"Wissen Sie, ich bin froh, dass dat Ding da steht!"
Ernst Reinartz, 76 Jahre alt, und Häuslebesitzer in Köln-Junkersdorf, steht zufrieden im Gartenbeet und blickt auf die viereinhalb Meter hohe Lärmschutz-Ummantelung direkt hinter seinem Gartenzaun. Von der sechsspurigen Autobahn A1 ist nur ein leises Brummen zu hören.
"40 Jahre haben wir echt gekämpft, können Sie sich vorstellen, Politiker eingeschaltet und so weiter und schließlich geholfen hat uns der Petitionsausschuss im Deutschen Bundestag, der dann dem Bundesverkehrsminister Druck gemacht hat."
20 Jahre für 1,5 Kilometer Tunnel
Für Ernst Reinartz und die Junkersdorfer ein Sieg auf ganzer Linie. Doch für Steuerzahler und Autofahrer ist die offiziell so genannte "Schallschutzeinhausung" im Kölner Westen zu einem teuren und zeitraubenden Nervenkrimi geworden. Ganze zwanzig Jahre haben Heerscharen von Ingenieuren und Handwerken an dem gerade einmal 1,5 Kilometer langen Tunnel herumgedoktert: umgebaut, erweitert, verbessert, gesperrt – kein Ruhmesblatt für deutsche Verkehrsplanung.
Die Binder mussten verstärkt werden, die Feuerfestigkeit erhöht, mehr Abflusswasser war von der Feuerwehr gefordert. Es musste also zusätzlich ein Pumpwerk eingebaut werden. Diese Dinge kamen peu à peu dazu.
Flüsterasphalt statt Tunnelbau
Experten wie Roman Sutholt raufen sich die Haare, wenn die Rede auf die "Einhausung" kommt:
"Finanziell gesehen ist das Projekt eine Katastrophe, würde ich sagen."
Der Verkehrsökonom vom ADAC rechnet vor: Mit 200 Millionen Euro sind die ursprünglich viel niedriger kalkulierten Kosten explodiert, ein Fall für den Bundesrechnungshof, da ist sich Sutholt sicher. 2000 Anwohner drum herum haben jetzt zwar ihre Ruhe, aber das ganze hätte man auch viel billiger haben können, meint der Experte:
Nach heutigem Stand der Technik würde man nicht mehr einen Tunnel planen, sondern würde Flüsterasphalt verbauen, in Kombination mit einer Lärmschutzwand, und vielleicht einer Geschwindigkeitsbegrenzung, die jetzt auch gilt. Man darf in dem Tunnel jetzt nur 80 Kilometer pro Stunde maximal fahren. Wenn man diese Geschwindigkeitsbegrenzung von Anfang an festgelegt hätte, hätte man nicht so hohen Aufwand treiben müssen.
Selbst Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Michael Groschek, der das Projekt an der Kölner A1 von seinen Amtsvorgängern geerbt hat, lässt kein gutes Haar an dem Tunnel. Die Kritik fällt ihm nicht schwer – es geht ja um ein Projekt des Bundes:
"Ich glaube, diese Baustelle ist wirklich kein Vorbild für künftiges Baustellenmanagement und für künftige Lärmschutzmaßnahmen. Deswegen wird das für mich ein verkehrspolitisches Mahnmal bleiben, um aus Fehlern zu lernen."
"Ich muss mich darüber echauffieren."
Rentner Ernst Reinartz, der jahrzehntelang bei mehrfach wechselnden Bundes- und Landesregierungen für mehr Ruhe gekämpft hat, blinzelt in seinem Garten gegen die helle Sonne und reagiert mit Spott:
"Klar! Heute kann man wunderbar sagen, ja, hätte man doch den geschlossenen Tunnel gebaut, eine Tennishalle da drauf...da hätten wir zwar hier im Garten kein Licht mehr gehabt, aber dat wär ja alles viel billiger geworden. Man kann im Nachhinein nicht einfach so pauschal sagen."
Vorbildtunnel in Aschaffenburg
Auch Kritiker wie Roman Sutholt räumen ein, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen – etwa beim Feuer- und Abwasserschutz – sich im Laufe der Jahre zwar verändert hätten, sodass manche Kostensteigerung nicht vorhersehbar war. Aber:
"Es gibt einen Schwestertunnel in Aschaffenburg, der ist in kürzester Zeit realisiert worden, und soweit ich informiert bin, sind auch die Kosten nicht so stark explodiert."
Sutholt sieht gar einen Zusammenhang zwischen überteuerten Autobahnbaustellen und der umstrittenen Pkw-Maut, die die CSU plant:
"Was jetzt hier zu viel ist, das fehlt an einer anderen Stelle, und man muss gucken, wo man das Geld sonst herkriegt, und dann werden solche Themen wie die Pkw-Maut hervorgeholt."
Seit Anfang letzten Jahres ist die A1 im Kölner Westen unter der Lärmschutzeinhausung zwar frei befahrbar, aber die Brandschutzmelder haben zwischenzeitlich schon Chaos ausgelöst wegen eines Autos mit defekter Kühlanlage. Und weil das Glasdach sogenannte "Lichteffekte" verursacht, bleibt es bei Tempo 80. Die offizielle Eröffnungsfeier steht übrigens noch aus. Aber Autobahn-Anwohner Ernst Reinartz ist hoch zufrieden:
"Ja! Kann man sagen. Das war mein Lebenswerk. Wenn man vierzig Jahre dafür kämpft, ist das schon ne tolle Sache."