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Labour-Spitze
Jeremy Corbyn laut Umfrage der Favorit

Die britische Labour-Partei ist noch immer von der verlorenen Wahl im Mai gezeichnet. Als die Konservativen die absolute Mehrheit erringen, nimmt Parteichef Ed Miliband seinen Hut. Nun ist die Partei auf Chefsuche. Laut einer aktuellen Umfrage überraschend sehr beliebt: der extrem linke Jeremy Corbyn.

Von Stephanie Pieper |
    Der Labour-Abgeordnete Jeremy Corbyn spricht zu seinen Anhängern während eines Protestmarsches gegen die britische Regierung in London.
    Der äußerst linke Politiker Jeremy Corbyn schneidet in Umfragen gut ab. (afp / Justin Tallis)
    In der Wahlnacht vom 7. auf den 8. Mai nimmt das Drama unweigerlich seinen Lauf: Die Konservativen von David Cameron erringen eine absolute Mehrheit. Labour verliert reichlich Stimmen und Sitze. Und Ed Miliband tritt die Flucht an. Ein anderer soll es nun richten. Aber wer? Die Bewerber um den Labour-Spitzenposten reißen kaum jemanden vom Hocker: Andy Burnham und Yvette Cooper besetzen die Mitte, während sich Liz Kendall dem rechten Flügel zuordnet. Doch dann ist da noch "underdog" Jeremy Corbyn: 66 Jahre, ein bärtiger Londoner Linker - und plötzlich laut einer Umfrage der Favorit. Der in seiner Kampagne vor allem auf junge Unterstützer setzt. Corbyn steht deutlich links von Ed Miliband, der seinerseits Labour schon nach links gerückt hatte.
    "Daily Telegraph" will Corbyn als nächsten Labour-Chef
    Bei der Wahl der neuen Parteispitze können nicht nur die Labour-Mitglieder mitmischen, sondern alle, die sich dafür registrieren - und drei Pfund zahlen. Auch dieser junge Labour-Anhänger wird Corbyn wählen: "Wenn Labour nur Sparpolitik light anbietet; wenn wir nur sagen, wir sind wie die Tories, aber etwas netter, dann müssen wir uns nicht wundern, dass uns keiner wählt", sagt er. Sogar der extrem konservative "Daily Telegraph" ruft seine Leser dazu auf mitzumachen - und für Corbyn als nächsten Labour-Chef zu stimmen. Das sei die Garantie für den konservativen Machterhalt, frohlockt das Blatt.
    Über seine eigene Partei schüttelt Ex-Premier Tony Blair derzeit nur den Kopf: "Aus meiner Sicht haben wir 2010 verloren, weil wir uns vom Kurs der Modernisierung entfernt haben. 2015 haben wir wieder verloren und zwar noch deutlicher, weil wir uns noch weiter davon entfernt haben. Mir erscheint es unlogisch, jetzt weiter in diese Richtung zu marschieren." Seine Mahnung, Wahlen würden in der Mitte gewonnen, könnte sich indes als kontraproduktiv erweisen: Zwar hat Blair seine Partei drei Mal hintereinander zum Wahlsieg geführt, aber viele stören sich bis heute insbesondere an seiner wirtschaftsliberalen Haltung.
    Sieger wird am 12. September verkündet
    Noch dazu sind gerade die frisch gewählten Labour-Abgeordneten nicht allzu begeistert über die Kurs-Korrektur von Harriet Harman, der Interimsvorsitzenden - etwa beim Referendum über die britische EU-Mitgliedschaft: Sie plädiert für das Referendum. Harman kommt den regierenden Konservativen an vielen Punkten entgegen, und das sorgt innerparteilich für Unmut. Wer sich an der Wahl für den Parteivorsitz beteiligt, platziert die Kandidaten auf Rang 1 bis 3. Den Sieger wird Labour am 12. September verkünden. David Miliband - Bruder von Ed und 2010 im Rennen um den Parteivorsitz unterlegen - ist aber zuversichtlich, dass sich bis dahin noch die neuen Ideen gegen die alten durchsetzen werden.
    Sollte der Linke Jeremy Corbyn tatsächlich gewinnen, dann fürchten nicht wenige die Spaltung der Labour Party. Wie schwierig in diesem Fall deren Rückkehr an die Macht werden dürfte, davon können deutsche Sozialdemokraten ein Lied singen.