Ein Vorort von Zürich: Den zwölf Mädchen und Jungen ist der Spaß beim Singen im Gesicht geschrieben. Manche sind drei, vier Jahre alt sein; manche sind schon etwas größer, sie werden bald die Schulbank drücken. Ein paar Minuten später bilden sich Kleingruppen. Zwei, drei Mädchen und Jungen sitzen zusammen:
"Basteln, bauen und singen und Spiele machen, Büchlein anschauen – und dann in die Pause gehen."
Der kleine Junge ist einer der Jüngsten im Raum. Einen Tisch weiter beugen sich zwei Mädchen über bebilderte Bücher:
"Also, zwölf Buchstaben oder sogar mehr haben wir jetzt schon gelernt. Wir können selbstständig auswählen, was wir lernen und so."
"Da lernen wir lesen und schreiben, sogar schon ganze Buchstaben. Man hüpft auf Buchstaben. Und dann, dann müssen wir die zusammenzählen. Und dann gibt es irgendein Wort."
"Wenn Du jetzt bei der Elf einsteigst und den Lift nimmst, wo kommst Du dann hin? Auf die 21! Hä?"
Die beiden Erzieherinnen gehen von Kleingruppe zu Kleingruppe. Mal erklären sie Spiele, mal helfen sie bei den ersten Gehversuchen im Lesen und schreiben. "Grundstufe/Basisstufe" heißt dieses jüngste Projekt der Schweizer Bildungspolitik, eine Art "Mittelding" zwischen klassischem Kindergarten und Schule. Die starre Trennung zwischen beiden Ebenen ist in der Grundstufe aufgehoben. Mal spielen die Kinder zusammen, mal lernen sie, die Grenze dazwischen ist fließend. Martin Wendelspies ist als Leiter des Volksschulamtes im Kanton Zürich einer der Väter dieses Konzeptes:
"Bei uns ist eigentlich die Hauptüberlegung: Wir müssen Spiel, individuelle Förderung, Vermittlung der Kulturtechniken besser miteinander verbinden. Wir hatten früher zwei Welten: Kindergarten wurde in Verbindung gebracht mit Spiel und musisch und so irgendwie herzlich. Und dann später begann der Ernst des Lebens, beginnt die Schule. Und das ist eine künstliche Grenze, die nichts mit dem Kind zu tun hat."
Lesen, Schreiben, Rechnen vermitteln die Betreuerinnen vom ersten Tag an.
Kind: "Also wir schreiben Schnürli-Schrift, also eine Geschichte."
Damit ist den Kindern vom vierten Lebensjahr an die Welt des schulischen Lernens von Anfang an vertraut – ein natürlicher Vorgang: Denn gerade im frühkindlichen Stadium ist die Neugier und damit auch die Lernbereitschaft besonders stark ausgeprägt.
Von Anfang an testen die Betreuerinnen die Begabungen der Kinder aus: Wer hat musische, wer eher handwerkliche Talente? Wer hat Spaß an Bildern, an Sprache, an Lesen und Schreiben? Wem macht es eher Spaß, sich mit Rechnen oder gar mit Geometrie zu beschäftigen? Entsprechend ihren Begabungen werden die Kinder neben der Gruppenbetreuung individuell gefördert. Und genau dies überzeugt die Eltern besonders. Eila aus der schweizerischen Grenzstadt Kreuzlingen schätzt daran vor allem
"… die individuelle Förderung. Also so heißt: Man fördert die Sachen, die gut können, und holt Defizite auf: Defizite aufholen, Ressourcen fördern. Und sie haben zwei Lehrerinnen, die sie individuell fördern."
Dreijährige sind in der gleichen Gruppe wie Fünf- oder Sechsjährige. Damit haben die Jüngeren stets ein Vorbild vor Augen: Sie entwickeln den Ehrgeiz, es den Älteren, die naturgemäß manches schon besser und schneller können, nachzumachen.
Die Gruppe bleibt über längere Zeiträume konstant, das sorgt für eine vertraute, familiäre Atmosphäre über Jahre hinweg. Etwa 10 bis 15 Prozent der Kinder wechseln pro Jahr in die Schule. Damit empfinden diejenigen, die noch nicht eingeschult werden, den Bruch zwischen der Grundstufe und der Grundschule als nicht so stark. Denn die meisten bleiben in der Gruppe der Grundstufe jahrgangsübergreifend beieinander.
