haben sich die Finanzminister der G20-Staaten bereits bei ihrem vorbereitenden Treffen vor knapp drei Wochen in London geeinigt.
Doch ganz ohne schnelle Ergebnisse werden die Politiker Pittsburgh nicht verlassen. Während der Sommerpause hat es nämlich ein ganz anderes Thema ganz oben auf die G20-Agenda geschafft: Die exorbitanten Bonuszahlungen im Investmentbanking. Diese Fehlanreize bei der Vergütung sind zwar nicht allein verantwortlich für den Beinahe-Kollaps des Finanzsystems, können aber wählerwirksam aus der Welt geschafft werden.
"Nous voulons qu'à Pittsburg les choses changent. Nous voulons des chiffres, des calendriers, des Engagements."
Zahlen, Zeiträume, Zusagen bezüglich einer angemessenen Bezahlung der Bank-Manager will der französische Präsident in der Abschlusserklärung des Gipfels in Pittsburgh sehen. Andernfalls werde er frühzeitig abreisen, so seine Drohung. Unterstützung bekommt Nicolas Sarkozy dabei aus Deutschland von der Bundeskanzlerin, die unmittelbar vor der Bundestagswahl gerne den Schulterschluss übt:
"Es gibt Dinge die für Menschen, die wenig Geld und wenig Spielraum haben, unglaublich schwer oder gar nicht zu verkraften sind."
Ausufernde Bonuszahlungen, die ein Vielfaches des Fix-Gehalts betragen und in der Vergangenheit die Anreize für Wertpapier-Händler verstärkt haben, risikoreiche Geschäfte zu machen, müssten ein Ende haben, so die deutsch-französische Forderung. Doch wie genau Boni reguliert werden sollen, ist umstritten.
"Das, was 'Speedy Sarkozy' hier vorgeschlagen hat, ist natürlich sehr populär und er hat es auch sehr populär verkauft: Pas de Bonus sans malus, also kein Bonus ohne Malus. Wir wollen die Banker nicht nur im Guten an den Gewinnen beteiligen sondern auch im Schlechten an den Verlusten. Aber auch Sarkozy ist nicht den Weg eines Gesetzes gegangen, sondern er setzt vor allem auf das Mittel, dass Banker, die sich nicht daran halten, keine Staatsaufträge bekommen. Ob das Gesetz formulierbar wäre, ist sehr fraglich. Man muss dann genau schauen, warum regulieren wir das und mit welchem Ziel","
meint der Arbeitsrechtler Gregor Thüsing von der Universität Bonn.
In Pittsburgh wird es, wenn überhaupt, nur auf allgemeine Standards bei der Vergütung hinauslaufen. Die Europäische Union hat sich hier bereits auf eine gemeinsame Position verständigt. Eine Deckelung, wie Sarkozy sie anfangs forderte, ist weitgehend vom Tisch.
""Meines Erachtens ist nicht so sehr wichtig die Obergrenze, ein Banker kann auch zwei Duckillionen verdienen, ohne dass das dem Gemeinwesen schadet. Das Entscheidende ist, was wird tatsächlich incentiviert, worauf gibt es einen Bonus. Und wenn das sehr kurzfristige Gewinne sind, die risikoreich erwirtschaftet werden, die langfristig der Bank schaden, dann kann der Staat sehr wohl sagen, das Funktionieren der Finanzmärkte liegt im Allgemeininteresse und zur Sicherung des Allgemeininteresses wollen wir diese kurzfristigen Boni verbieten."
Darauf haben sich auch die EU-Mitglieder verständigt. Erfolgsprämien sollen sich in Zukunft am langfristigen Erfolg des Unternehmens orientieren, die Zahlungen also zeitlich gestreckt werden. Außerdem sollen sie sich in einem begrenzten Verhältnis zum Fixgehalt bewegen.
In Deutschland hat die Regierung bereits auf den Unmut in der Bevölkerung angesichts der hohen Bonuszahlungen reagiert. Anfang August trat das Gesetz zur Angemessenheit von Vorstandsvergütungen in Kraft, dass vor allem an der Unternehmensspitze das kurzfristige Renditestreben eindämmen soll. Auch die Bankenaufsicht Bafin schreibt nun Vergütungsprinzipien vor. Und auch in den Bankhäusern selbst hat ein Umdenken eingesetzt.
