"Als die Amerikaner uns befreiten, verstand ich erst, dass der Albtraum ein Ende haben sollte. Endlich hatte ich mein Leben wieder. Daran erinnern wir heute."
Mahnendes Gedenken heute Mittag auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau. Als einer von 130 Überlebenden gedachte ein französischer ehemaliger Häftling der Ankunft der amerikanischen Truppen in Dachau vor gut 70 Jahren. Über 40.000 Menschen waren bis dahin in den Baracken gestorben. Ähnlich wie in anderen Konzentrationslagern deutschlandweit.
Doch Dachau nimmt unter den Vernichtungslagern eine besondere Stellung ein. Deshalb spricht zum ersten Mal ein Bundeskanzler, Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Gedenkfeier.
Noch vor der Machtergreifung Hitlers 1933 gab es Pläne der Nazis, politische Gegner nicht nur in Gefängnissen wegzusperren, sondern in Konzentrationslagern systematisch zu vernichten.
Ab März 1933 wurden massenhaft inhaftierte politische Gefangene aus den überfüllten Gefängniszellen des Polizeipräsidiums München in die neu errichteten Baracken am Stadtrand von Dachau, einem eigentlich als Künstlerkolonie bekannten Ort, deportiert. Nicht nur politische Gegner, auch Geistliche, später Juden sowie Sinti und Roma wurden in Dachau misshandelt. In Dachau wurde das Wachpersonal für die späteren Konzentrationslager in Osteuropa ausgebildet. Dachau wurde zum zynischen Vorbild für Vernichtungslager wie Auschwitz und Buchenwald. Kein anderes Lager bestand so lange wie Dachau – zwölf Jahre. Auf dem noch heute zu besichtigenden Schießplatz übte die SS die richtigen Todesschüsse. Bundeskanzlerin Angela Merkel:
"Über 200.000 dieser gequälten und verfolgten Menschen waren zwischen 1933 und 1945 im Konzentrationslager Dachau oder in einem seiner Außenlager inhaftiert. Sie wurden verfolgt und inhaftiert, weil sie anders dachten, anders glaubten, anders lebten, als es der Ideologie der Nationalsozialisten entsprach.
Wenn wir heute hier stehen, dann hat das nicht nur eine Bedeutung. Wir haben einen langen Weg hinter uns. Wir müssen mahnen und an die Zukunft denken."
Keinen Schlussstrich ziehen
Deutliche Orte auf dem Gelände des Konzentrationslagers. Im Beisein der Überlebenden und deren Angehörigen machten Jugendliche nicht auf deutsch, sondern auf englisch deutlich, dass die KZ-Gedenkstätte keine deutsche Angelegenheit, sondern eine internationale Bedeutung habe. Gerade Jugendliche müssten heute wieder genauer hinschauen, so auch die Botschaft vom Vorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschland Heinrich Bedford-Strohm im Gottesdienst heute morgen. Heute, wenn Tausende über das Mittelmeer flüchten, sich vor Krieg in Sicherheit bringen wollen, müssen wir an so einem Gedenktag nicht nur an die Vergangenheit denken. Bundeskanzlerin Merkel:
"Es sind die Stimmen und Berichte der Überlebenden die es uns allen und gerade den Jugendlichen ermöglichen, Antworten auf die Fragen zu finden, warum die Erinnerung an die Schrecken des Nationalsozialismus so wichtig, so unverzichtbar ist, eine Erinnerung, die eben nicht in Gedenkreden stehen bleibt, sondern eine Erinnerung, die der Zukunft verpflichtet ist. "
Wir dürfen keinen Schlussstrich ziehen, hatte die Bundeskanzlerin bereits vor ihrem Dachau-Besuch angemahnt. Es sei wichtig, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen und aufzupassen, dass "unsere Wertvorstellungen auch wirklich gelebt werden".
Gerade in Dachau zur heutigen Gedenkstunde mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer kommen diese Worte richtig. Erst im November wurde das schmiedeeiserne Tor mit dem zynischen Spruch "Arbeit macht frei" in einer Nacht- und Nebelaktion gestohlen, bis heute gibt es keine Spur von den Tätern.
"Dachau ist eine Lektion über die Evolution der Dunkelheit, wie ungehemmte Intoleranz und ungehemmter Hass außer Kontrolle geraten können", hatte US-Präsident Barack Obama diese Woche erklärt.
130 ehemalige Häftlinge, zum Teil auf ihre Angehörigen gestützt verfolgten die Rede der Bundeskanzlerin. Einige von ihnen sind zum ersten Mal seit Kriegsende wieder auf dem Lagergelände.