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Labour-Abgeordnete zu Mays USA-Besuch
"Großbritannien und Amerika sind anpassungsfähiger als die EU"

Die Europäische Union ist nach Ansicht der britischen Labour-Abgeordneten Gisela Stuart nicht in der Lage, sich an die veränderten globalen Bedingungen anzupassen. So sei die EU unfähig gewesen, ein Handelsabkommen mit den USA abzuschließen. Großbritannien und die Vereinigten Staaten seien deutlich anpassungsfähiger, sagte sie im DLF.

Gisela Stuart im Gespräch mit Stephanie Rohde |
    Die britische Labour-Abgeordnete Gisela Stuart
    Die britische Labour-Abgeordnete Gisela Stuart (imago stock&people)
    Die Konsequenzen des Brext-Votums seien den Briten bewusst gewesen, sagte die Labour-Abgeordnete Gisela Stuart im Deutschlandfunk. Die britische Bevölkerung habe sich gegen "bestimmte demokratische Strukturen" beziehungsweise "die Abwesenheit bestimmter demokratische Strukturen in der Europäischen Union" ausgesprochen. Aber die Briten "sind und waren schon immer ein Teil Europas".
    Doch die globalen Bedingungen änderten sich. Die EU habe "nicht bewiesen", dass sie in der Lage sei, sich den neuen Herausforderungen anzupassen. Hier seien sowohl die Vereinigten Staaten als auch Großbritannien "anpassungsfähiger", erklärte Stuart. "Die Europäische Union war unfähig, ein Handelsabkommen mit Amerika abzuschließen." Dieser Realität müsse man sich bewusst sein.
    Die Gespräche zwischen Großbritannien und den USA über neue Handelsbeziehungen stünden erst am Anfang. Einige Verhandlungen könnten auch erst begonnen werden, wenn Großbritannien aus der Europäischen Union ausgetreten sei.
    Die Labour-Abgeordnete unterstrich, das Verhältnis zwischen London und Washington sei historisch schon immer eng, aber auch auch kompliziert gewesen. "Man sagt sich manchmal auch unangenehme Sachen." So habe sich Premierministerin Theresa May während ihres Besuchs in den USA auch zur Folter geäußert.

