"Es gibt kein Benzin, der Güterfernverkehr ist eingeschränkt, und unsere grandiose Revolution hat auch keine Fortschritte gebracht."
Lkw-Fahrer Juan ist die Frustration anzumerken. Seit zwei Tagen ist sein Lastwagen beladen. Mangels Treibstoff kann er jedoch dringend benötigte Ware nicht in den Osten Kubas transportieren.
Solche Sorgen teilt Taxifahrer Manolo nicht. Den baufälligen 52er grünen Chevrolet Bel Air, der von einem stinkenden japanischen Dieselmotor angetrieben wird, kann er derzeit problemlos betanken, in Havanna.
Aus der Provinz hört man andere Gerüchte und vor ein paar Wochen mussten sich die Autofahrer auch in der Hauptstadt gedulden, um ein paar Liter Treibstoff zu ergattern.
"Wenn Benzin knapp ist, bilden sich Schlangen, aber man bekommt etwas. Vor Kurzem, vor gut einem Monat, war es schlimm, da stand man vier, fünf Stunden in der Schlange, einige haben sogar da übernachtet."
Mittlerweile sei das Problem gelöst, meint Taxifahrer Manolo. Die sehnsüchtig erwarteten Tanker aus Venezuela und anderen befreundeten Nationen haben Kuba wieder einmal beliefert, gerade rechtzeitig vor der 500-Jahr-Feier Havannas kürzlich und vor dem Internationalen Filmfestival.
Es habe sich um ein "konjunkturelles Problem" gehandelt, hieß es von offizieller Seite. "Konjunkturelles Problem" wurde zum Modewort.
"Fakt war: Es gab kein Benzin auf Kuba. Der Verkehr ist zusammengebrochen. Stellen Sie sich eine Gesellschaft ohne Treibstoff vor: Kein Personentransport, keine Entwicklung, die Fabriken können nicht arbeiten. Im September waren wir an einem Nullpunkt angelangt - fast so wie die Zeit in den 1990er-Jahren nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, die wir Spezialperiode nannten. Damals waren die Rohstoffzufuhr und Unterstützungszahlungen weggebrochen." Analysiert Ariel Perez Lago, Direktor beim Staatsrundfunk.
Wie lang hält der Benzin-Vorrat?
Kuba hängt am Öl Tropf Venezuelas. Seit zwei Jahrzehnten hat die sozialistische Regierung zunächst von Hugo Chávez und jetzt von Nicolas Maduro den Verbündeten mit Öl zu Sonderkonditionen beliefert. Kuba hat mit der Entsendung von Ärzten bezahlt. Jetzt fordert die akute Krise in Venezuela auch auf Kuba ihren Tribut. Die US-Sanktionen tun ein Übriges.
Die kubanische Regierung schickte und schickt noch immer Angestellte nach Hause, schließt Gebäude, um Energie zu sparen.
Jesus Irsula, Germanist und Dolmetscher: "Man musste hier wichtige Maßnahmen treffen, was die Arbeitszeit anbelangt, die Uhrzeit von den Lokalen, das heißt in der Spitzenbelastungszeit durften keine Veranstaltungen, kulturelle Veranstaltungen durchgeführt werden, weil wir einfach kein Erdöl hatten. Die Situation hat sich nicht ganz normalisiert, aber es ist nicht so schlimm und Sie sehen, jetzt gibt es sowohl Benzin als auch Diesel an den Tankstellen hier."
Nur wie lange dieses Mal? Die US-Sanktionen treffen Reedereien, die Öl nach Kuba liefern. US-Kreuzfahrtschiffen wurde untersagt, in kubanischen Häfen zu ankern, US-Fluggesellschaften dürfen nur noch Havanna anfliegen und die Überweisungen der Exilkubaner an ihre Familienangehörigen sind auf 1.000 Dollar pro Trimester begrenzt.
Maßnahmen zur Verschärfung des Embargos, das die USA kurz nach der Revolution, Anfang der 1960er-Jahre über Kuba verhängt hatten.
"Die Maßnahmen der US-Regierung, die Venezuelakrise und der damit verbundene Einnahmeausfall führen dazu, dass wir auf Kuba schwierige Zeiten durchmachen", sagt Oscar Osmara, früher stellvertretender Außenminister der Regierung. Widerstandswillen und Lebenslust der Kubaner seien jedoch ungebrochen, glaubt der 83-Jährige.
Roberto Diaz: "Heutzutage ist die Versorgung sehr schlecht. Auch die Agrarprodukte sind sehr teuer, weil zu wenig produziert wird. Und ich glaube das ist aufgrund dieser Einschränkungen. Die Bauern dürfen zum Beispiel bis zu 70 Hektar Land privat bewirtschaften, aber womit? Mit Ochsen? Das geht nicht, die brauchen Traktoren und so weiter. Und die Traktoren, die man jetzt bekommt, sind nur für die staatlichen LPGs. Und das soll geändert werden. Das wäre vielleicht ein Schritt für die Zukunft Kubas", glaubt Roberto Diaz. Der Touristenführer hat in Leipzig zu DDR Zeiten studiert.
Ihm geht es vergleichsweise gut. Denn wer mit Touristen arbeitet, wird nicht nur in kubanischen Pesos, CUP, bezahlt, sondern kommt an konvertierbare CUC. Und die sind überlebenswichtig.
"Improvisieren, stehlen, illegale Geschäfte"
"Der Mindestmonatslohn eines Arbeiters beträgt gerade Mal 260 kubanische Pesos, umgerechnet elf CUC oder Dollar. Das reicht höchstens für die Stromrechnung", erläutert Emilio, der wie alle Kubaner ohne seine Lebensmittelkarte kaum überleben könnte.
"Pro Person darf man sechs Pfund Reis, Zucker und Bohnen sowie einen halben Liter Öl pro Monat kaufen. Eine bescheidene Person kann davon höchstens zehn Tage leben. Natürlich kostet ein Pfund Reis nur 30 Centavos, ist also sehr billig."
Den Rest muss man aber auf dem Schwarzmarkt zukaufen. Ein Liter Öl kostet da mindestens zwei CUC, konvertierbare Pesos, sprich Dollar. Toilettenpapier, Kondome und Kaffee sind derzeit auch gegen harte Währung kaum zu finden.
Um die Zuwendungen der Exilkubaner an ihre Verwandten besser abzuschöpfen und an Devisen zu kommen, hat der Staat unlängst Luxusläden für Haushaltsgeräte und ähnliches eröffnet: Einzig akzeptierte Währung US-Dollar, die mit dem zehn Prozent Strafabschlag angenommen werden. Wie schaffen es die Kubaner, selbst besser gestellte wie Lehrer oder Ärzte, die mittlerweile zwischen 40 und 60 Dollar umgerechnet verdienen, zu überleben?
"Indem sie improvisieren, stehlen, illegale Geschäfte machen. Denn der Lohn eines Arbeiters reicht hinten und vorn nicht", glaubt Juan. Das Wort ‚inventar‘- Erfinden - improvisieren hört man immer wieder und häufiger dieser Tage auf Kuba. Not macht nun einmal erfinderisch. Zum Erfinden braucht man freilich Zeit.
Für die Regierung birgt das durchaus Vorteile lässt der Germanist Jesus Irsula durchblicken: "Solche Situationen, die wir in Kuba erlebt haben und zum Teil erleben - in einem anderen Land würden die Leute auf die Straße gehen und protestieren. Weil man sich nicht fragt, warum das so ist, sondern wenn die Situation so ist, sucht man einen Schuldigen, aber der Kubaner sucht andere Lösungen, statt sich auf der Straße zu manifestieren."