"Jeder, der sich für Donizetti interessiert, wusste, dass er 'L´Ange de Nisida' geschrieben hat. Aber niemand wusste mehr. Außer dass diese Oper nie zur Aufführung kam, und dass Donizetti Teile dieser Oper in seinem nächste Werk, 'La Favorite', recycled hat."
Sagt Mark Elder, der Dirigent und künstlerische Leiter von Opera Rara in London. Donizetti hatte 'L´Ange de Nisida' nach seinem Umzug nach Paris geschrieben. Er wollte die engen Grenzen seiner italienischen Heimat überwinden:
"Wer damals, Anfang des 19. Jahrhunderts, als Opernkomponist weltweiten Erfolg haben wollte, der musste Paris erobern. Donizetti war in Bergamo geboren, er hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt nur in Italien einen Namen gemacht. Er träumte davon, in Paris Erfolg zu haben. Deshalb zog er nach Paris, aus Karriere-Gründen."
Teile der Oper verwendete Donizetti in "La Favorite"
"L'Ange de Nisida" sollte eigentlich Donizetti den Durchbruch in Paris bringen. Doch das Theater, für das er die Oper geschrieben hatte, ging pleite:
"Dieses Stück wurde für das Theatre de la Renaissance geschrieben. Dieses Theater wurde aber von einem Betrüger geführt. Donizetti hatte die Oper fertig, aber dann kam der Impresario zu ihm und erklärte, er könne ihn nicht bezahlen und müsse das Theater dicht machen."
Deshalb gelang Donizetti der Durchbruch in Paris erst 1840 mit "La Favorite". In dieser Grand Opera tauchten Teile von "L'Ange de Nisida" wieder auf. Das vollständige Manuskript blieb aber verschollen. Bis jetzt. Eine italienische Doktorandin der Musikwissenschaft an der Universität Southampton, Candida Mantica, arbeitete über acht Jahre daran, die Fragmente zusammenzufügen. Die meisten fand sie verstreut und ungeordnet in der Pariser Nationalbibliothek, in 18 verschiedenen Ordnern. Insgesamt 470 Seiten, auch aus anderen Archiven in Europa und den Vereinigten Staaten. Mark Elder in der BBC über die Schwierigkeiten dieser Aufgabe:
"Niemand hatte sich zuvor darum gekümmert, die Seiten in die richtige Reihenfolge zu bringen. Alle hatten gedacht, man könne "L´Ange de Nisida" nicht reparieren. Und dann auch noch Donizettis Handschrift, ein einziges Chaos, sehr schwer zu entziffern."
"Eine Komödie der schlechten Sitten"
Die Jahre lange Arbeit war die Mühe wert: Der Dirigent Mark Elder hat die so verschollene Oper jetzt in der Covent Garden Oper, im Royal Opera House in London, zur Aufführung gebracht. Es ist zwar nur eine konzertante Aufführung, aber auch ohne Kostüme und Bühnenbild zeigt "L'Ange de Nisida", das sie zum Besten gehört, was Donizetti je geschrieben hat:
"Sie ist erfüllt von schönster, sehr variantenreicher Musik. Sie ist eine Mischung aus komischer und ernster Oper. Man kann sagen, das ist eine Komödie der schlechten Sitten. Die Personen gehen hier nicht gerade ehrenhaft miteinander um, und es endet dann schließlich sehr traurig."
Die Mätresse des Königs von Neapel ist am Ende tot, der Mann, der sie wirklich liebte, im Kloster, der König entehrt und seine graue Eminenz ein Versager. Die Welturaufführung des so lange verschollenen Donizetti-Meisterwerks ist aber ein Riesenerfolg.