Seit Samstag müssen sich alle Menschen auf das SARS-CoV-2-Virus testen lassen, wenn sie aus einem Gebiet in die Bundesrepublik einreisen, das das Robert-Koch-Institut als Risikogebiet einstuft. Faktisch heißt das, dies betrifft Rückkehrende aus fast allen Ländern außer der EU, aber auch aus Luxemburg, Teilen Belgiens und Spaniens.
Aber manchen reicht das nicht: Wolfgang Steiger ist der Generalsekretär des Wirtschaftsrats der CDU, und er hat gefordert, Reisen in Risikogebiete müssten verboten werden. Das sei unpraktikabel, findet sein Parteikollege Andreas Lämmel, Obmann der Unionsfraktion im Wirtschaftsausschuss des Bundestages.
Rainer Brandes: Müssen wir Reisen nach Luxemburg verbieten?
Andreas Lämmel: Das ist scheinbar im Moment so die Zeit der großen Verbote. Der eine will das Reisen verbieten, der andere will Demonstrationen verbieten, ich glaube, ich halte von beiden Sachen überhaupt gar nichts, denn Verbote … Man muss sich überlegen, wenn jedes Land jetzt Reiseverbote für andere Länder erlässt, wo wir da hinkommen in der Welt. Insofern halte ich diesen Vorschlag für unpraktikabel, auch wenn ich natürlich den Hintergrund, also die Angst vor einem neuen Lockdown schon verstehen kann.
"Ich sehe nicht, warum wir einen neuen Shutdown brauchen"
Brandes: Und genau da sagt ja der Wirtschaftsrat der CDU, dass so ein Verbot eben notwendig sei, weil ein neuer Shutdown wirtschaftlich gar nicht verkraftbar wäre. Hat er da nicht recht?
Lämmel: Das ist schon ganz grundsätzlich so, nur sehe ich auch nicht, warum wir einen neuen Shutdown brauchen. Ich glaube, die Historie des ersten Shutdowns, den wir ja erlebt haben, ist ja noch gar nicht aufgearbeitet. Insofern, immer schon wieder das Schreckgespenst eines Shutdowns an die Wand zu malen, ich glaube, das hilft niemandem weiter, denn noch mal: Wenn das jedes Land für sich macht, werden auch bei uns in Deutschland wesentliche Branchen keine Geschäfte mehr tun können.
Brandes: Das stimmt, mag schon sein, dass es so einen flächendeckenden Shutdown nicht mehr geben würde, aber zumindest regional kann das ja vorkommen. Wir erleben ja auch gerade jetzt zum Beispiel, in Mecklenburg-Vorpommern sind jetzt wieder zwei Schulen geschlossen worden, genauso wäre es möglich, dass Geschäfte wieder in einzelnen Regionen geschlossen werden müssten, wenn dort die Zahlen ansteigen. Das würde ja dann heißen, dort bezahlt dann die Allgemeinheit die Reiselust von Einzelnen. Ist das gerecht?
Lämmel: Na gut, das ist sowieso eine ganz grundsätzliche Frage, und hier kann ich auch der Linie des Gesundheitsministers nicht folgen, denn ich denke, wer in dieser Zeit sehr bewusst in diese Länder reist, in denen das Risiko hoch ist … Ich glaube, es ist nicht die Aufgabe der Allgemeinheit, bei Rückkehr den Test mitzubezahlen. Ich denke, es müsste verpflichtend sein, so ein Test. Wer in die Länder reist …
Brandes: Das ist er ja jetzt auch.
Lämmel: Ja gut, aber er kann nicht bezahlt werden von der Allgemeinheit. Jeder, der da hin fährt, muss sich auch klar sein, dass er dann die 70, 80 oder 90 Euro noch berappen muss, um bei Rückkehr festzustellen, ob er eine Infektion mitbringt oder nicht.
"Man kann nicht jegliches Risiko ausschließen"
Brandes: Aber da sagt jetzt der Bundesgesundheitsminister, dass am Ende das dazu führen würde, dass manche Leute eben diese Testpflicht umgehen würden, um die Kosten zu sparen.
Lämmel: Ja gut, wenn er jetzt verpflichtend ist, hat man ja offensichtlich ein System entwickelt, dass man diese Verpflichtung auch entsprechend einlösen kann, und genauso, denke ich, wäre das auch in dem anderen Fall möglich. Den Unterschied kann ich jetzt nicht feststellen.
Brandes: Da haben wir jetzt über die Tests gesprochen, aber genauso kann man das ja auch überhaupt für die Reisen argumentieren. Wenn jetzt Geschäfte schließen müssen, weil jemand zurückkommt aus einem Risikogebiet, sich vielleicht sogar hat testen lassen, aber der Test sozusagen zum falschen Zeitpunkt gekommen ist, sodass er noch nicht festgestellt werden konnte, ja, dann bringt er dieses Virus mit, eine Region geht in den Shutdown, und es kostet dort alle Geschäftsleute dann ja auch etwas.
Lämmel: Ja, das ist richtig, aber das ganze Leben ist natürlich nicht ohne Risiko. Ich glaube, es ist überhaupt nicht möglich, wirklich jedes Risiko ausschließen zu können. Deswegen denke ich schon, dass die ergriffenen Maßnahmen, die im Moment in Kraft sind, dass die sinnvoll sind, dass der Appell an die Menschen ergehen muss, sich vorsichtig zu verhalten, aber man kann nicht jegliches Risiko ausschließen.
