Michael Köhler: Ich habe den Bielefelder Zeithistoriker und Holocaust-Forscher Hans-Ulrich Wehler gefragt, wie er diese Einigung, diese Entscheidung einschätzt.
Hans-Ulrich Wehler: Also in meinen Augen war das überfällig, weil die gesamte Deportation der europäischen Juden - es geht ja nicht etwa nur um die im Dritten Reich lebenden deutschen Juden, sondern der europäischen Juden - ganz und gar abhing von der Organisationsarbeit der Reichsbahn. Also ich nenne Ihnen nur mal ein Beispiel: Als die Russen in Ungarn durchbrechen, ist die große Frage, ob man deutsche Truppen reinwirft, um sie abzufangen, oder ob man erst die ungarischen Juden aus Budapest - rund 400.000 Juden, die es da noch gab - abtransportiert. Und die Entscheidung wird durch die Rassenpolitik gefällt, nämlich erst die Juden raus, dann die Truppen dahin. Und die Reichsbahn organisierte das in denkbar kurzer Zeit, diese Juden Richtung Auschwitz zu transportieren. Also ohne die Reichsbahn und die sozusagen perfekte Planung, die dabei durchgeführt worden ist, wäre die Deportation und anschließend der Massenmord an den Juden gar nicht denkbar.
Köhler: Das heißt, wenn wir künftig auf Bahnhöfe gehen - ab 2008 soll diese Ausstellung dann gezeigt werden in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen - ist das ein wichtiger Beitrag auch über die Aufklärung dessen, was man so die verkehrstechnische Infrastruktur des Völkermords nennen könnte?
Wehler: Ja, da würde ich ganz zustimmen. Ich finde es auch traurig, dass das wieder auf die lange Bank geschoben wird, genau so wie die, sozusagen die Wiedergutmachung gegenüber den Zwangsarbeitern. Der Massenmord, das Dritte Reich rücken immer weiter zeitlich in die Ferne. Für viele wird das dann auch neuartig sein. Aber es ist geboten. Und man kann sich diese ganze Politik - sozusagen Angehörige einer bestimmten Religionsgemeinschaft ohne Ansehen des Alters, des Geschlechtes zu töten -, kann man sich nicht vorstellen, ohne die Mitarbeit, die zum Beispiel von der Reichsbahn geleistet wurde. Es sind zwar in Osteuropa, also vor allem in Ostpolen und in der Ukraine und in Russland fast die Hälfte der umgebrachten sechs Millionen Juden - und da will ich nur in Klammern sagen: ein Viertel sind Kinder bis zum Lebensalter von 14, das muss man sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, diese schreckliche Tatsache -, aber ungefähr die Hälfte sind mit konventionellen Waffen, mit Genickschuss, Maschinengewehr, Maschinenpistole umgebracht worden. Die anderen in den großen Vernichtungslagern. Aber Hunderttausende von Eisenbahnern haben das gewusst. Es haben alle Planer im Verkehrsministerium des Reiches davon gewusst, wenn sie diese sozusagen ganz Europa erfassenden Transportpläne aufgestellt haben. Und daran endlich mal zu erinnern, das finde ich, wie gesagt, überfällig.
Köhler: Ab 2008 kann die Ausstellung über Deportationen von Juden und die Rolle der Reichsbahn auf deutschen Bahnhöfen gezeigt werden. Zu dieser Einigung ist es heute gekommen. Das war der Zeithistoriker Hans-Ulrich Wehler.
Hans-Ulrich Wehler: Also in meinen Augen war das überfällig, weil die gesamte Deportation der europäischen Juden - es geht ja nicht etwa nur um die im Dritten Reich lebenden deutschen Juden, sondern der europäischen Juden - ganz und gar abhing von der Organisationsarbeit der Reichsbahn. Also ich nenne Ihnen nur mal ein Beispiel: Als die Russen in Ungarn durchbrechen, ist die große Frage, ob man deutsche Truppen reinwirft, um sie abzufangen, oder ob man erst die ungarischen Juden aus Budapest - rund 400.000 Juden, die es da noch gab - abtransportiert. Und die Entscheidung wird durch die Rassenpolitik gefällt, nämlich erst die Juden raus, dann die Truppen dahin. Und die Reichsbahn organisierte das in denkbar kurzer Zeit, diese Juden Richtung Auschwitz zu transportieren. Also ohne die Reichsbahn und die sozusagen perfekte Planung, die dabei durchgeführt worden ist, wäre die Deportation und anschließend der Massenmord an den Juden gar nicht denkbar.
Köhler: Das heißt, wenn wir künftig auf Bahnhöfe gehen - ab 2008 soll diese Ausstellung dann gezeigt werden in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen - ist das ein wichtiger Beitrag auch über die Aufklärung dessen, was man so die verkehrstechnische Infrastruktur des Völkermords nennen könnte?
Wehler: Ja, da würde ich ganz zustimmen. Ich finde es auch traurig, dass das wieder auf die lange Bank geschoben wird, genau so wie die, sozusagen die Wiedergutmachung gegenüber den Zwangsarbeitern. Der Massenmord, das Dritte Reich rücken immer weiter zeitlich in die Ferne. Für viele wird das dann auch neuartig sein. Aber es ist geboten. Und man kann sich diese ganze Politik - sozusagen Angehörige einer bestimmten Religionsgemeinschaft ohne Ansehen des Alters, des Geschlechtes zu töten -, kann man sich nicht vorstellen, ohne die Mitarbeit, die zum Beispiel von der Reichsbahn geleistet wurde. Es sind zwar in Osteuropa, also vor allem in Ostpolen und in der Ukraine und in Russland fast die Hälfte der umgebrachten sechs Millionen Juden - und da will ich nur in Klammern sagen: ein Viertel sind Kinder bis zum Lebensalter von 14, das muss man sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, diese schreckliche Tatsache -, aber ungefähr die Hälfte sind mit konventionellen Waffen, mit Genickschuss, Maschinengewehr, Maschinenpistole umgebracht worden. Die anderen in den großen Vernichtungslagern. Aber Hunderttausende von Eisenbahnern haben das gewusst. Es haben alle Planer im Verkehrsministerium des Reiches davon gewusst, wenn sie diese sozusagen ganz Europa erfassenden Transportpläne aufgestellt haben. Und daran endlich mal zu erinnern, das finde ich, wie gesagt, überfällig.
Köhler: Ab 2008 kann die Ausstellung über Deportationen von Juden und die Rolle der Reichsbahn auf deutschen Bahnhöfen gezeigt werden. Zu dieser Einigung ist es heute gekommen. Das war der Zeithistoriker Hans-Ulrich Wehler.