Seit dem Ende der Corona-Pandemie steigen die Ladendiebstahlszahlen rasant. Im Jahr 2023 gab es rund 426.000 Anzeigen – so viele wie seit 2006 nicht mehr. Dahinter stecken die Inflation und sinkende Kaufkraft, doch besonders alarmierend ist der Anstieg professioneller Diebesbanden, die pro Tat immense Schäden verursachen.
Insgesamt entstehen Verluste in Milliardenhöhe, die nicht nur die Einzelhändler, sondern schlussendlich auch den Fiskus und die Kunden belasten.
Wie haben sich die Zahlen bei Ladendiebstahl entwickelt?
Bei Ladendiebstahl verzeichnete die polizeiliche Kriminalstatistik 2023 zwar keinen neuen Höhepunkt. 1997 waren es mit rund 700.000 angezeigten Ladendiebstählen fast 40 Prozent mehr. Seitdem sind die Zahlen kontinuierlich gesunken, auch in der Finanzkrise ab 2007 und mit den gesteigerten Flüchtlingszahlen ab 2015. Einen Tiefstand gab es in der Corona-Pandemie. Seitdem steigen die Zahlen aber wieder rasant und sind jetzt wieder so hoch wie seit fast 2006 nicht mehr.
Die Forschenden des EHI Retail Institute gehen davon aus, dass nur etwa 0,5 Prozent der Diebstähle angezeigt werden. Das heißt: An jedem Verkaufstag bleiben 100.000 Ladendiebstähle mit einem gestohlenen Warenwert von durchschnittlich 117 Euro unentdeckt. Das EHI forscht regelmäßig zu Ladendiebstahl und Gegenmaßnahmen. Während sich die polizeiliche Kriminalstatistik nur auf angezeigte Diebstähle bezieht, befragt das Kölner Institut die großen Handelsunternehmen nach ihren Inventurdifferenzen, zum Beispiel ob in den Supermarktregalen mehr Produkte fehlen, als in der Buchhaltung vermerkt sind. Die Infos kommen aus 80 Zentralen mit etwa 17.000 Betrieben. Demnach betrug der Inventurverlust im Einzelhandel im letzten Jahr 4,8 Milliarden Euro, 2022 waren es noch 4,6 Milliarden.
Pro Tag werden Waren im Wert von 13 Mio. Euro gestohlen
Inventurverlust bedeutet nicht immer Diebstahl. Laut EHI entfallen jährlich etwa 15 Prozent auf organisatorische Fehler, wenn etwa verdorbene Ware nicht korrekt verbucht oder Preise falsch im Kassensystem vermerkt wurden. Übrig bleiben geschätzte Verluste von 4,1 Milliarden Euro. Pro Tag werden dieser Rechnung zufolge Waren im Wert von 13 Millionen Euro gestohlen, und zwar neben Kunden auch durch Personal und Lieferanten.
Die Schäden treffen uns alle. Hochgerechnet sind dem Fiskus allein im vergangenen Jahr mehr als 500 Millionen Euro Mehrwertsteuer entgangen. Der erwartete Diebstahlverlust und die Präventionskosten, etwa für neue Kamerasysteme, fließen im Einzelhandel in die Preisgestaltung ein. So werden die Kosten an die rechtschaffenen Kunden weitergegeben.
Wo und was wird besonders viel gestohlen?
Was sich gut verkauft wird auch gerne geklaut, vor allem teure Ware, die sich leicht entwenden lässt. Geklaut wird in allen Geschäften, vom Einzelhandel bis zum Baumarkt. Die beliebtesten Waren sind laut EHI-Studie alkoholische Getränke (Spirituosen, Wein, Sekt), hochwertige Markenbekleidung und Sportschuhe, Elektrogeräte und -zubehör sowie Tabakwaren und Kosmetika.
Auffällig ist, dass in den letzten Jahren neue Warengruppen wie Fleisch und Molkereiprodukte hinzugekommen sind. Das könnte ein Hinweis sein, dass auch gestiegene Preise dahinterstecken.
Warum nimmt Ladendiebstahl seit einigen Jahren zu?
So viel vorab: Es liegt nicht maßgeblich an den Selbstbedienungskassen, auch wenn diese das Betrügen einfacher machen. Das EHI geht davon aus, dass der Diebstahl an Selbstbedienungskassen 20 bis 30 Prozent höher ausfällt als an normalen Kassen. Deutschlandweit gibt es aber bei knapp einer Million Kassen im Einzelhandel bisher nur 20.000 SB-Kassen. Eine große Rolle spielen sie also noch nicht.
Vielmehr gibt es einen Post-Corona-Effekt. Denn vor dem hohen Anstieg der Zahlen lagen sie in der Pandemie wegen der kürzeren Öffnungszeiten, weniger Kunden in den Geschäften und geringerer Mobilität auf einem Tiefstand. Nachdem diese Maßnahmen wieder aufgehoben worden waren, wurde wieder mehr geklaut. Ein Grund: Viele Geschäfte haben weniger Personal, das die Verkaufsflächen überwachen und Diebe stoppen könnte.