"Wir sind dabei, die persönlichen Freiheiten weiter einzuengen"
Brandes: Aber man kann natürlich versuchen, das Risiko so gut wie möglich zu minimieren. Was würde denn eigentlich dagegensprechen, zu sagen, wir verbieten jetzt Reisen einfach in Risikogebiete. Da kann man ja fragen, ist es denn wirklich so ein großer Einschnitt in die Freiheit, wenn ich jetzt eben mal nicht in die Ferne reisen kann.
Lämmel: Na ja, gut, dieser Einschnitt, die Frage stellt sich natürlich immer, und man kann die immer damit beantworten, na ja, es ist ja nur ein kleiner Teil der persönlichen Freiheit. Aber ich hab so den Eindruck im Moment, dass wir auf dem besten Wege sind, aufgrund dieser immer wieder beiden genannten Eingriffe die persönlichen Freiheiten weiter einzuengen. Wenn man dort erst mal auf der schiefen Ebene ist, dann weiß ich nicht, wo das aufhören soll. Ich bin da sehr vorsichtig und ich hab solche Dinge auch alle schon erlebt, deswegen kann ich nur davor warnen, mit so einem System zu beginnen.
Brandes: Sehen Sie eigentlich auch die Gefahr, dass jetzt in der öffentlichen Diskussion Menschen immer so schlecht gemacht werden, wenn sie in ein Risikogebiet reisen und das vielleicht gar nicht berücksichtigt wird, dass es ja gute Gründe geben kann, in ein fernes Land zu reisen. Sagen wir mal, ich hab vielleicht Familie in Brasilien und da liegt ein enger Angehöriger im Sterben, dann hab ich ja einen guten Grund, da hinzureisen.
Lämmel: Ja, klar, das kann man auch nicht ausschließen, das muss man auch klar sagen. Das ist ja immer das Problem: Wenn man eine Gruppe von Menschen, also zum Beispiel jetzt die Reisenden in Risikoländer, pauschal verurteilt, ist natürlich immer das Einfachste. Aber so einfach ist eben die Welt nicht, man muss an jeden appellieren, sich zu überlegen, ob so eine Reise notwendig ist, und wenn man die Reise machen muss, dann ist die Frage, wie er sich selbst in diesem Land auch schützen kann. Aber ich glaube, man kann hier nicht generell Menschen davon abbringen, sich auf Reisen zu begeben. Ich meine, dann brauchen wir auch die Lufthansa nicht mehr.
"Dieser Vorschlag ist nicht durchdacht"
Brandes: Das stimmt, man könnte ja auch argumentieren, wenn so ein Reiseverbot käme, was der CDU-Wirtschaftsrat ja fordert aus wirtschaftlichen Gründen, da könnte man auch dagegenhalten, die Reisebranche würde so ein Verbot vielleicht auch nicht überleben.
Lämmel: Richtig. Deswegen sage ich, dieser Vorschlag ist nicht durchdacht, und deswegen sollte man da auch nicht weiter und länger darüber diskutieren.
Brandes: In der Corona-Politik innerhalb der Union hat auch noch eine andere Äußerung für Schlagzeilen gesorgt: Ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender Arnold Vaatz hat in einem Interview in Bezug auf die Hygienedemo letzten Samstag in Berlin gesagt, die Polizei habe die Zahl der Teilnehmenden kleingeredet, was ihn an DDR-Methoden erinnert habe, als die Zahlen der Montagsdemos kleingerechnet worden seien. Inzwischen haben das die Polizeigewerkschaften und auch Ihr Koalitionspartner SPD scharf kritisiert. Sollte sich Herr Vaatz Ihrer Meinung nach entschuldigen?
Lämmel: Mein Freund Arnold Vaatz ist sicherlich dafür bekannt, verschiedene Dinge auch zuzuspitzen. Ich kann zu dieser Demo am Sonnabend leider nichts sagen, weil ich das überhaupt nicht mitverfolgt habe, deswegen habe ich nur den Streit und die Teilnehmerzahlen aus der Presse entnommen. Aber es ist natürlich zu konstatieren, dass bei den sogenannten guten Demos man immer von hohen Zahlen spricht und bei Demos, die nicht so ganz beliebt sind, wird auch gerne mal sehr konservativ gerechnet. Aber ich kann in diesem Falle wie gesagt nichts dazu sagen.
Brandes: Aber finden Sie so einen Vergleich der bundesdeutschen Polizei mit der DDR-Volkspolizei gerechtfertigt?
Lämmel: Ich finde, der ist unnötig, dieser Vergleich, weil er auch nicht stimmt. Nun kann ich nicht wissen, ob er genau zitiert worden ist, ob er es genauso geschrieben hat, aber jedenfalls diesen Vergleich würde ich persönlich ablehnen.
Brandes: Wissen Sie, wie das in Ihrer Fraktion diskutiert wird?
Lämmel: Nein, wir hatten bisher noch keine Gremiensitzung innerhalb der Fraktion. Sicherlich wird es da einige Diskussionen geben, dann hätte auch der Arnold Vaatz die Möglichkeit, seine Beweggründe noch mal darzulegen. Ich glaube, das ist auch der Weg, den wir jetzt innerhalb unserer Fraktion beschreiten müssen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.