Kalt und klar sind die Fjorde und Meeresarme im Süden von Chile. So wie eine Fischart es mag, die hier auf der Südhalbkugel eigentlich gar nicht hingehört: Der Lachs.
Chile ist inzwischen der zweitgrößte Produzent von Zuchtlachs auf der Welt, gleich nach Norwegen. Die Lachse werden in Käfigen gehalten, die in den Fjorden schwimmen. Und diese Lachsfarmen sorgen dafür, dass das Wasser nicht mehr überall so klar ist wie früher.
"Das Problem ist, dass viel von dem Futter der Lachse einfach auf den Meeresboden sinkt. Genauso die Fäkalien der Fische. Deshalb liegt da unten eine Masse an Fäulnis – mehr als einen Meter hoch", sagt der Fischer Luis Muñoz.
Dazu kommen die toten Fische. Chiles Lachszüchter werten es als großen Erfolg, dass "nur" jeder achte Lachs im Rahmen der Zucht verendet. Auch die Kadaver landen meist einfach im Meer.
Nur Antibiotika ermöglicht die Massenzucht
All diese Biomasse führt zu Algenblüten, die dramatische Ausmaße annehmen können. Wie 2016, als eine "rote Flut" die Küsten um die Insel Chiloé heimsuchte. Und die Existenz der einheimischen Fischer und Muscheltaucher gefährdete.
"Mit der Zeit und durch die Strömung treibt der verfaulte Dreck der Lachse überall hin. Manchmal haben wir Algen-Plagen wie zuletzt 2016", sagt Richar Ojeda von der Organisation "Mar de todos".
Die Zucht von tausenden Lachsen in engen Käfigen ist nur möglich, weil massenhaft Antibiotika verabreicht werden. In Chile weitgehend unkontrolliert: Laut Greenpeace werden Lachse hier mit der 700-fachen Antibiotika-Menge behandelt, wie ihre Artgenossen in Norwegen.
Aber trotz solcher Auswüchse boomt das Geschäft. Mehr als tausend Lachsfarmen gibt es in Chile. Im vergangenen Jahr wurden in Chile 829.000 Tonnen Lachs gezüchtet. Das heißt, die Masse der Lachse in Chiles Fjorden ist doppelt so groß wie die Masse aller Heringe in der gesamten Ostsee. Oder ein anderer Vergleich: Die gesamte deutsche Fischereiflotte fängt pro Jahr nur ein Viertel dieser Menge an Fisch.
Lachs ist das zweitwichtigste Exportgut Chiles
Fünf Milliarden Dollar nahmen die Lachsfarmen im vergangenen Jahr ein. Lachs ist inzwischen das zweitwichtigste Exportgut Chiles, gleich nach Kupfer. Trotz dieser goldenen Zeiten haben die Lachsproduzenten den Ruf, rücksichtslose, harte, schlechte Arbeitgeber zu sein. Gustavo Cortés von der Gewerkschaft der Lachs-Arbeiter sagt:
"Da herrscht ein Klima der Angst. Wir arbeiten dort unter der ständigen Bedrohung, dass man rausfliegt, wenn man nicht die Norm erfüllt oder nicht freiwillig Überstunden macht."
Eine Folge der harten Arbeitsbedingungen: Arbeitsunfälle. Sowohl in den Fabriken an Land als auch draußen auf dem Meer, direkt an den Lachskäfigen. Taucher müssen die Anlagen in Stand halten - und immer wieder kommt es dabei zu Tauchunfällen, die mitunter tödlich enden.
2018 entkamen 700.000 Lachse aus einer Farm
Juan Carlos Cardenas von der Organisation "Ecooceanos" sagt: "In Norwegen passieren seit Jahren keine tödlichen Unfälle mehr wie hier. Wir erleben eine Situation wie in der Dritten Welt, obwohl Chile der zweitgrößte Lachs-Exporteur der Welt ist. Die Konsumenten in Europa müssen wissen, dass an dem Lachs aus Chile das Blut dieser Arbeiter klebt."
Und das sind nicht die einzigen Schattenseiten des Zuchtlachs-Booms. Im vergangenen Jahr entkamen 700.000 Lachse aus einer Farm. 700.000 Raubfische, die hier nicht hingehören. Noch ist völlig unklar, was das Eindringen der Lachse für das natürliche Ökosystem an Chiles Küsten bedeutet.
Über die Folgen des Lachs-Booms in Chile berichtet auch die Weltspiegel Reportage "Lachs und Avocado für Europa - Die dunkle Seite von Superfood" am Sonntagabend im Ersten.