Ein staatlicher Eingriff in die Ausgestaltung von Boni und Gehältern bleibt jedoch ein sensibles Thema. Die Standortpolitik bremst vielerorts den Reformeifer, vor allem in den USA und in Großbritannien ist die Angst vor einer Abwanderung von Spitzenmanagern groß. Und auch ein kontinentaleuropäischer Alleingang, wie erst unlängst vom Chef der Euro-Gruppe, Jean Claude Juncker, vorgeschlagen, könnte unliebsame Folgen haben, meint Bank-Professor Schmidt. Denn die Söldnermentalität, die Investmentbanker an den Tag legten, sei nicht zu unterschätzen.
"Wenn die bei einer Bank nicht viel Erfolg haben, im Sinne von hoher Bezahlung, hoher Bonus dann gehen sie eben woanders hin. Und diese Händler sind die Träger von sehr viel Know-how, weil sie ihrem Geschäftspartner vertraut sind, und ob Herr X bei Bank A oder Herr X bei Bank B ist, ist für Herrn Y bei der Bank C nicht so wichtig, Hauptsache er kann sich auf das Wort von Herrn X verlassen. Die können also sehr leicht abwandern und viel Geschäft mitnehmen."
Dessen ist man sich auch in London bewusst. Die Finanzbranche hat auf der Insel größere Bedeutung als in anderen Ländern der EU und bis vor Kurzem noch fast zwölf Prozent zur britischen Wirtschaftsleistung beigetragen. Vor der Bankenkrise sollen in London pro Jahr rund 17 Milliarden Euro an Bonuszahlungen geflossen sein, ein beträchtlicher Teil davon als Steuer in die Staatskasse. Ein großer Teil davon ist mittlerweile wieder bei den Banken angekommen – als staatliche Hilfe um ihr Überleben zu sichern.
Da kommt es in den britischen Medien nicht gut an, dass in der Londoner City schon wieder der Champagner fließen soll und Millionenprämien gezahlt werden. Selbst in Finanzinstituten, die am Tropf des Staates hängen wie etwa die Royal Bank of Scotland.
Feste Obergrenzen für Boni einzuführen sei aber auch keine Lösung, sagt Angela Knight, die Vorsitzende der britischen Banker-Vereinigung. Dann sei doch klar, dass sich nicht alle Länder daran hielten und Finanzgeschäfte in der Folge einfach in andere Teile der Welt verlagert würden.
"If one puts a fixed cap in like that, I think we know for certain that not all countries will abide by it. All that will mean that business will start shifting around the world.”"
Auch die britische Regierung fürchtet, dass Auflagen vor allem die großen Banken in den USA und in Großbritannien treffen. Insbesondere die Londoner City. Dort gingen im zurückliegenden Jahr bereits 50.000 Arbeitsplätze verloren. Trotzdem tritt auch die Regierung Brown dafür ein, Prämien nur noch nach einer Erfolgsfrist zu zahlen, um riskante Geschäfte zu verhindern, die nur auf eine Belohnung abzielen. Schatzkanzler Alistair Darling betont – auch die Briten seien zu Einschränkungen, zu einer wirksamen Regulierung der Finanzmärkte bereit.
""Die Franzosen, die Deutschen, eigentlich alle wollen Maßnahmen, die auf dasselbe hinauslaufen: nämlich Risiken abzubauen, zu denen Banken durch ein Bonussystem verleitet werden. Aber diese Maßnahmen müssen auch umsetzbar, müssen auch praktikabel sein."
Und auch in Aufsichtsfragen haben sich die Briten durchgesetzt. Die zukünftigen EU-Aufseher haben nur Weisungsrecht, sofern die nationalen Haushalte unberührt bleiben. Dies sieht der Entwurf der EU-Kommission vor. Vor allem aber regt sich in London Widerstand gegen Bemühungen, Hedgefonds sowie Beteiligungs- und Risikokapitalgesellschaften so streng zu überwachen, wie die EU-Kommission das jetzt vorhat.
In der Londoner City sind 80 Prozent der europäischen Hedgefonds angesiedelt und fast zwei Drittel der Beteiligungsgesellschaften. Zusammen beschäftigen sie rund 50.000 Menschen in London – Arbeitsplätze, die gefährdet seien, wenn Brüssel noch über die von den G20-Staaten geplanten Regulierungen hinausgehe, warnt Antonio Borges, der Vorsitzende des Londoner "Hedgefonds Standard Board".
