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Lage in Mali bleibt unübersichtlich

Der abgesetzte Premierminister Malis hatte sich für eine militärische Lösung im Norden seines Landes stark gemacht. Annette Lohmann, Friedrich-Ebert-Stiftung in Mali, sieht dennoch Chancen für das Anlaufen der geplanten UN-Militäroperation mit 3.000 Soldaten. Es sei nun wichtig, "dass der Präsident sich jetzt zu Wort meldet und eine neue Regierung einsetzt".

Annette Lohmann im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Jasper Barenberg: Vor einem zweiten Afghanistan warnen Beobachter schon lange mit Blick auf Mali im Westen Afrikas. Seit gut einem halben Jahr kontrollieren dort Rebellen den Norden des Landes, ein Gebiet so groß wie Frankreich. Aufständische Tuareg haben sich mit radikal-islamischen Gruppen verbündet, die der Terrorgruppe El Kaida nahestehen. Sie leben von Rauschgifthandel, Waffenschmuggel und von Entführungen. Tausende Menschen sind vor dem Terror geflohen. Auch deshalb hat der UN-Sicherheitsrat inzwischen grünes Licht für eine Militäroperation gegeben. Rund 3.000 Soldaten aus den Nachbarstaaten sollen den Norden des Landes wieder unter Kontrolle bringen. Die Übergangsregierung im Süden gilt als schwach und als nicht in der Lage, selbst etwas zu unternehmen. Noch unübersichtlicher wird die Situation nun, da der Ministerpräsident erst verhaftet wurde und danach seinen Rücktritt erklärt hat.

    - Wurde der Ministerpräsident von seinem Widersacher zum Rücktritt gezwungen? Das habe ich vor wenigen Minuten Annette Lohmann gefragt, die Repräsentantin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Malis Hauptstadt Bamako.

    Annette Lohmann: Er ist von Soldaten, die den Putschisten nahestehen, zum Rücktritt heute Nacht gezwungen worden. Er hat diesen dann verkündet, wie auch den Rücktritt der gesamten Regierung. Und er ist im Moment wieder frei. Er ist wohl zuhause und kann sich soweit frei bewegen. Aber im Moment hat Mali keine Regierung und es herrscht ein Machtvakuum in Bamako vor.

    Barenberg: Haben wir es mit einem weiteren Putsch in dem Land zu tun?

    Lohmann: Das ist unklar. Ich bin im Moment etwas zögerlich, davon zu sprechen, dass es sich um einen weiteren Putsch handelt, denn die Putschisten haben noch nicht sichtbar die Macht übernommen. Und ich denke, die nächsten Stunden werden auch entscheidend dafür sein, für diese Bewertung, denn nun kommt es auf den Präsidenten an, denn es gibt ja noch einen Präsidenten, der im Amt ist. Und nur dieser kann einen neuen Premierminister beziehungsweise eine neue Regierung ernennen. Und wenn dieser das nun vornimmt, dann, denke ich, ist das ein Indikator dafür, dass es sich nicht um einen weiteren Putsch handelt. Sollten die Putschisten allerdings selber nun einen neuen Premierminister verkünden, dann könnte man schon eher von einem neuen Putsch sprechen.

    Barenberg: Was bedeutet die Situation für ein Land, das ohnehin seit Längerem quasi gespalten ist, weil im Norden des Landes Rebellen ein großes Gebiet kontrollieren? Wie viel schwieriger wird es jetzt innenpolitisch für Mali?

    Lohmann: Mali benötigt ganz dringend politische Stabilität, vor allem in Bamako, damit man sich endlich der eigentlichen Krise, nämlich der Krise im Norden, widmen kann. Und die Ereignisse von heute Nacht sind im Grunde der neue Höhepunkt einer seit Wochen und seit Monaten anhaltenden Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Lagern. Und es ist jetzt ganz wichtig, dass diese Spaltung überwunden wird, dass es eine neue Regierung gibt, eine Regierung, die auch entschlossen ist, die geeint ist, die genügend Unterstützung hat, die stark ist und die wirklich eine Regierung auch der nationalen Einheit ist, damit man die Krise im Norden angehen kann. Im Moment ist das alles nicht der Fall, aber dies wird dringend benötigt.

    Barenberg: Dieses Machtvakuum, von dem Sie sprechen, und der Streit, die Absetzung, der erzwungene Rücktritt des Ministerpräsidenten, wie viel hat all das damit zu tun, dass der eine, nämlich der Ministerpräsident, für den geplanten Militäreinsatz im Norden war und der andere, der ihn jetzt hat absetzen lassen, dagegen?

    Lohmann: Genau. Im Kern steht die Frage der Rückeroberung des Nordens. Und es hieß, der abgesetzte Premierminister hatte sich sehr stark für eine internationale Unterstützung stark gemacht, inklusive ausländischer Truppen. Das malische Militär hingegen setzt auf eine Intervention ohne ausländische Truppen, da sie befürchten, sonst an Einfluss zu verlieren und an den Rand gedrängt zu werden. Und in der Tat geht man davon aus, dass diese Frage des Wie und mit wem entscheidend war, dass das Verhältnis zwischen den Putschisten und dem Premierminister letztlich zerbrochen ist und heute Nacht dann eskaliert ist.

    Barenberg: Der UN-Sicherheitsrat, Frau Lohmann, hat ein entsprechendes Mandat für einen solchen militärischen Einsatz beschlossen. Derzeit sind die Vereinten Nationen damit beauftragt und damit beschäftigt, entsprechende Planungen in der Region voranzutreiben. Da gibt es auch Streit, aber die Planungen laufen. Können die jetzt fürs erste gestoppt werden, weil es im Moment keine Aussicht gibt, dass man gegen den Norden geschlossen vorgehen kann?

    Lohmann: Ja, es ist noch zu früh. Man kann im Moment diese Frage noch nicht seriös beantworten. Wir müssen abwarten, welche Entwicklung es jetzt gibt. Es ist wie gesagt essenziell, dass der Präsident sich jetzt zu Wort meldet und eine neue Regierung einsetzt. Dann, denke ich, wäre die Voraussetzung auch gegeben, dass die internationale Unterstützung weiterlaufen kann, aber das müssen wir jetzt erst einmal abwarten.

    Barenberg: Haben Sie denn – dies zum Schluss, Frau Lohmann – Hoffnung, dass es so etwas wie einen innenpolitischen Kompromiss, eine Befriedung geben kann?

    Lohmann: Das ist durchaus möglich. Es ist möglich, dass jetzt die verschiedenen politischen Akteure, die sich seit Monaten relativ unversöhnlich gegenüberstehen, ein Einsehen haben und sehen, dass es so nicht weitergeht. Und dass es nun an der Zeit ist, sich zu verständigen und vereint vorzugehen, um eben die Krise im Norden zu lösen. Insofern kann es durchaus sein, dass die Ereignisse von heute Nacht auch eine gewisse innenpolitische Chance bieten. Und ich hoffe, dass sich das so bewahrheiten wird.

    Barenberg: Annette Lohmann, die Vertreterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Malis Hauptstadt Bamako.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.