Zeitgleich zum Ende der Pandemie hat der russische Angriffskrieg auf die Ukraine die Preise massiv in die Höhe getrieben. Da Einkommen nicht im gleichen Maße gestiegen sind, stehen viele Menschen zunehmend unter finanziellem Druck. Unter den Dieben befinden sich vermehrt neue Tätergruppen wie Rentner oder junge Familien.
Am meisten Anlass zur Sorge gibt die Zunahme professioneller Diebesbanden. Die Schäden durch diese Gruppen übersteigen die Verluste durch Gelegenheitsdiebe oft um ein Vielfaches. So machen professionelle Banden laut EHI zwar nur sechs Prozent der Diebstähle aus, sind aber für 30 Prozent des Gesamtschadens verantwortlich.
Welche Motive haben Ladendiebe?
Von der Mutprobe hat jeder schon mal gehört: Jugendliche wollen ihre Grenzen austesten oder sich anderen gegenüber beweisen. Für die Einzelhändler stellen sie allerdings kein großes Problem dar, weil sie oft nur vergleichbar günstige Waren klauen.
Weitere Motive sind die Beschaffungskriminalität – also Drogensüchtige, die Waren schnell zu Geld machen wollen, um ihre Sucht zu finanzieren, sowie Kleptomanie, eine psychische Erkrankung, bei der zwanghaft geklaut wird. Beides sind Randerscheinungen. Die meisten Anzeigen gehen an sogenannte Gelegenheitsdiebe, die ihren Diebstahl nicht geplant haben. Manchmal stehlen sie aus finanziellen Nöten, manchmal aus Langeweile.
Wirklich Sorgen bereiten nur die Profis. Zu ihnen gehören Auftragsdiebe, die ihr Diebesgut sofort an einen Auftraggeber verkaufen sowie professionelle, oft international organisierte Diebesbanden. Sie klauen im großen Stil, um die Diebesgüter auf dem Zweitmarkt weiterzuverkaufen und haben ausgeklügelte Methoden entwickelt, um die Waren aus den Geschäften zu entwenden.
Wie schützen sich Unternehmen vor Ladendiebstahl?
1,55 Milliarden Euro hat der Einzelhandel im Jahr 2023 zur Diebstahlprävention ausgegeben. Wichtig ist vor allem eine übersichtliche Verkaufsfläche. In Drogerie- und Supermärkten ist das oft nicht gegeben, weshalb kleine und teure Waren, wie Rasierklingen, Parfüm oder Alkohol, manchmal hinter Glas gesichert sind.
Im Textil- und Elektronikeinzelhandel gibt es Sicherheitsetiketten, die an der Kasse entwertet werden müssen. Sonst entsteht beim Herausgehen ein lauter Piepton. Außerdem gibt es fast überall Überwachungskameras. Die haben natürlich immer einen abschreckenden Effekt, helfen aber nur, wenn die Bildschirme tatsächlich überwacht werden. Meistens machen das Ladendetektive. Im Idealfall arbeiten sie pro Schicht zu zweit, sodass ein Detektiv auf der Fläche unterwegs ist. Auch ein Doorman kann helfen, also eine Person am Eingang, der Menschen begrüßt und auch auf Pieptöne reagieren kann.
Strafmaß für Ladendiebstahl in Deutschland
1. Einfacher Ladendiebstahl: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre
Geldstrafen werden oft in Tagessätzen berechnet (meist zehn bis 30 Tagessätze), wobei ein Tagessatz einem Dreißigstel des Nettomonatslohns des Täters entspricht. Bei Wiederholungstätern oder besonders hohen Diebstahlsschäden wird Anklage erhoben, und die Strafen fallen entsprechend härter aus.
2. Schwerer Diebstahl: Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zehn Jahren
3. Jugendliche Täter: Jugendstrafrecht (oft Strafen wie Sozialstunden oder Erziehungsmaßnahmen)
1. Einfacher Ladendiebstahl: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre
Geldstrafen werden oft in Tagessätzen berechnet (meist zehn bis 30 Tagessätze), wobei ein Tagessatz einem Dreißigstel des Nettomonatslohns des Täters entspricht. Bei Wiederholungstätern oder besonders hohen Diebstahlsschäden wird Anklage erhoben, und die Strafen fallen entsprechend härter aus.
2. Schwerer Diebstahl: Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zehn Jahren
3. Jugendliche Täter: Jugendstrafrecht (oft Strafen wie Sozialstunden oder Erziehungsmaßnahmen)
Was unternimmt die Justiz gegen Ladendiebstahl?
Ob die Zahl der erfassten Ladendiebstähle noch weiter steigen wird, lässt sich schwer voraussagen. Die Einzelhändler hoffen auf schnellere, und konsequentere Bestrafung der entdeckten Fälle, denn wegen personeller Engpässe in der Justiz dauern Strafverfahren teilweise sehr lange.
In einigen Bundesländern werden inzwischen mehr Stellen in der Justiz geschaffen. Besserer Schutz vor Ladendiebstahl soll aber vermehrt auch durch künstliche Intelligenz kommen, zum Beispiel durch intelligente Kamerasysteme und Selbstbedienungskassen, die verdächtige Bewegungen erkennen können. Diese Möglichkeiten gibt es bereits, sie sind bisher aber nur testweise im Einsatz. Vorerst muss sich der Handel wohl weiterhin anpassen, um Diebstahl effektiv einzudämmen.