Betreuer und Eltern sind sich einig: Wenn ein Kind besser noch ein Jahr länger in der Grundstufe bleiben sollte, so ist damit keine Stigmatisierung, kein "Sitzen-Bleiben-Effekt" verbunden, sagt Martin Wendelspies:
"Und es ist auch ein wichtiges Element der Evaluation dieses Versuches, dass die Eltern das absolut gut finden. Über 80 Prozent sagen vorbehaltlos: Ich würde mein Kind wieder in eine Grundstufe schicken, wenn ich nicht entscheiden könnte."
Die schulischen Erfolge der Kinder, die an der Grundstufe/Basisstufe teilgenommen haben, sind im Durchschnitt besser als die schulischen Ergebnisse klassischer "Kita-Kinder". Obwohl sich in dieser Hinsicht die Grundstufe/Basisstufe als Erfolgsmodell erweist, wird der Kanton Zürich dieses Konzept nicht als reguläres Angebot für Kinder im Kindergartenalter einführen:
"Es sind nicht inhaltliche Gründe, die dagegen angeführt werden, sondern es sind finanzielle Überlegungen, dass in der jetzigen Finanzsituation der Kanton sich diese neue Schule nicht leisten könne."
Denn das neue Angebot fällt deutlich teurer aus als der klassische Kindergarten. Für die individuelle Betreuung als wichtigem Baustein der Grundstufe braucht es mehr Personal, das zudem auch besser ausgebildet sein muss. Im Gegensatz zu Deutschland absolvieren in der Schweiz Kindergärtnerinnen ein Pädagogikstudium und werden deshalb auch besser bezahlt.
Im Kanton Zürich haben etwa acht Prozent der Mädchen und Jungen im Kindergartenalter an dem Versuch mit der Grundstufe teilgenommen. Die reguläre Umsetzung des Konzeptes würde also die Kosten in etwa verzehnfachen. Dort, wo die Grundstufe bisher bereits als Modell gestartet wurde, soll das Konzept weitergeführt werden – nicht nur in Zürich.
"Eigentlich stecken jetzt alle Kantone in der gleichen Situation. Die Gemeinden, die die Grundstufe wollten, die sie durchgeführt haben, möchten nicht mehr davon weggehen. Auf der politischen Ebene kommen die Staatsfinanzen in die Quere. Und ein Ausweg, der sich abzeichnet, ist, dass jede einzelne Schulgemeinde selbst entscheidet, ob sie im klassischen System arbeiten will oder zur Grundstufe wechselt."
Dennoch meinen vor Ort viele Eltern, dass dem Staat die frühkindliche Ausbildung der Kinder etwas wert sein sollte. Sie strengen derzeit eine Volksabstimmung an. Ziel ist, die Grundstufe/Basisstufe als reguläres Angebot fortzusetzen.
"Basteln, bauen und singen und Spiele machen, Büchlein anschauen – und dann in die Pause gehen."
Der kleine Junge ist einer der Jüngsten im Raum. Einen Tisch weiter beugen sich zwei Mädchen über bebilderte Bücher:
"Also, zwölf Buchstaben oder sogar mehr haben wir jetzt schon gelernt. Wir können selbstständig auswählen, was wir lernen und so."
"Da lernen wir lesen und schreiben, sogar schon ganze Buchstaben. Man hüpft auf Buchstaben. Und dann, dann müssen wir die zusammenzählen. Und dann gibt es irgendein Wort."
"Wenn Du jetzt bei der Elf einsteigst und den Lift nimmst, wo kommst Du dann hin? Auf die 21! Hä?"
Die beiden Erzieherinnen gehen von Kleingruppe zu Kleingruppe. Mal erklären sie Spiele, mal helfen sie bei den ersten Gehversuchen im Lesen und schreiben. "Grundstufe/Basisstufe" heißt dieses jüngste Projekt der Schweizer Bildungspolitik, eine Art "Mittelding" zwischen klassischem Kindergarten und Schule. Die starre Trennung zwischen beiden Ebenen ist in der Grundstufe aufgehoben. Mal spielen die Kinder zusammen, mal lernen sie, die Grenze dazwischen ist fließend. Martin Wendelspies ist als Leiter des Volksschulamtes im Kanton Zürich einer der Väter dieses Konzeptes:
"Bei uns ist eigentlich die Hauptüberlegung: Wir müssen Spiel, individuelle Förderung, Vermittlung der Kulturtechniken besser miteinander verbinden. Wir hatten früher zwei Welten: Kindergarten wurde in Verbindung gebracht mit Spiel und musisch und so irgendwie herzlich. Und dann später begann der Ernst des Lebens, beginnt die Schule. Und das ist eine künstliche Grenze, die nichts mit dem Kind zu tun hat."
Lesen, Schreiben, Rechnen vermitteln die Betreuerinnen vom ersten Tag an.
Kind: "Also wir schreiben Schnürli-Schrift, also eine Geschichte."
