Stephanie Gebert: Es gibt Tricks, mit denen sich Schulen selbst helfen können, um den Lärm im Klassenzimmer einzudämmen. Dort ist es oft so laut wie auf einer vielbefahrenen Straße. Bis zu 85 Dezibel, haben Messungen schon gezeigt, werden da teilweise erreicht. In anderen Branchen wird unter diesen Bedingungen dringend Gehörschutz empfohlen, denn Lärm, das wissen wir alle, schadet der Gesundheit. Was die Folgen für Lehrerinnen und Lehrer sind, damit beschäftigt sich Professor Stephan Letzel. Genauer, er leitet das Institut für Lehrergesundheit an der Universität Mainz. Ich grüße Sie! Sprechen wir erst mal über die Konsequenzen. Was wissen wir denn, was macht der ständige Krach auf den Ohren mit uns?
Stephan Letzel: Wir wissen, dass ab 85 Dezibel eine Lärmschwerhörigkeit entstehen kann. Das ist eine Innenohrschwerhörigkeit, von der in Deutschland jedes Jahr über 7.000 Beschäftigte betroffen sind. Man diskutiert immer, ob Lehrer hiervon auch oder von dem schulischen Lärm eine Lärmschwerhörigkeit bekommen können. In Einzelfällen ja. Wir denken immer an die Schulen, in die wir selbst gegangen sind, an berufsbildenden Schulen, wo zum Beispiel Schreinerhandwerker ausgebildet werden, kann natürlich an Kreissägen deutlich höherer Lärm entstehen als 85 dBA. Unabhängig davon kann es natürlich zu Lästigkeit und Konzentrationsstörungen kommen. Was passiert? Die Lehrer sprechen lauter, die Schüler schwätzen lauter, und am Schluss, nach einem Unterrichtstag haben die Lehrer kaum noch eine Stimme, also eine hohe Stimmbelastung, und alle sind irgendwo stark erschöpft durch diesen Lärm.
Tabuthema und Stressfaktor: Lärm
Gebert: Wir haben gerade gehört, dass Lärm im Klassenzimmer durchaus ein heikles Thema zu sein scheint. Dabei ist ja allen nun klar, dass Lärm ein großer Stressfaktor auch ist. Ist das ein Tabu unter Lehrerinnen und Lehrern? Erleben die das vielleicht als eigenes Versagen, wenn es zu laut wird im Klassenzimmer?
Letzel: Es kann natürlich bis zu einem gewissen Grad schon sein. Unsere Erfahrung als Institut für Lehrergesundheit in Rheinland-Pfalz ist, dass Schulen sehr unterschiedlich mit dem Thema Lärm umgehen. Wir hatten vor Jahren ein Gymnasium hier im Großraum Mainz, das erkannt hat, dass sie ein Lärmproblem haben. Daraus haben sie ein Unterrichtsthema gemacht. Die Schüler haben einen Lärmkataster der Schule angelegt, man hat Spielregeln aufgestellt, wie man in der Schule mit Lärm umgehen möchte, hat also alle einbezogen, auch die Lehrer, die manchmal zum Beispiel im Lehrerzimmer selbst ein Problem sind, wenn die einen, wie soll ich sagen, ihre Pause machen wollen und sich unterhalten, und die anderen eine Klassenarbeit vorbereiten wollen.
Also, da ist es dringend erforderlich, dass die Schule selbst aktiv damit umgeht. Was ein Problem ist, das sind die teilweise schlechten raumakustischen Verhältnisse, eigentlich über ganz Deutschland, dass eben doch manche Klassenräume für Unterricht aus raumakustischen Gründen nur bedingt geeignet sind. Und die Kommunen, die momentan finanziell nicht ganz so optimal aufgestellt sind, sind ja für die Schulgebäude in der Regel zuständig, und befürchten, dass da hohe Kosten, hohe Sanierungskosten auf sie zu kommen. Und damit wird das Thema Lärm nicht immer gleich an erste Stelle gesetzt, weil man auch nicht weiß, wie das finanziell geregelt werden soll.
Gebert: Was raten Sie denn ganz praktisch Lehrerinnen und Lehrern, Schulen? Was können sie tun, um sich selbst zu helfen gegen den Lärm?
Letzel: Ich glaube, wir haben an den Schulen generell das Problem, dass eine sogenannte Gefährdungsbeurteilung unzureichend oder nicht an allen Schulen durchgeführt wird. Das bedeutet, dass man sich mal die Schule und das schulische Umfeld anschaut und die Belastungen und Beanspruchungen objektiv beurteilt, da würde dann auch Lärm dazukommen, und sich überlegt, was kann ich bei dem Lärm machen. Sie haben natürlich schon ein bisschen recht, Lärm entsteht ja nicht in der Regel von sich selbst, sondern der wird von Menschen gemacht im schulischen Umfeld. Wir haben natürlich auch Schulen, die sind so ungünstig gelegen, dass da die ICE-Trasse direkt an den Fenstern vorbeiläuft, oder die in der Einflugschneise eines Flughafens sind. Aber klammern wir mal das aus. In der Schule ist in der Regel das, was Probleme macht, der Lärm, den die Schüler machen, und der Lärm, den die Lehrer machen.
Das heißt, man muss sich selbst ein bisschen an der Nase nehmen, sollte das thematisieren. Es gibt zum Beispiel die sogenannte Lärmampel. Das ist so ein Messgerät, das zeigt an, wie hoch der Lärm im Unterricht ist. Und da sehen die Kinder, hoppla, jetzt werden wir auch zu laut, und jetzt müssen wir was machen, wenn ich es mal so sagen darf. Und ein weiterer Punkt, den wir bei der Lärmdiskussion, überhaupt bei der Schuldiskussion einfach ausblenden, ist, dass es eben verschiedene Schularten gibt, und ich hab vorhin die berufsbildenden Schulen schon angesprochen. Da ist Lärm ein ganz anderes Thema. Da haben wir teilweise in bestimmten Ausbildungsklassen halt Lärm wie in der ganzen gewerblichen Wirtschaft draußen. Also das müsste dann an diesen Schulen vollkommen anders angegangen werden.
Gebert: Maßnahmen gegen den Lärm im Klassenzimmer. Das war der Arbeitsmediziner Professor Stephan Letzel von der Universität Mainz in "Campus & Karriere". Danke für das Gespräch!
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