"Das ist ein dynamischer Wirtschaftszweig, ständig in Veränderung, in großem, weltweitem Wettbewerb. Und wenn die Bedingungen in Europa abträglicher sind, unzureichender, dann schadet das natürlich der Entwicklung dieser Finanzindustrie und sie wird nach und nach irgendwo anders hingehen."
Führende Hedgefonds wie "Brevan Howards" drohen damit, der City den Rücken zu kehren und nach Asien umzuziehen. Zwei Dutzend sollen London schon verlassen haben, die meisten in Richtung Schweiz. Weitere Abwanderungen, weitere Steuerausfälle kann sich das Königreich kaum leisten.
Bevor die Reform der Finanzmärkte in mühevoller Kleinarbeit in nationale Vorschriften gegossen werden kann, gilt es also zunächst die Länderinteressen, die ganz klar antagonistisch sind, unter einen Hut zu bringen. Eine Mammutaufgabe, vor der die G20-Gruppe steht. Dazu kommt: Mit dem Ende der Vertrauenskrise im Bankensektor und der allmählichen konjunkturellen Erholung schwindet der Reformdruck. Die Lobbygruppen der Finanzindustrie werden wieder lauter, vor allem an der Wall Street. Und so könnte der Gipfel in Pittsburgh die letzte Chance sein, durchgreifende Reformen auf den Weg zu bringen. Die Erwartungen sind groß an die Staats- und Regierungschefs in Pittsburgh und an den Gastgeber Barack Obama. Denn nicht zuletzt steht auch die Existenz der G20-Gruppe als schlagkräftiges Entscheidungsgremium auf dem Prüfstand. Sollte es in den kommenden Tagen nicht ans Eingemachte gehen, stellt sich die Frage, ob dieses umfangreiche Format aus Industrie- und Schwellenländern tatsächlich noch in der Lage ist, globale Probleme zu lösen.
Kein Zurück zu rücksichtslosem Verhalten, zu unkontrollierten Exzessen, kein Zurück zu den Zuständen vor der Finanzkrise. Es sind deutliche Worte, die Barack Obama an die Banken richtet. Mit denen er die wichtigsten Industriestaaten und aufstrebenden Schwellenländer einschwört auf das morgen beginnende Treffen in Pittsburgh. Zum dritten Mal innerhalb eines Jahres kommt die G20-Gruppe zusammen, um an einer neuen Weltfinanzordnung zu basteln. Die Weichen dafür wurden – noch unter dem Schock der Lehman-Pleite - vor knapp einem Jahr in Washington und in London vor sechs Monaten gestellt:
""No longer can we allow risk to be transferred around the world without responsibility. I see every part of what has been a shadow banking system must now come under a supervisory net.”"
Es dürfe nicht länger sein, dass Risiko verantwortungslos um die Welt verschoben werde, sagte der britische Premierminister Gordon Brown nach dem letzten Treffen. Alles, was auch nur nach einem Schattenbanksystem aussehe, müsse beaufsichtigt werden. Oder in den Worten der deutschen Bundeskanzlerin:
""Kein Produkt, keine Region, keine Bank dürfen ohne Kontrolle sein."
Dieses Mantra der G20-Gruppe, hat sich in einem 47 Punkte umfassenden Aktionsplan niedergeschlagen. Die Aufsicht soll verschärft, die Spielregeln für die Finanzmarktakteure geändert werden, damit sich eine derartige Krise niemals wiederholen kann. Der Finanzkapitalismus soll in die Schranken gewiesen werden. Darüber herrscht international Einigkeit. Doch die Ausgestaltung einer neuen Regulierungsarchitektur entpuppt sich als schwierig. Abgesehen davon, dass sich einige Steueroasen nach und nach zu mehr Transparenz verpflichten, Banken dort also nicht mehr unbeaufsichtigt ihren Geschäften nachgehen können, ist bislang wenig passiert.
Zwar haben sowohl die Europäer als auch die Amerikaner Richtlinien und Gesetzentwürfe auf den Weg gebracht, mit denen Finanzmärkte in Zukunft strenger kontrolliert werden sollen – die EU-Kommission etwa stellte heute ihr geplantes Gesetzespaket vor, das eine zentrale Finanzaufsicht vorsieht – doch das ändert nichts an dem Problem, dass sich die Zuständigkeiten noch immer auf zu viele Akteure verteilen. Und der nötige Austausch von Informationen finde zwischen den Institutionen - zumindest bisher - nicht statt, kritisiert Reinhard Schmidt, Professor für internationales Bank- und Finanzwesen an der Universität Frankfurt.
