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"Lärmhölle" Großraumbüro

Für viele Arbeitnehmer ist das Großraumbüro eine unproduktive Lärmhölle. Solche Belastungsfaktoren können auf Dauer krankmachen, sagt der Organisationspsychologe Berthold Iserloh.

Berthold Iserloh im Gespräch mit Kate Maleike |
    Kate Maleike: Tja, das Großraumbüro und der dortige Lärm ist nicht jedermanns Sache. Wissenschaftliche Studien belegen sogar, dass das Arbeiten in solchen Büros unproduktiv macht und krank. Berthold Iserloh ist Organisationspsychologe und Mitbetreiber eines Institutes für Gesundheits- und Leistungsmanagement. Herr Iserloh, warum macht denn diese Büroform die Menschen krank?

    Berthold Iserloh: Es gibt eine Vielzahl von Belastungen in diesen Großraumbüros, und es ist ja nicht nur so, dass Arbeitssituationen wie zum Beispiel ein gesunder Stuhl oder ein Schreibtisch, ein funktionierendes Telefon dafür sorgen, dass Mitarbeiter gut und gesund arbeiten können, sondern auch die Belastungen drum herum. Interessant ist zum Beispiel, dass im Großraumbüro der Lärmpegel, also das Reden, das Telefonieren, das Unterhalten der Kollegen drum herum, mit der Zeit gar nicht mehr wahrgenommen werden, man hört es eigentlich gar nicht mehr, nimmt es nicht mehr bewusst wahr, aber trotzdem als Reiz ins Gehirn dringen und mich belasten. Interessant ist, dass Mitarbeiter oft sagen, wenn sie nach Hause fahren, lassen sie das Radio aus, um endlich Ruhe zu haben. So können solche Belastungsfaktoren, die man erst mal gar nicht direkt spürt, auf Dauer krankmachen. Und tatsächlich konnten wir auch feststellen, dass in vielen Großraumbüros die Krankenquote übrigens deutlich höher ist als in anderen Bereichen, in denen in kleineren Büros gearbeitet wird.

    Maleike: Jetzt gibt es aber auch die Befürworter, das steht doch eigentlich dem Krankwerden sehr stark entgegen. Warum werden die Großraumbüros denn immer noch gebaut?

    Iserloh: Die Großraumbüros haben einen riesigen Vorteil: Sie sind letztendlich günstiger. Also ich kann auf einer kleinen Fläche viel mehr Mitarbeiter unterbringen, spare Heizkosten, Mietkosten und, und, und. Das geht so ein bisschen in die Richtung der Legehennenbatterie, da kriegt man eben auch mehr Produktivität auf kleinem Raum. Dummerweise funktioniert der Mensch nicht so, sondern dieses ganze Zwischenmenschliche und das ganze Drumherum beeinflusst auch die Frage von Gesundheit und Krankheit, von Wohlbefinden. Und die Arbeitszufriedenheit in Großraumbüros ist in der Regel etwas niedriger. Interessant ist auch, dass Menschen so ihr eigenes Reich brauchen und eine Identität haben müssen – also die Frage, kann ich meinen Arbeitsplatz selbst gestalten, mal ein Bild aufstellen und, und, und. Und das ist oft ein Riesenproblem in Großraumbüros.

    Maleike: Ich hab das schon gesagt, Sie betreiben auch ein Institut mit, wo es genau um diese Fragen geht, das heißt, Sie gehen auch in Unternehmen und beraten, wie das Großraumbüro der Zukunft sozusagen aussehen sollte?

    Iserloh: Genau. Wir behaupten mal ganz steif und fest, Gesundheit und Leistung sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.

    Maleike: Und was raten Sie den Unternehmen denn dann? Was wären zum Beispiel so ein, zwei Maßnahmen?

    Iserloh: Wichtig ist zu schauen, dass der Lärmpegel im Büro nicht zu hoch ist – das kann man allein durch die Abgrenzung von einzelnen Abteilungen und durch die Sicherstellung von eigenen Arbeitsplätzen, die auch wirklich als eigener Bereich wahrgenommen werden können, gemacht werden, sicherlich von Lärmabsorbern, Deckengestaltung et cetera, wo auch sehr wichtig ist die Möglichkeit des Rückzugs. Wir arbeiten heutzutage immer regelmäßiger auf einem 100-Prozent-Niveau, dafür brauche ich aber auch Pausen, in denen ich abschalten kann. Und das geht nur in richtigen Rückzugsräumen, wo ich entspannen kann, keinem Lärm, keinem sonst was ausgesetzt bin und richtig entspannen kann. Oder zum Beispiel auch in den größeren Mittagspausen das Büro komplett zu verlassen, um mal nach draußen zu gehen – das wäre ein Tipp an Mitarbeiter, um sich dieser Belastungssituation im Großraumbüro zu entziehen.

    Maleike: Herr Iserloh, heute ist der Tag gegen den Lärm. Was bedeutet das fürs Großraumbüro? Was kann man tun, um den Lärm tatsächlich noch ein bisschen einzudämmen?

    Iserloh: Man kann die Trennwände zwischen den einzelnen Mitarbeiterplätzen etwas höher ziehen, damit der Lärm sozusagen darüber hinweg gleitet, aber auch hier muss man aufpassen: Wenn man die Wände zu hoch zieht, dann ist das wie so ein Gefängnis. Man kann gerade beim Telefonieverhalten nicht den Lärmpegel der Mitarbeiter drum herum abschalten, aber ich kann zum Beispiel durch Lärmabsorber – also die Frage Deckengestaltung und Wandgestaltung – sehr viel Lärm auffangen. Und wichtig als Hinweis für die Mitarbeiter: regelmäßig Pausen machen, zurückziehen und sich dieser Lärmquelle in den Pausenzeiten entziehen.

    Maleike: Wie sieht denn eigentlich das ideale Büro für einen Organisationspsychologen aus?

    Iserloh: Interessant ist, dass viele Menschen sich noch nicht mal ein Einzelbüro wünschen, sondern den sozialen Kontakt schon suchen. Büros für zwei bis drei Personen sind die optimale Arbeitsform. Alles, was darüber hinausgeht, bereitet uns so ein bisschen Stress, und natürlich mit steigender Mitarbeiterzahl, wenn es 16, 20 oder sogar 100 Mitarbeiter im Großraumbüro sind, belastet das. Wir haben aber gerne die Möglichkeit des sozialen Austausches. Der Mensch ist ein soziales, emotionales Lauftier – wir brauchen also den Kontakt. Zwei, drei Leute um mich herum, das ist okay, alles, was darüber hinausgeht, wird schwierig. Man muss eben darauf achten, dass man Büros und Arbeitssituationen richtig gestaltet, denn es ist nicht nur die Frage dieser Umgebungsfaktoren wie Luft, Lärm et cetera, sondern auch die Frage, wie schaffe ich eine hohe Arbeitszufriedenheit zum Beispiel durch ein richtiges gesundes wertschätzendes Führen. Der Mitarbeiter muss das Gefühl haben, dass er wertgeschätzt wird von seiner Führungskraft, aber auch, dass das Unternehmen etwas tut für den Mitarbeiter, und versucht, die Arbeitszufriedenheit am Arbeitsplatz möglichst optimal zu gestalten. Also tue etwas für deine Mitarbeiter, investiere in deine Mitarbeiter, zeige ihnen, dass sie das wichtigste Kapital der Firma sind, und die Mitarbeiter fühlen sich schon ein bisschen wohler – es hilft!

    Maleike: Meint der Organisationspsychologe Berthold Iserloh. Er beschäftigt sich speziell mit dem Arbeiten im Großraumbüro.