Darf man das überhaupt? Darf man Gold, Plüsch, Flitter, neckische Scherzchen, flotte Tänzchen und ähnliche Inhalte der Theatermottenkiste ganz unironisch auf die Bühne bringen, ohne dass ein strafender Blitz aus dem Regietheaterhimmel herabfährt? Oder ein höhnischer Buhsturm den Regisseur über die ganze große Bühne fegt? Man darf - wenn man Rolando Villazon ist, einer der liebenswertesten und sympathischsten Sänger überhaupt und Berliner Publikumsliebling der ersten Stunde.
Dann erntet auch die harmloseste Produktion der letzten Jahre Jubel und Bravos. Und bei aller Begeisterung, mit der der Jung-Regisseur beim Applaus die Sänger herzt und küsst, bei allem Temperament, mit dem er auf das Publikum zugeht, hatte man fast vergessen, dass in den zurückliegenden zweieinhalb Stunden eben jenes Temperament, jener Schwung nicht so recht zünden wollte.
"La Rondine" extravaganter als frühere Puccini-Opern
"La Rondine" ist allerdings auch ein kapriziöses Vögelchen, das munter zwischen lyrischer Komödie und Operette hin- und herflattert und fast gänzlich ohne süffige, melodie - und gefühlsselige Arien auskommen muss. Ein schwelgerischer echter Puccini-Moment im ersten Akt, und danach wird parliert - auf raffinierteste Weise, versteht sich. Als hätte der Komponist das für ihn Typische in hoch konzentrierte Form gebracht, ist "La Rondine" filigraner, durchsichtiger aber auch extravaganter als die früheren großen Opern "La Bohème", "Tosca" oder "Madame Butterfly".
Exquisite Kleinteiligkeit statt üppiger Melodiebögen, was Sänger und Orchester mehr artikulieren, als dass sie schwelgen. Dirigent Roberto Rizzi Brignoli betont Leichtigkeit und Eleganz des Stückes, ebenso federnd wie geschmeidig perlt der Orchesterklang, durchsichtig trotz der Größe des Grabens.
Die eingesprungene Aurelia Florian als Magda gewinnt im Laufe des Abends immer mehr an Sicherheit, Schmelz und Beweglichkeit ihrer Stimme kommen immer besser zum Tragen genauso wie die große Virtuosität und Ausdruckskraft. Charles Castronovo als jugendlicher Liebhaber mit samtig - jugendlichem Timbre ist eine ebenso gelungene Besetzung wie Alexandra Hutton und Alvara Zambrano als Buffo-Paar - nur dass in deren burleske und komödiantische Darbietungen einiges mehr an Regisseurs-Herzblut hineingeflossen ist als in die eher formelhaften Gesten der hauptamtlich Liebenden.
Überaus freundliche Produktion
Von den Sängern wird Villazón für diese Inszenierung womöglich noch mehr geliebt als vom Publikum. Man darf zum Singen an die Rampe, muss keine ungesunden Positionen einnehmen, bekommt hübsche Kostüme an und darf wie anno 1950 sogar die Hand aufs Herz legen. Es ist eine überaus freundliche Produktion. Keinem wird etwas zugemutet, niemand überfordert, selbst die Szene in einem Pariser Nachtklub gerät familienfreundlich. Man neckt sich, scherzt, schwingt die Beine und alles ist handwerklich so solide wie vorhersehbar.
Die Einbettung der Geschichte ins Surrealistische, wie es der Regisseur im Vorfeld angekündigt hatte, beschränkt sich auf drei maskentragende Herren, die vergangenen Liebhaber der lebenslustigen Schwalbe Magda, wie sich in der letzten Szene herausstellt. Wenn Magda ihrem aktuellen Liebsten ebenfalls eine solche Maske aufsetzt, ihn also zu ihrer Vergangenheit macht, dann sind das atmosphärische Theatermomente, wie man sie an diesem Abend gern öfter gesehen hätte.
Man muss eine Komödie nicht gleich so schrill und frivol inszenieren wie derzeit an der Komischen Oper. Etwas mehr Feuer und etwas weniger Nettigkeiten hätten schon gereicht.