"Ich glaube in ganz starkem Maße sind die nationalen Aufsichtsbehörden immer noch an nationale Interessen und an nationale Rechtsvorschriften gebunden und dann hört man von allen möglichen Instanzen wir haben nicht das Recht, die Informationen weiterzugeben, weil es vertrauliche Informationen sind. Und irgendwie muss man diese Hürde überwinden, sonst kriegt man nicht mal das Mindeste hin, nämlich eine zentralisierte Transparenz, darüber wie sehr die einzelnen Finanzinstitutionen finanziell miteinander verwoben sind. Also wer hat eigentlich wem gegenüber welche Verbindlichkeiten und welche Forderungen. Und wenn man das nicht weiß, dann ist die Finanzsystemstabilität in der heutigen Situation mit sehr komplexen Finanzmärkten kaum zu gewährleisten."
Zumal mit der Erholung der Börsen das Investmentbanking ein ungeahntes Comeback erlebt. Riskante, renditeträchtige Finanzprodukte sind gefragter denn je. Einige Geldhäuser sind zwar vom Markt verschwunden, andere gehen dafür – teilweise durch Staatshilfe oder Zukäufe - gestärkt aus der Krise hervor und erwirtschaften wieder Milliardengewinne. Eine Entwicklung, die Detlev von Larcher, vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac mit Sorge beobachtet.
"Man muss sich doch überlegen, warum lässt man es eigentlich zu, dass Banken so groß werden, dass sie nicht bankrott gehen dürfen, weil sie sonst die ganze Wirtschaft mit sich reißen, im Englischen heißt das: "Too big to fail", es ist völlig absurd. Eigentlich müsste man entflechten, müssten Banken kleiner, weniger wichtig werden, jede für sich alleine, damit eben das Risiko eben auch bei den Vorständen und den Aktionären liegt, wenn so eine Bank zusammenkracht und nicht der Steuerzahler die Verluste tragen muss."
Dieser Gefahr ist sich auch die Politik bewusst, die sich durch die unausgesprochene Garantie, systemrelevante Banken nicht untergehen zu lassen, erpressbar gemacht hat. Dazu kommt: Die Steuerzahler, die den Kollaps des Finanzsystems mit verhindert haben, wollen nun Taten sehen. Das weiß auch Angela Merkel. Und so kann sich die Bundeskanzlerin kurz vor der Wahl selbst für die von der SPD kurzfristig ins Spiel gebrachte – und nicht ganz neue – Idee einer Steuer auf Finanztransaktionen erwärmen. Spekulationen und Schwankungen an den Finanzmärkten sollen so abgemildert werden. Doch die Erfolgsaussichten dafür in Pittsburgh sind gering. Denn nicht einmal im Kreis der europäischen Verhandlungspartner findet der Vorschlag eine Mehrheit.
Bessere Chancen hat die Idee, riskante Geschäfte für Banken unattraktiv zu machen. Und so wird überlegt, "dass die Eigenkapitalanforderungen an die Banken erhöht werden müssen je höher ihre Verwobenheit in internationalem Bereich ist und je größer ihre Größe."
Schon heute müssen Banken Eigenkapital vorhalten, um Kreditausfälle oder Verluste zu verkraften – und auch heute richtet sich die Höhe bereits nach dem Risikograd ihrer Geschäfte. Je risikoreicher das Geschäft desto mehr Eigenkapital müssen sie vorweisen. So sieht es das Regelwerk Basel II vor, an das sich europäische Banken seit 2007 halten müssen. Die Wirksamkeit dieser Regeln ist bislang allerdings begrenzt gewesen, denn für Banken in den USA waren die Basel-II-Kriterien bisher nicht bindend. Wenn diese Vorschriften nun verschärft und international abgestimmt würden, könnten Banken also nicht mehr Risiken eingehen, so die Idee. Zwingt man die Institute zudem noch anti-zyklisch vorzugehen, in guten Zeiten also mehr Kapital anzuhäufen als in schlechten, entstünde ein Polster, das Verluste abfedern und so die Hilfe des Staates überflüssig machen könnte. Allerdings würde dadurch die Eigenkapitalrendite der Banken sinken. Ein wichtiger Erfolgsfaktor, der das Verhältnis von Gewinn zu Kapital misst. Eine Vorstellung, mit der man sich langsam aber selbst in der Finanzwelt anfreundet. Oliver Roth, Aktienhändler bei der Frankfurter Bank Close Brothers Seydler.
