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Labour-Parteitag
Klartext nur bei Fish and Chips

Mit seinem linken Kurs hat Labour-Chef Jeremy Corbyn bei den vorgezogenen Neuwahlen unerwartet gut abgeschnitten. Allerdings sind die britischen Sozialdemokraten beim Brexit nach wie vor uneinig. Auf ihrem Parteitag in Brighton wird das Thema weitgehend ausgeklammert. In den sogenannten Fringe-Events am Rande ist das ganz anders.

Von Friedbert Meurer |
    Der Vorsitzende der britischen Labour Party, Jeremy Corbyn, sitzt am 25.09.2017 in Brighton (Großbritannien) anlässlich des Labour-Parteitages vor einem Bildschirm mit der Aufschrift "For the many. Not the few". Vom 24.-27.09. kommen die Labour-Parteimitglieder zum Parteitag zusammen.
    Der Vorsitzende der britischen Labour Party, Jeremy Corbyn. (dpa / picture alliance / Joel Goodman)
    Keir Starmer betritt unter Applaus das Podium im voll besetzten Saal Balmoral im Hilton-Hotel, gleich neben dem Brighton Centre, wo der Parteitag von Labour stattfindet. Nicht alle haben einen Sitzplatz gefunden, zwei Dutzend hocken sich auf den Teppichboden. Sie wollen dem Mann zuhören, der – sollte Labour plötzlich an die Regierung kommen – die Brexit-Gespräche mit Brüssel führen würde.
    "Die Verhandlungen mit der EU sind die kompliziertesten, die wir seit dem Zweiten Weltkrieg zu führen haben. Sie werden uns potentiell selbst noch für kommende Generationen prägen."
    "Ich bin so aufgebracht über Labour", macht diese Labour-Anhängerin jetzt ihrem Ärger Luft. "Die Partei hat sich im Wahlkampf vor dem Referendum nicht genug für die EU stark gemacht."
    Labour hätte aktiver für den Verbleib eintreten müssen
    Eine andere Parteifreundin meint nun, in England seien beim Referendum die Ausländer als Sündenböcke missbraucht worden, so wie jetzt in Deutschland durch die AfD. Das findet auch Brigitte Anton, eine Deutsche von Labour in Belfast. Deswegen hätte von ihrer Partei mehr kommen müssen.
    "Viele von uns haben uns damals auch gewünscht, dass Labour aktiver für das Bleiben und die Kampagne besser war, gerade auch in Nordirland.Und das ist halt nicht passiert. Ich möchte gerne, dass es keinen Brexit gibt."
    Ein ebenfalls voll besetzter Saal in einem anderen Hotel, das auch direkt an der Seepromenade von Brighton liegt. Hier versammeln sich die Labour-Anhänger, die unbedingt einen Brexit wollen. "Labour Leave" heißt ihre Initiative. Sie haben eine ganz andere Meinung von der EU.
    "Die EU ist nicht Europa. Es ist eine politische Konstruktion, die man Europa übergestülpt hat durch Leute, die einen EU-Superstaat wollen. Lest doch, was Jean Monnet geschrieben hat. ‚Wir wollen einen Superstaat kreieren, aber macht es langsam und vorsichtig, damit die Menschen in Europa es nicht mitbekommen‘."
    Labour hat auch einen euroskeptischen Flügel
    Auch bei den Brexit-Leuten von Labour ist die Stimmung gedämpft. Die Gespräche mit der EU stocken, vielleicht droht der Abbruch. Dass Angela Merkel Theresa May jetzt nach der Wahl hilft, hofft nach ihrem Ergebnis der Bundestagswahl auch erst einmal keiner mehr.
    "Sie haben Michel Barnier zum Verhandlungsführer ernannt, einen schönen, eloquenten französischen Beamte. Er sagt uns ‚No‘ auf französisch und verdirbt damit alles."
    Beim euroskeptischen Flügel Labour wird die EU von links an den Pranger gestellt. Jemand von der Gewerkschaft bezeichnet sie als anti-sozialistische Institution. Der Stabilitätspakt mache ein Investitionsprogramm unmöglich – und die EU würde verhindern, dass Labour sein Wahlprogramm umsetzen und Post und Bahn wieder verstaatlichen oder Beihilfen für die Strahlindustrie in Wales zahlen kann. Exakt das hat Parteichef Jeremy Corbyn auch kurz vor dem Parteitag in einem Interview zu bedenken gegeben.
    "Seit Corbyn in der Labour-Party ist, hat er immer gegen alle EU-Verträge gestimmt, ob Nizza oder Lissabon", erinnert sich Graham Stringer, ein Unterhausabgeordneter und Brexit-Befürworter. "Ich habe keinen Grund anzunehmen, dass er mit 68 Jahren seine fundamentalen Ansichten in dieser Hinsicht geändert hat."
    An der Ufer-Promenade von Brighton sitze ich später mit einigen Think-Tank-Leuten aus London bei Fish und Chips zusammen. Die Sonne strahlt auf den Pier von Brighton, der vor uns liegt.
    Scheu vor der Entscheidung
    "Labour bleibt beim Brexit vage und mehrdeutig", analysiert John Springford. Er ist Direktor des Centre for European Reform. "Sie versuchen, zwei große Wählerblöcke zusammenzuhalten: die EU-Befürworter der Mittelschicht aus der Großstadt und die Brexit-Wähler in den Stammbezirken von Labour im Norden. Sie geben sich halt im Moment etwas mehr einen Pro-EU-Anstrich als die Konservativen."
    "Labour ist in mehr als zwei Lager beim Brexit gespalten und sie halten das hier beim Parteitag unter der Decke", meint Anand Menon, der eine Denkfabrik am King‘s College leitet. "Beide, Regierung und Labour, versuchen verzweifelt, den harten Entscheidungen auszuweichen. Aber ab einem bestimmten Punkt muss man sich halt entscheiden."
    Im Hintergrund klappern die Masten der Segeljachten im Wind. Trotz allem hat Labour bei der Unterhauswahl im Juni 40 Prozent der Stimmen geholt, doppelt so viele wie die SPD in Deutschland am Sonntag. Henning Meyer ist Sozialwissenschaftler unter anderem an der LSE, der London School of Economics. Corbyns Erfolg, so abschließend seine Sicht der Dinge, sei nicht auf Deutschland übertragbar.
    "In Großbritannien ist der Brexit das zentrale Problem. Labour kämpft hier gegen Sparpolitik, Studiengebühren und für mehr Sozialwohnungen. Nichts davon ist ein großes Streitthema in Deutschland. Man sollte sehr vorsichtig sein, Labour und SPD, die Politik Großbritanniens und Deutschlands sind nicht miteinander zu vergleichen."