Damit ist den Kindern vom vierten Lebensjahr an die Welt des schulischen Lernens von Anfang an vertraut – ein natürlicher Vorgang: Denn gerade im frühkindlichen Stadium ist die Neugier und damit auch die Lernbereitschaft besonders stark ausgeprägt.
Von Anfang an testen die Betreuerinnen die Begabungen der Kinder aus: Wer hat musische, wer eher handwerkliche Talente? Wer hat Spaß an Bildern, an Sprache, an Lesen und Schreiben? Wem macht es eher Spaß, sich mit Rechnen oder gar mit Geometrie zu beschäftigen? Entsprechend ihren Begabungen werden die Kinder neben der Gruppenbetreuung individuell gefördert. Und genau dies überzeugt die Eltern besonders. Eila aus der schweizerischen Grenzstadt Kreuzlingen schätzt daran vor allem
"… die individuelle Förderung. Also so heißt: Man fördert die Sachen, die gut können, und holt Defizite auf: Defizite aufholen, Ressourcen fördern. Und sie haben zwei Lehrerinnen, die sie individuell fördern."
Dreijährige sind in der gleichen Gruppe wie Fünf- oder Sechsjährige. Damit haben die Jüngeren stets ein Vorbild vor Augen: Sie entwickeln den Ehrgeiz, es den Älteren, die naturgemäß manches schon besser und schneller können, nachzumachen.
Die Gruppe bleibt über längere Zeiträume konstant, das sorgt für eine vertraute, familiäre Atmosphäre über Jahre hinweg. Etwa 10 bis 15 Prozent der Kinder wechseln pro Jahr in die Schule. Damit empfinden diejenigen, die noch nicht eingeschult werden, den Bruch zwischen der Grundstufe und der Grundschule als nicht so stark. Denn die meisten bleiben in der Gruppe der Grundstufe jahrgangsübergreifend beieinander.
Betreuer und Eltern sind sich einig: Wenn ein Kind besser noch ein Jahr länger in der Grundstufe bleiben sollte, so ist damit keine Stigmatisierung, kein "Sitzen-Bleiben-Effekt" verbunden, sagt Martin Wendelspies:
"Und es ist auch ein wichtiges Element der Evaluation dieses Versuches, dass die Eltern das absolut gut finden. Über 80 Prozent sagen vorbehaltlos: Ich würde mein Kind wieder in eine Grundstufe schicken, wenn ich nicht entscheiden könnte."
Die schulischen Erfolge der Kinder, die an der Grundstufe/Basisstufe teilgenommen haben, sind im Durchschnitt besser als die schulischen Ergebnisse klassischer "Kita-Kinder". Obwohl sich in dieser Hinsicht die Grundstufe/Basisstufe als Erfolgsmodell erweist, wird der Kanton Zürich dieses Konzept nicht als reguläres Angebot für Kinder im Kindergartenalter einführen:
"Es sind nicht inhaltliche Gründe, die dagegen angeführt werden, sondern es sind finanzielle Überlegungen, dass in der jetzigen Finanzsituation der Kanton sich diese neue Schule nicht leisten könne."
Denn das neue Angebot fällt deutlich teurer aus als der klassische Kindergarten. Für die individuelle Betreuung als wichtigem Baustein der Grundstufe braucht es mehr Personal, das zudem auch besser ausgebildet sein muss. Im Gegensatz zu Deutschland absolvieren in der Schweiz Kindergärtnerinnen ein Pädagogikstudium und werden deshalb auch besser bezahlt.
Im Kanton Zürich haben etwa acht Prozent der Mädchen und Jungen im Kindergartenalter an dem Versuch mit der Grundstufe teilgenommen. Die reguläre Umsetzung des Konzeptes würde also die Kosten in etwa verzehnfachen. Dort, wo die Grundstufe bisher bereits als Modell gestartet wurde, soll das Konzept weitergeführt werden – nicht nur in Zürich.
"Eigentlich stecken jetzt alle Kantone in der gleichen Situation. Die Gemeinden, die die Grundstufe wollten, die sie durchgeführt haben, möchten nicht mehr davon weggehen. Auf der politischen Ebene kommen die Staatsfinanzen in die Quere. Und ein Ausweg, der sich abzeichnet, ist, dass jede einzelne Schulgemeinde selbst entscheidet, ob sie im klassischen System arbeiten will oder zur Grundstufe wechselt."
Dennoch meinen vor Ort viele Eltern, dass dem Staat die frühkindliche Ausbildung der Kinder etwas wert sein sollte. Sie strengen derzeit eine Volksabstimmung an. Ziel ist, die Grundstufe/Basisstufe als reguläres Angebot fortzusetzen.