"Vorübergehend sind die Zeiten der 20 bis 25 Prozentrendite vorbei. Ich halte das auch für vollkommen ungesund. Ich denke, es ist wichtig, dass die Unternehmen als Ganzes und die Banken im Besonderen die Kapitaldecke verstärken, dazu brauche man das Geld innerhalb des Unternehmens langfristig und die Aktionäre müssen sich sicherlich in Zukunft erst mal mit weniger zufriedengeben, aber langfristig ist damit mehr zu erzielen als kurzfristig Gelder auszubezahlen."
Höhere Eigenkapitalanforderungen werden schon jetzt als das Herzstück der Finanzmarktreform gehandelt, als wirksamer Hebel, der Finanzblasen verhindern soll. Vor allem systemrelevante Banken, sollen sich ein größeres Sicherheitspolster zulegen müssen, damit sie nicht zu mächtig werden. Für einige kleine Geldinstitute könnte eine strengere Eigenkapitalunterlegung allerdings teuer werden, warnen Bankverbände. Hierzulande beträfe es vor allem Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die keinen direkten Zugang zum Kapitalmarkt haben. Und so ist der Ansatz zwar gut und findet auch unter den Gipfelteilnehmern viele Befürworter, allein die Ausgestaltung der Regeln wird schwierig werden. Denn strengere Eigenkapitalvorschriften haben noch einen unliebsamen Nebeneffekt. Und der könnte die Wirtschaftskrise sogar verschärfen, warnt Professor Reinhard Schmidt von der Universität Frankfurt.
"Eigenkapital begrenzt nach geltendem Bankrecht das Maß an Kreditvergabe, das möglich ist, und weil wir vielleicht jetzt die Finanzkrise ein bisschen hinter uns haben und die Krise sich auf die Realwirtschaft verlagert ist dieser negative Effekt, dass eine Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen den Kreditspielraum einengen würde, ist ein wirklich ernst zu nehmendes Bedenken. Und vielleicht sollte man sich dann überlegen, was gibt es an vernünftigen Alternativen zur Erhöhung des Eigenkapitals."
Und so werden strengere Eigenkapitalvorschriften wohl frühestens in ein paar Jahren auf den Weg gebracht werden. Also erst dann, wenn Unternehmen nicht mehr unter einer schleppenden Kreditvergabe leiden und sich die konjunkturelle Lage entspannt hat. Darauf haben sich die Finanzminister der G20-Staaten bereits bei ihrem vorbereitenden Treffen vor knapp drei Wochen in London geeinigt.
Doch ganz ohne schnelle Ergebnisse werden die Politiker Pittsburgh nicht verlassen. Während der Sommerpause hat es nämlich ein ganz anderes Thema ganz oben auf die G20-Agenda geschafft: Die exorbitanten Bonuszahlungen im Investmentbanking. Diese Fehlanreize bei der Vergütung sind zwar nicht allein verantwortlich für den Beinahe-Kollaps des Finanzsystems, können aber wählerwirksam aus der Welt geschafft werden.
"Nous voulons qu'à Pittsburg les choses changent. Nous voulons des chiffres, des calendriers, des Engagements."
Zahlen, Zeiträume, Zusagen bezüglich einer angemessenen Bezahlung der Bank-Manager will der französische Präsident in der Abschlusserklärung des Gipfels in Pittsburgh sehen. Andernfalls werde er frühzeitig abreisen, so seine Drohung. Unterstützung bekommt Nicolas Sarkozy dabei aus Deutschland von der Bundeskanzlerin, die unmittelbar vor der Bundestagswahl gerne den Schulterschluss übt:
"Es gibt Dinge die für Menschen, die wenig Geld und wenig Spielraum haben, unglaublich schwer oder gar nicht zu verkraften sind."
Ausufernde Bonuszahlungen, die ein Vielfaches des Fix-Gehalts betragen und in der Vergangenheit die Anreize für Wertpapier-Händler verstärkt haben, risikoreiche Geschäfte zu machen, müssten ein Ende haben, so die deutsch-französische Forderung. Doch wie genau Boni reguliert werden sollen, ist umstritten.