    Das Interview in voller Länge:
    Und über dieses erste Treffen möchte ich jetzt sprechen mit Gisela Stuart, sie ist Abgeordnete der Labour-Partei im britischen Parlament und hat für den Brexit gekämpft. Guten Morgen, Frau Stuart!
    Gisela Stuart: Guten Morgen!
    Rohde: Großbritannien wollte ja unabhängiger werden durch den Brexit, wird jetzt abhängiger von den USA – bereuen Sie den Brexit inzwischen?
    Stuart: Ich finde das eine ganz komische oder … Diese Frage, die ich ganz oft von Europa höre, dass die britische Bevölkerung das jetzt bereuen würde, dass man neue Verhältnisse finden muss, das wussten wir doch, und das war doch auch ganz klar. Gegen was sich die britische Bevölkerung gewendet hat, waren bestimmte demokratische Strukturen oder die Abwesenheit von demokratischen Strukturen in der Europäischen Union. Dass man Handelsabkommen mit anderen Ländern schließt, das hat man vor der EU gemacht und wird man auch weiterhin machen.
    "In diesen neuen globalen Bedingungen hat sich die EU nicht bewiesen"
    Rohde: Sie haben ja immer argumentiert, also als Sie für den Brexit argumentiert haben, dass die EU nicht in der Lage sei, mit den globalen Herausforderungen umzugehen. Sind die USA mit Trump jetzt der bessere Partner, der mit solchen Herausforderungen umgehen kann?
    Stuart: Deshalb war es ja so wichtig, dass Theresa May in ihrem ersten Besuch auf die internationalen Verantwortungen und Verpflichtungen hingewiesen hat. Die hat weiterhin jedes Land, aber in diesen neuen globalen Bedingungen hat sich die EU als eine Organisation nicht bewiesen, dass sie anpassungsfähig wäre, diesen Herausforderungen entgegenzutreten. Ich fand es zum Beispiel erstaunlich, dass an dem Tag, als der amerikanische Präsident das Amt antrat, hatten wir auch den chinesischen Präsidenten in Davos, der sich für einen freien Welthandel aussprach. Die globalen Bedingungen ändern sich, und ich glaube, dass sowohl die Vereinigten Staaten als auch das Vereinigte Königreich anpassungsfähiger ist für diese Herausforderungen.
    Rohde: Anpassungsfähiger, heißt das auch, dass man in der unterlegenen Position ist und sich deshalb an Trump anpassen muss in einem Sinne, dass man nicht wirklich verhandeln kann?
    Stuart: Das Verhältnis zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten war historisch schon immer sowohl ein enges als auch manchmal ein sehr kompliziertes. Ich weiß zum Beispiel, Harold Wilson während des Vietnamkriegs weigerte sich, britische Truppen einzusetzen. Also es ist nicht ein Verhältnis, wo das Vereinigte Königreich ständig macht, was die Amerikaner von uns erwarten. Man sagt sich manchmal auch unangenehme Sachen wie Theresa May über die Folteräußerungen auf ihrem Besuch, aber es ist trotzdem ein enges und ein historisch tiefes.
    "Es ist der Anfang von diesen Verhandlungen"
    Rohde: Unangenehme Sachen sagen, ja, aber was hat Theresa May konkret in der Hand, um Donald Trump zu überzeugen von dieser Position?
    Stuart: Wir beginnen im Augenblick diese Verhandlungen. Der amerikanische Präsident hat im Augenblick weder einen eingeschworenen Außen- noch Finanzminister. Wir können bestimmte Verhandlungen erst beginnen, wenn man offiziell aus der Europäischen Union ausgetreten ist. Es ist der Anfang von diesen Verhandlungen.
    Rohde: May und Trump wollen ja ein britisch-amerikanisches Freihandelsabkommen dann nach dem Brexit unterschreiben. Was bleibt Großbritannien eigentlich anderes übrig, als sich an dem protektionistischen Diskurs von Donald Trump zu binden? Andere Partner gibt es dann ja nicht mehr wirtschaftlich.
    Stuart: Erklären Sie mir das noch mal genau, dass es für Großbritannien den Rest der Welt nicht gibt, dass es nur Amerika gibt? Ist es das, was Sie sagen?
    Rohde: Genau. Großbritannien ist abhängig …
    Stuart: Und China und Indien und Australien und Indonesien und die anderen Länder, die sind nicht wichtig?
    Rohde: Und damit will Großbritannien dann selber auch immer bilaterale Handelsabkommen schließen?
    Stuart: Ja, und Kanada und die Australier zum Beispiel sagen schon, dass man so früh wie möglich anfangen will. Die Europäische Union war unfähig, ein Handelsabkommen mit Amerika abzuschließen. Ist das nicht auch eine Realität, der man sich bewusst sein soll?
    "Wir sind und waren schon immer Teil Europas"
    Rohde: Und deshalb ist es jetzt der richtige Kurs, ein bilaterales Handelsabkommen zu machen, wo man sich in die Abhängigkeit von dem protektionistischen Donald Trump begibt?
    Stuart: Ich verstehe jetzt unser Gespräch in bestimmter Weise nicht, denn wir können entweder darüber reden, ob die britische Bevölkerung recht hatte, dass sie sich dafür entschlossen hat, die Europäische Union zu verlassen. Das ist im letzten Juni passiert. 72 Prozent der Bevölkerung gingen zur Abstimmung, eine Mehrheit entschied sich, das zu verlassen. Jetzt geht es darum, dass alle Politiker, ganz abgesehen davon, auf welcher Seite des Arguments sie waren, jetzt dafür eintreten, dass wir die besten Handelsbedingungen sowohl für das Vereinigte Königreich als auch für den Rest Europas schaffen. Ist das jetzt nicht das Wichtigste?
    Rohde: Und ist das ein guter Deal für Europa, wenn es ein bilaterales Handelsabkommen von Großbritannien und den USA gibt?
    Stuart: Das wissen wir ja jetzt noch nicht. Wir wissen ja nicht, was dieses Abkommen ist, aber ich glaube, man sollte sich über zwei Dinge ganz bewusst sein: Erstens die Rede, die Theresa May letzte Woche gab, dass sie sagte, wir sind sowohl für das Vereinigte Königreich verantwortlich als auch verantwortlich dafür, dass, was immer das Abkommen ist, das auch für den Rest der Europäischen Union das Richtige ist und das Beste ist. Wir haben uns gegen bestimmte demokratische Strukturen entschlossen. Wir haben nicht gesagt, dass wir nicht weiterhin nach außen hin treten, dass wir weiter handeln. Wir sind und waren schon immer Teil Europas. Es ist nur eine Frage, in welcher Hinsicht man ein Teil der europäischen politischen Strukturen ist.
    Rohde: Ein weiteres Vorhaben von May ist ja, den Steuersatz für Unternehmen auf 15 Prozent zu senken. Das hat Donald Trump auch schon in Aussicht gestellt. Die USA und Großbritannien könnten damit einen ruinösen Steuerwettbewerb ja auslösen gegen die EU. Wie passt das zusammen mit Mays Credo, die EU müsse weiterhin stark bleiben?
    Stuart: Trump hat im Augenblick weder einen Handels- noch einen Finanzminister. Wir wissen nicht, was das bestimmte Steuerregime ist. Ist es nicht erheblich wichtiger, dass wir im Augenblick darüber sprechen, dass sowohl Trump sich jetzt endlich – und meiner Meinung nach bin ich froh darüber – ausgesprochen hat, dass NATO weiterhin das wichtigste Verteidigungsbündnis ist, dass er sowohl für die russischen Sanktionen weiter eintritt. Wir müssen uns jetzt darauf einstellen, dass Tschechien weiterhin ein Mitglied der NATO ist. Sind das nicht die Unterhaltungen, die im Augenblick erheblich wichtiger sind?
    Rohde: Das sind alles die Punkte, die Theresa May gestern gesagt hat bei dieser Pressekonferenz. Donald Trump hat sich da auffällig zurückgehalten.
    Stuart: Nicht über NATO.
    Rohde: Ich würde gerne noch mal auf einen Punkt kurz schauen. Der britische Außenminister Boris Johnson, der hat ja in dieser Woche gesagt, er schließt eine politische Zukunft für Assad in Syrien nicht mehr aus. Ist Großbritannien da dann schon auf die russlandfreundliche Linie von Donald Trump eingeschwenkt vor diesem Besuch?
    Stuart: Nein, ich glaube, vor allem im britischen Unterhaus, uns wurde es klar, dass in letzter Zeit jeder am Anfang davon ausging, dass eine Lösung in Syrien, auch die Forderung, dass Assad gehen muss, ein Teil davon war. Diese politische Einstellung scheint jetzt aber nicht zu funktionieren. Wie kann man eine Lösung in Syrien finden, deshalb nimmt man in Erwägung, dass Assad vielleicht für eine Phase dableiben muss. Man ändert sich ganz einfach den Zuständen in der Region an. Ich glaube, so soll man diese Aussagen von Boris Johnson sehen.
    Rohde: Sagt Gisela Stuart, Abgeordnete der Labour-Partei im britischen Parlament. Danke für das Gespräch heute Morgen!
    Stuart: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.