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Lachnummer John Prescott

Großbritanniens stellvertretender Regierungschef John Prescott ist nach einem Sexskandal schwer angeschlagen. Seine Weigerung zum Rücktritt wiederum bringt seinen Chef Tony Blair in arge Bedrängnis. Um selbst durchzugreifen, fehlt im in der eigenen Partei der Rückhalt. Martin Zagatta berichtet.

02.06.2006
    Schenkelklopfendes Gelächter im Unterhaus. Die Abgeordneten, auch Parteifreunde amüsieren sich auf Kosten von John Prescott. Prusten, beleidigende Zwischenrufe, der stellvertretende Regierungschef dringt kaum noch durch, als er versucht, Fragen nach seiner Entmachtung zu beantworten.

    Der Premierminister habe ihm eine wichtige, mehr zentrale Aufgabe zugewiesen, so versucht Prescott zu erklären, dass er zwar im Kabinett bleibt, dass ihm Tony Blair aber die Verantwortung für sein Ministerium entzogen hat auf Grund des Sexskandals, den sich sein Stellvertreter geleistet hat. Wann immer er jetzt das Wort ergreift, werden Anspielungen auf die Fotos gemacht, die alle aus den Zeitungen kennen, Prescott werde einfach nicht mehr ernst genommen, so legt selbst Baroness Helena Kennedy ihrem Parteifreund den Rücktritt nahe.

    Gemeint sind Bilder, die den schwergewichtigen Mann beim Krocketspielen zeigen, zu einer Zeit als er eigentlich den Regierungschef vertreten sollte, aber vor allem die Fotos, die Prescott seit Wochen schon zum Gespött machen. Schwer angetrunken, mit bis zum Bauchnabel aufgeknöpftem Hemd, war der 68-Jährige da in Boulevardblättern zu sehen, umschlungen mit seiner Geliebten, seiner 25 Jahre jüngeren Sekretärin. Seit die Dame, um der Wahrheit willen, aber auch für angeblich mehr als 350.000 Euro einer Zeitung ausführlich geschildert hat, wie nah sie Little John gekommen ist, in Hotels, aber auch in seinem Büro, unter dem Schreibtisch, sind Fragestunden mit Prescott komischer als jede Komödie, meint die !Daily Mail!, etwa wenn der Oppositionsabgeordnete Rob Wilson den stellvertretenden Premierminister nach Bediensteten fragt, die "unter ihm" arbeiten müssen.

    Spott erzeugt auch, dass John Prescott für Verkehr zuständig war in dem Ministerium, das Tony Blair ihm jetzt weggenommen hat. Der Spaß hört für die Opposition allerdings damit auf, dass der entmachtete Politiker bisher nur auf die Nutzung seines Landsitzes verzichtet, ansonsten aber auch ohne richtigen Job sein Gehalt weiter bezieht, knapp 200.000 Euro im Jahr. Hinzu kommen eine luxuriöse Dienstwohnung plus Dienstwagen, eine von zwei Jaguar-Limousinen, die ihm schon vor langem den Spitznamen "Two Jags" eingebracht haben.

    Er habe nur ein Haus und ein Auto, zehn Jahre alt, so versucht Prescott sich jetzt zu verteidigen. Seine Ehefrau habe ihm verziehen und stehe zu ihm. Der Premierminister auch, sagt er. Diese Treue, die von Tony Blair, erklärt sich damit, dass dem Regierungschef auch kaum eine andere Wahl bleibt. Prescott, ein eingefleischter Gewerkschafter, der bisher als Sprachrohr der kleinen Leute in der Regierung galt, weigert sich zurückzutreten. Weil er auch stellvertretender Labour-Chef ist, würde sein Rauswurf Neuwahlen erfordern beim nächsten Parteitag. Und dazu, so heißt es, will es Blair auf keinen Fall kommen lassen, um nicht selbst zum vorzeitigen Abgang aufgefordert zu werden. Prescott aber weiter im Amt, ohne richtige Aufgabe, ist eine Belastung für die ohnehin angeschlagene Labour-Partei.

    Eine Lachnummer wolle er ihn nicht unbedingt nennen, aber die Leute machten Witze über Prescott - und der solle im Interesse der Partei seinen Hut nehmen, fordern Labour-Abgeordnete wie Ian Gibson mittlerweile ganz öffentlich. Die "Daily Mail" dagegen freut sich schon auf die nächsten Fragestunden. Diese Komödie, diese Show werde weitergehen, so lange, so schreibt das Blatt, "so lange bis der alte Trottel zurücktritt".