"Das, was 'Speedy Sarkozy' hier vorgeschlagen hat, ist natürlich sehr populär und er hat es auch sehr populär verkauft: Pas de Bonus sans malus, also kein Bonus ohne Malus. Wir wollen die Banker nicht nur im Guten an den Gewinnen beteiligen sondern auch im Schlechten an den Verlusten. Aber auch Sarkozy ist nicht den Weg eines Gesetzes gegangen, sondern er setzt vor allem auf das Mittel, dass Banker, die sich nicht daran halten, keine Staatsaufträge bekommen. Ob das Gesetz formulierbar wäre, ist sehr fraglich. Man muss dann genau schauen, warum regulieren wir das und mit welchem Ziel","
meint der Arbeitsrechtler Gregor Thüsing von der Universität Bonn.
In Pittsburgh wird es, wenn überhaupt, nur auf allgemeine Standards bei der Vergütung hinauslaufen. Die Europäische Union hat sich hier bereits auf eine gemeinsame Position verständigt. Eine Deckelung, wie Sarkozy sie anfangs forderte, ist weitgehend vom Tisch.
""Meines Erachtens ist nicht so sehr wichtig die Obergrenze, ein Banker kann auch zwei Duckillionen verdienen, ohne dass das dem Gemeinwesen schadet. Das Entscheidende ist, was wird tatsächlich incentiviert, worauf gibt es einen Bonus. Und wenn das sehr kurzfristige Gewinne sind, die risikoreich erwirtschaftet werden, die langfristig der Bank schaden, dann kann der Staat sehr wohl sagen, das Funktionieren der Finanzmärkte liegt im Allgemeininteresse und zur Sicherung des Allgemeininteresses wollen wir diese kurzfristigen Boni verbieten."
Darauf haben sich auch die EU-Mitglieder verständigt. Erfolgsprämien sollen sich in Zukunft am langfristigen Erfolg des Unternehmens orientieren, die Zahlungen also zeitlich gestreckt werden. Außerdem sollen sie sich in einem begrenzten Verhältnis zum Fixgehalt bewegen.
In Deutschland hat die Regierung bereits auf den Unmut in der Bevölkerung angesichts der hohen Bonuszahlungen reagiert. Anfang August trat das Gesetz zur Angemessenheit von Vorstandsvergütungen in Kraft, dass vor allem an der Unternehmensspitze das kurzfristige Renditestreben eindämmen soll. Auch die Bankenaufsicht Bafin schreibt nun Vergütungsprinzipien vor. Und auch in den Bankhäusern selbst hat ein Umdenken eingesetzt.
Ein staatlicher Eingriff in die Ausgestaltung von Boni und Gehältern bleibt jedoch ein sensibles Thema. Die Standortpolitik bremst vielerorts den Reformeifer, vor allem in den USA und in Großbritannien ist die Angst vor einer Abwanderung von Spitzenmanagern groß. Und auch ein kontinentaleuropäischer Alleingang, wie erst unlängst vom Chef der Euro-Gruppe, Jean Claude Juncker, vorgeschlagen, könnte unliebsame Folgen haben, meint Bank-Professor Schmidt. Denn die Söldnermentalität, die Investmentbanker an den Tag legten, sei nicht zu unterschätzen.
"Wenn die bei einer Bank nicht viel Erfolg haben, im Sinne von hoher Bezahlung, hoher Bonus dann gehen sie eben woanders hin. Und diese Händler sind die Träger von sehr viel Know-how, weil sie ihrem Geschäftspartner vertraut sind, und ob Herr X bei Bank A oder Herr X bei Bank B ist, ist für Herrn Y bei der Bank C nicht so wichtig, Hauptsache er kann sich auf das Wort von Herrn X verlassen. Die können also sehr leicht abwandern und viel Geschäft mitnehmen."
Dessen ist man sich auch in London bewusst. Die Finanzbranche hat auf der Insel größere Bedeutung als in anderen Ländern der EU und bis vor Kurzem noch fast zwölf Prozent zur britischen Wirtschaftsleistung beigetragen. Vor der Bankenkrise sollen in London pro Jahr rund 17 Milliarden Euro an Bonuszahlungen geflossen sein, ein beträchtlicher Teil davon als Steuer in die Staatskasse. Ein großer Teil davon ist mittlerweile wieder bei den Banken angekommen – als staatliche Hilfe um ihr Überleben zu sichern.
