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Kuscheln mit Maschinen

Die Roboterrobbe Paro wird zur Therapie in Krankenhäusern sowie Alten- und Pflegeheimen eingesetzt. Mittlerweile hat man gute Erfahrungen mit emotionalen Robotern gemacht. Doch es gibt auch ethische Probleme rund um die therapeutischen Maschinen.

Von Mirko Smiljanic |
    Fachhochschule Frankfurt am Main, Gebäude 2. Auf dem Konferenztisch des Fachbereichs Soziale Arbeit und Gesundheit stapeln sich Bücher und Broschüren, diffuses Licht fällt durch die Oberlichter des sonst fensterlosen Raumes, ein schmuckloses Zweckgebäude eben. Trotzdem lässt Barbara Klein, Professorin für Organisation und Management der Sozialen Arbeit, die Tristesse mit einer Handbewegung verschwinden - sie schaltet Paro ein, eine hilflos fiepende, konsequent aufs Kindchenschema ausgerichtet 60 Zentimeter lange Kuschelrobbe mit schwarzen Kulleraugen und weißem Fell.

    "Paro ist eine therapeutische Robbe, die eigens für therapeutische Zwecke von dem Japaner Dr. Takanori Shibata entwickelt worden ist."

    Takanori Shibata ist Roboterforscher am Nationalen Institut für Industrie und Technologie in Japan, einem Land mit technikaffinen Menschen, die auch mal Roboter wie Haustiere halten. Shibata wollte eine "subjektsimulierende Maschine" zum Kuscheln entwickeln, einen Hightech-Teddybär für Demenzkranke.

    Und dann ist da noch Pleo, ein zweiter Roboter auf vier Beinen mit einer grünlichen Kunststoffhaut. Pleo ist kleiner und nicht ganz so kuschelig wie Paro, dafür können Kinder mit ihm aber besser spielen.

    "Das ist ein kleiner Roboter, der, wenn man ihn bekommt, wie ein neugeborener Dinosaurier anfängt, sich zu regen, man muss sich sehr intensiv mit ihm beschäftigen, damit er lernt sich zu bewegen, ..."

    ... mittlerweile kann Pleo tapsig laufen, den Kopf hin und her bewegen, mit dem Schwanz wedeln, außerdem unterscheidet er Hell und Dunkel. Beide Tiere – besser Artefakte – sehen aus wie Spielzeug, sind es aber nicht. Paro und Pleo sind "emotionale und soziale Roboter". Möglich macht das eine ausgeklügelte Technik. Die Kuschelrobbe Paro hat zum Beispiel ...

    " ... ganz viele Sensoren auch über den Körper verteilt, sodass er auch Berührungen erkennen kann, er kann erkennen, ob er gestreichelt wird oder geschlagen wird und reagiert dann praktisch sehr unterschiedlich, also Streicheln, das mag er, und wenn er geschlagen wird oder misshandelt wird, was ja manchmal auch vorkommen kann, dann fängt er an zu schreien und zu heulen, das hört sich dann so ähnlich an, wie ein Robbenbaby, das heult."

    Demonstrieren möchte Barbara Klein das aber nicht, sie habe "Beißhemmungen" entschuldigt sie sich und bittet stattdessen ihren Kollegen Frank Oswald, Professor für interdisziplinäre Alternswissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, auf Paro einzuprügeln.

    "Das war böse ..."

    Etwas Überwindung hat die Aktion auch Frank Oswald gekostet, was aber vor allem eines belegt: Die aus Kunststoff und Chips zusammengesetzten Artefakte sind tatsächlich in der Lage ...

    "... bei dem Gegenüber so etwas wie Emotionalität auszulösen und zum Andern so agieren, als ob sie emotional wären, das sind die beiden Bestandteile von Emotionalität in der Interaktion, in der Wechselwirkung mit Menschen."

    Ein Phänomen, das bei Kindern seit eh und je hervorragend funktioniert: Sie sprechen mit Puppen und schlafen sehr viel schneller ein, wenn sie den Teddy fest in den Arm drücken. Die bevorzugten Einsatzfelder für Paro und Pleo sind denn auch Kinder in Krankenhäusern und demenzkranke Menschen in Pflegeheimen.

