Archiv

Kommentar: Parteitage in Großbritannien
Bei Labour ist das Land in besseren Händen

Die Tories haben Großbritannien in den vergangenen 13 Jahren ins Unerträgliche regiert, meint Christine Heuer. Dass Labour 2024 wohl die Regierung übernehme, sei für das Land die beste Nachricht seit Langem. Doch leicht werde es für die Partei nicht.

Ein Kommentar von Christine Heuer |
Ein Mann steht im weißen Hemd an einem Rednerpult und spricht.
Wurde auf dem Labour-Parteitag von einem Demonstranten mit Glitzer beworfen: Keir Starmer. (picture alliance / empics / Stefan Rousseau)
Die Tories haben fertig. Nächstes Jahr übernimmt in London Labour die Regierung. Die Frage ist nur, ob die Sozialdemokraten alleine regieren können oder ob sie eine kleinere Partei wie die Liberaldemokraten als Koalitionspartner brauchen. Für Großbritannien ist das die beste Nachricht seit langem.
In den vergangenen 13 Jahren haben die Konservativen das Land ins Unerträgliche regiert. Eine stabile Mehrheit der Briten hält den Brexit mittlerweile für einen Fehler, Ex-Premier Boris Johnson für einen verantwortungslosen Lügner und seine Nachfolgerin Liz Truss schlicht für verrückt. Alles mit guten Gründen.

Es geht um viel bei nächsten Wahl

Es wird höchste Zeit, dass wieder eine seriöse demokratische Kraft die Geschicke des Königreichs lenkt. Und das kann in Großbritannien nur die andere große Partei sein: Labour.
Die Parteitage von Konservativen und Sozialdemokraten haben noch einmal eindrücklich vor Augen geführt, um wie viel es geht, wenn die Briten nächstes Jahr ein neues Parlament wählen. In Manchester verkaufte sich der amtierende Premierminister als Kandidat des Wandels. Seine Vorgänger der letzten 30 Jahre, erklärte Rishi Sunak, hätten es vorgezogen, einfache, statt der richtigen Entscheidungen zu treffen. Er dagegen garantiere langfristige Entscheidungen für eine bessere Zukunft.

Verzweifelten Hoffnung auf ein besseres Wahlergebnis

Im gleichen Atemzug kassierte der Mann aus Downing Street wichtige Klimaschutzziele und eine Hochgeschwindigkeitstrasse, die seit Jahren in Arbeit ist – kurzfristige Entscheidungen in der verzweifelten Hoffnung auf ein besseres Wahlergebnis.
Ganz anders der Labour-Parteitag in Liverpool. Dort präsentierte sich der Vorsitzende Keir Starmer als Kandidat des Wandels, im Gegensatz zu Sunak jedoch mit einiger Glaubwürdigkeit.

Das Land braucht einen Wiederaufbau

Nach den sozialistischen Verirrungen unter Jeremy Corbyn hat Starmer seine Partei wieder in die Mitte geführt und für moderate Britinnen und Briten erneut wählbar gemacht. Jetzt tritt er an, um das Land zu einen und wiederaufzubauen. Nach den spalterischen Parolen und dem wirtschaftlichen Niedergang Großbritanniens in den letzten Jahren ist beides bitter nötig.
Labour verspricht solide Finanzen, Kooperation mit privaten Unternehmen und eine grundlegende Reform des staatlichen Gesundheitssystems. Leicht wird es nicht, angesichts leerer Kassen. Enttäuschungen sind vorprogrammiert. Auch die alten Flügelkämpfe in der Partei werden nicht für immer ruhen.

Bei Labour ist das Land in besseren Händen

Aber immerhin haben die Sozialdemokraten in der Opposition im Gegensatz zu den Konservativen in der Regierung tatsächlich einen Plan für Großbritannien entwickelt. Langfristige Ideen eben, für eine bessere Zukunft.
Der bevorstehende Regierungswechsel ist gut. Das Königreich ist bei den Sozialdemokraten derzeit in weit besseren Händen als bei den Konservativen. Aber die britische Demokratie braucht außer einer frischen Regierung auch eine tüchtige Opposition. Und danach sieht es bei den Tories gerade leider auch nicht aus.

Den Konservativen droht ein weiterer Rechtsruck

Die Partei von Winston Churchill hat sich die Rechtsaußenpartei UKIP einverleibt, statt sie zu bekämpfen. Die meisten ihrer Wortführer sind jetzt selbst Rechtspopulisten. Wenn sie die Wahlen verlieren, droht den Konservativen ein weiterer Rechtsruck.
Sie könnten einen ähnlichen Weg nehmen wie die Republikaner in den USA. In einem De-facto-Zweiparteiensystem wie dem britischen kann das großen Schaden anrichten. Es ist zu wünschen, dass Großbritannien so etwas erspart bleibt.

Eine Machtmaschine, die ihre Mitte verloren hat

Übrigens wurden beim Tory-Parteitag auch Emissäre von CDU und CSU aus Deutschland gesichtet. Hoffentlich nehmen sie sich kein Beispiel an dem, was in den letzten Jahren aus ihrer britischen Schwesterpartei geworden ist: eine Machtmaschine, die ihre Mitte verloren hat, nicht vor Verschwörungstheorien zurückschreckt, offen lügt und immer hemmungsloser gegen Schwächere und alle hetzt, die links von ihr stehen – viele davon im Zentrum des politischen Spektrums, aus dem die Tories sich mehr und mehr zurückziehen.
Es liegt kein Segen auf diesem Weg, weder für die Partei noch für das Land.