Das große eiserne Tor von Öncüpınar bleibt für Flüchtlinge geschlossen. Unentwegt überqueren türkische Lastwagen die Grenze und bringen Hilfsgüter in die Lager auf syrischem Boden. Nur Kranken, Versehrten und Verwundeten wird Einlass gewährt.
Seine Tochter sei erst sechs, sagt Mahmoud Tassiya. Vor seinen Augen sei sie von einem Scharfschützen angeschossen worden. Das Mädchen wird nun in einem Krankenhaus in Kilis behandelt. Ebenso dieser Mann.
"Ich war im Auto als russische Kampfflugzeuge einen Wagen neben mir beschossen haben. Es gab Tote. Ich bin am Auge und am Bein verletzt worden. Mein Arm war gebrochen. Sie haben ihn geschient. Gott möge die Russen bestrafen."
In der Nacht haben russische Kampfbomber Dörfer nahe der nordsyrischen Stadt Azaz bombardiert. Noch mehr Menschen machen sich mit dem Vorrücken der Assad-Truppen gen Norden und auf Aleppo auf den Weg zur Grenze. Der Druck auf die Türkei nimmt zu, die gut 40.000 neuen Flüchtlinge aufzunehmen.
"Wir sollen alle rein lassen, die vor unserer Tür sind, fordern die Vereinten Nationen", erklärte Präsident Erdoğan heute.
"Wenn das so leicht ist, warum macht ihr es nicht? Wir haben bis heute aus dem Irak und aus Syrien drei Millionen Menschen aufgenommen. Welches Land hat Flüchtlinge aufgenommen? Ihr sprecht von 300, 500 oder 1000 Menschen. Wir haben drei Millionen aufgenommen."
Gereizte Töne aus der Türkei
Die Belastungsgrenze sei erreicht, wird in der Türkei immer lauter gesagt. Immer häufiger sind auch gereizte Töne zu hören. Zum Beispiel von Yalçın Akdoğan, dem stellvertretenden Regierungschef:
"Zehn Leute haben sie aufgenommen, und dann wollen sie der Türkei Ratschläge geben. Nicht mal drei Cent haben sie uns überwiesen. Es sei ein Gebot der Menschlichkeit, sagen sie. Sind wir die Einzigen mit Gewissen? Habt ihr keine Verantwortung?"
Kilis unweit der syrischen Grenze ist für viele Syrer erste Anlaufstation nach der Flucht. 60 Prozent der gut 200.000 Einwohner seien Syrer, sagt Bürgermeister Hassan Kara. Trotzdem gebe es fast keine sozialen Spannungen oder Straftaten in seiner Stadt.
"Kilis sollte dafür den Friedensnobelpreis bekommen. Das würde viel Unterstützung bringen."
Geschwister in Not würden nicht im Stich gelassen, versichert die Führung in Ankara und liefert Hilfsgüter in großem Umfang in die Flüchtlingslager jenseits der türkischen Grenze.