    "Es wird gestreichelt, es wird aufgenommen, es wird mit ihm geredet, es wird gekuschelt, es wird angefasst, es wird aber auch mit den anderen Menschen in der Gruppe, meist ist es bisher in Gruppen eingesetzt, über das Tier gesprochen, das heißt, man wendet sich untereinander dann in stärkerem Maße zu, ja, das sind so die Interaktionen, und das ist es auch, worauf es angelegt ist."

    Spätestens jetzt stellt sich die Frage, ob das, was die Hightechrobbe bewirkt, letztlich nicht jeder Teddybär leistet.

    "Im Prinzip ja, im Prinzip kann das dasselbe sein. Die Frage ist aber, wenn wir hier über Robotik sprechen, was kann es noch, welche Intelligenz steckt dahinter. Wenn Sie eine sprechende Puppe haben, dann ist das ein Automatismus, der damit verbunden ist. So ein Roboter, das sieht man ihm vielleicht nicht an, da ist eine gewisse Sensorik drin, eine Lernfähigkeit, da ist zum Beispiel ein Gedächtnis da, die Möglichkeit, sich an die einzelnen Nutzer auf Dauer anzupassen, darin steckt eine gewisse Chance."

    Doch die ethischen Probleme rund um therapeutische Roboter sind noch weitgehend ungelöst: Ersetzen mittelfristig Maschinen teures Pflegepersonal? Das dürfe auf keinen Fall passieren, sagen die Frankfurter Forscher, die emotionale Robotik sei ein Mosaikstein bei der Pflege kranker Menschen, mehr nicht. Überhaupt müssen weitere Studien erst die Möglichkeiten und vor allem Grenzen therapeutischer Roboter belegen.

    "Das ist die Gretchenfrage, und das ist auch die Frage, warum wir uns damit befassen wollen über das Maß hinaus, was man jetzt schon weiß. Es ist eingesetzt worden in kleinen Gruppen, man hat festgestellt, ja, da ist wahrscheinlich ein Effekt im Sinne der besseren Kommunikation, der Anregung, des Wohlbefindens, aber es ist notwendig, das zu belegen."

    Jenseits aller psychosozialen Effekte lässt sich aber schon heute ein gesicherter Erfolg nachweisen. Emotionale Roboter können nach und nach eine individuelle Bindung an den Besitzer oder der Besitzerin entstehen lassen, ...

    " ... sodass ein Gerät auch den Alltagsrhythmus einer Person kennenlernt und Abweichungen erkennen kann von einem Tagesrhythmus, und dann entsprechend Rückmelden kann, moment, normalerweise kocht, ich sag das jetzt so mal, mein Frauchen, mein Herrchen zwischen neun und zehn seinen Kaffee, das ist jetzt hier nicht der Fall, also muss ich mal rückmelden, ist das eine gewollte Abweichung oder ist die ungewollt ...""

    ... ist es ungewollt, könnte Frauchen einen Unfall haben, also setzt Pleo einen Hilferuf ab. Das ist eines von vielen Einsatzszenarien für den Betreuungs- und Pflegemarkt der kommenden Jahre. Denn zwei Punkte stehen außer Frage: Die Zahl alter Menschen steigt dramatisch an und damit der Bedarf an Betreuung; außerdem wird bald eine Seniorengeneration heranwachsen, die keine Probleme mehr mit Computertechnik hat.

    "Wir haben jetzt über Demenz und über Heime gesprochen, das ist natürlich diese Altersphase relativ spät im Leben, wo es tatsächlich ein reduziertes Leben ist. Wir dürfen aber gerade bei Technikanwendung nicht aus dem Auge verlieren, dass wir hier teilweise eine Alterspanne von 40 und mehr Jahren abdecken, also 60+, wer würde dann 20 bis 60-Jährige oder Zehn- bis 50-Jährige in einen Kasten werfen und würde sagen, das ist das mittlere Erwachsenenalter oder so etwas, also da glaube ich gibt es auch sehr viel Veränderung und was Technik angeht, auch sehr Anpassungsfähigkeit, die da notwendig ist."