Da kommt es in den britischen Medien nicht gut an, dass in der Londoner City schon wieder der Champagner fließen soll und Millionenprämien gezahlt werden. Selbst in Finanzinstituten, die am Tropf des Staates hängen wie etwa die Royal Bank of Scotland.
Feste Obergrenzen für Boni einzuführen sei aber auch keine Lösung, sagt Angela Knight, die Vorsitzende der britischen Banker-Vereinigung. Dann sei doch klar, dass sich nicht alle Länder daran hielten und Finanzgeschäfte in der Folge einfach in andere Teile der Welt verlagert würden.
"If one puts a fixed cap in like that, I think we know for certain that not all countries will abide by it. All that will mean that business will start shifting around the world.”"
Auch die britische Regierung fürchtet, dass Auflagen vor allem die großen Banken in den USA und in Großbritannien treffen. Insbesondere die Londoner City. Dort gingen im zurückliegenden Jahr bereits 50.000 Arbeitsplätze verloren. Trotzdem tritt auch die Regierung Brown dafür ein, Prämien nur noch nach einer Erfolgsfrist zu zahlen, um riskante Geschäfte zu verhindern, die nur auf eine Belohnung abzielen. Schatzkanzler Alistair Darling betont – auch die Briten seien zu Einschränkungen, zu einer wirksamen Regulierung der Finanzmärkte bereit.
""Die Franzosen, die Deutschen, eigentlich alle wollen Maßnahmen, die auf dasselbe hinauslaufen: nämlich Risiken abzubauen, zu denen Banken durch ein Bonussystem verleitet werden. Aber diese Maßnahmen müssen auch umsetzbar, müssen auch praktikabel sein."
Und auch in Aufsichtsfragen haben sich die Briten durchgesetzt. Die zukünftigen EU-Aufseher haben nur Weisungsrecht, sofern die nationalen Haushalte unberührt bleiben. Dies sieht der Entwurf der EU-Kommission vor. Vor allem aber regt sich in London Widerstand gegen Bemühungen, Hedgefonds sowie Beteiligungs- und Risikokapitalgesellschaften so streng zu überwachen, wie die EU-Kommission das jetzt vorhat.
In der Londoner City sind 80 Prozent der europäischen Hedgefonds angesiedelt und fast zwei Drittel der Beteiligungsgesellschaften. Zusammen beschäftigen sie rund 50.000 Menschen in London – Arbeitsplätze, die gefährdet seien, wenn Brüssel noch über die von den G20-Staaten geplanten Regulierungen hinausgehe, warnt Antonio Borges, der Vorsitzende des Londoner "Hedgefonds Standard Board".
"Das ist ein dynamischer Wirtschaftszweig, ständig in Veränderung, in großem, weltweitem Wettbewerb. Und wenn die Bedingungen in Europa abträglicher sind, unzureichender, dann schadet das natürlich der Entwicklung dieser Finanzindustrie und sie wird nach und nach irgendwo anders hingehen."
Führende Hedgefonds wie "Brevan Howards" drohen damit, der City den Rücken zu kehren und nach Asien umzuziehen. Zwei Dutzend sollen London schon verlassen haben, die meisten in Richtung Schweiz. Weitere Abwanderungen, weitere Steuerausfälle kann sich das Königreich kaum leisten.
Bevor die Reform der Finanzmärkte in mühevoller Kleinarbeit in nationale Vorschriften gegossen werden kann, gilt es also zunächst die Länderinteressen, die ganz klar antagonistisch sind, unter einen Hut zu bringen. Eine Mammutaufgabe, vor der die G20-Gruppe steht. Dazu kommt: Mit dem Ende der Vertrauenskrise im Bankensektor und der allmählichen konjunkturellen Erholung schwindet der Reformdruck. Die Lobbygruppen der Finanzindustrie werden wieder lauter, vor allem an der Wall Street. Und so könnte der Gipfel in Pittsburgh die letzte Chance sein, durchgreifende Reformen auf den Weg zu bringen. Die Erwartungen sind groß an die Staats- und Regierungschefs in Pittsburgh und an den Gastgeber Barack Obama. Denn nicht zuletzt steht auch die Existenz der G20-Gruppe als schlagkräftiges Entscheidungsgremium auf dem Prüfstand. Sollte es in den kommenden Tagen nicht ans Eingemachte gehen, stellt sich die Frage, ob dieses umfangreiche Format aus Industrie- und Schwellenländern tatsächlich noch in der Lage ist, globale Probleme zu lösen.