Archiv

Lage in Somalia
Drohnen, Dschihad und lukrative Geschäfte

Somalia hat erst seit 2012 wieder eine international anerkannte Regierung. Weite Teile des Landes kontrolliert aber immer noch die Shabaab-Miliz. Ihr Ziel: ein islamischer Gottesstaat. Regelmäßig verübt die Terrorgruppe schwere Anschläge. Daran hat auch der Drohnenkrieg der USA in Somalia wenig geändert.

Von Bettina Rühl |
    Zahlreiche Menschen nehmen am 18. Oktober im Stadion von Mogadischu an einer Demonstration teil. Auslöser war eine Terror-Attacker mit einer Autobombe in Mogadischu wenige Tage zuvor.
    Immer wieder demonstrieren die Menschen in Somalia gegen den Terror der Shabaab-Milizen (AFP / Mohamed Abdowahab)
    Die Kinder laufen unbefangen zwischen den Wellblechhütten herum, sie haben sich halbwegs eingewöhnt. Isha Abdule Isaaq dagegen hat sich noch nicht damit abgefunden, dass sie jetzt in einem Flüchtlingslager lebt, obwohl sie schon seit vier Wochen hier ist. Die Enge in dem Lager in der somalischen Hauptstadt Mogadischu stört die Bäuerin immer noch, vor allem die Enge und stickige Hitze in der Wellblechhütte, in der sie jetzt lebt. Gleichzeitig ist sie dankbar, dass sie immerhin dieses Wellblechdach über dem Kopf hat: Andere Flüchtlinge sind in ihrer Hütte enger zusammen gerückt, um Platz zu machen für Isaaq und ihre Familie.
    "Ich bin von zu Hause geflohen, weil man Mann getötet wurde. Er war derjenige, der die Familie ernährt hat, er hat auf dem Feld gearbeitet, das wir gepachtet haben. Nach seinem Tod wusste ich nicht, wie ich die Familie durchbringen soll. Ich ziehe die vier Kinder meines verstorbenen Bruders auf, sie sind noch klein und können mir nicht helfen. Ich hatte gehofft, dass in dem Flüchtlingslager Lebensmitteln verteilt würden, aber wir kriegen nichts."
    In Somalia sind landesweit etwa 800.000 Menschen auf der Flucht: vor Hunger, Dürre, Überschwemmungen und Krieg. Allein 5.000 von ihnen haben in dem Lager "Malable" - auf Deutsch "Honig" - Zuflucht gesucht, genauso wie Isha Abdule Isaaq. Ihr Mann starb vor vier Wochen in ihrem Heimatdorf Bariire, etwa 60 Kilometer von Mogadischu entfernt.
    "Die Kämpfe fingen am frühen Morgen an, wir waren um diese Zeit noch zu Hause. Wir hörten die Schüsse und sahen die Soldaten im Dorf. Sie waren mit grauen Militärhubschraubern gekommen. Ein Querschläger traf meinen Mann in den Kopf. Er war sofort tot."
    Die Soldaten wollten ihre Identität offensichtlich verbergen. "Sie trugen Gesichtsmasken, aber ihre Hände waren nicht bedeckt. Es waren weiße und schwarze Soldaten."
    Somalia soll ein islamischer Staat werden
    An den Hubschraubern sah Isaaq keine Hoheitszeichen. Vielleicht gab es keine, vielleicht hat die 56-Jährige sie nur nicht erkannt. Vermutlich waren die Weißen US-Amerikaner, denn die USA sind derzeit die einzige westliche Nation, die in Somalia mit Kampftruppen vor Ort ist. Das US-Militär hat im November die Präsenz von 500 Soldaten bestätigt. Bariire gilt als Hochburg der islamistischen Shabaab-Miliz, die zum Terrornetzwerk Al-Qaida gehört.
    Die Miliz kämpft gegen die somalische Regierung und für die Einsetzung eines islamischen Staates. Die Terrorgruppe verübt regelmäßig schwere Anschläge auf Zivilisten und Einrichtungen der Regierung. Daran hat auch die Präsenz einer 22.000–köpfigen afrikanischen Eingreiftruppe namens AMISOM, die seit 2007 im Land ist, wenig geändert.
    Aktiv in die Kämpfe involviert sind die USA. Das US-Militär führt in Somalia schon seit einigen Jahren einen regelrechten Drohnenkrieg gegen die islamistische Miliz, als Teil ihres internationalen Krieges gegen den Terror. Die somalische Armee sei am Kampf gegen die Islamisten beteiligt, sagt Abdulaziz Ali Ibrahim. Er ist Sprecher des somalischen Innenministeriums.
    "Wir werden vor jeder Aktion informiert. In einigen Fällen haben wir das US-Militär um eine Intervention gebeten - nicht durch den Einsatz von Bodentruppen, sondern durch Luftschläge. Dabei setzen sie natürlich keine Kampfjets ein, sondern Drohnen."

    Der Anti-Terrorkrieg aus der Luft wird von Bodentruppen unterstützt. "Am Boden kämpft die somalische Armee. Unsere Soldaten führen die Angriffe gegen die Shabaab-Miliz aus."
    Allerdings hat die Bäuerin Isaaq von Weißen berichtet, die am Angriff auf ihr Heimatdorf Bariire beteiligt gewesen wären. Andere Augenzeugen oder Überlebende von Angriffen sagen ebenfalls, sie hätten vor Ort weiße Soldaten gesehen.
    Das gilt auch für eine frühere Militäraktion in Bariire, die Ende August letzten Jahres stattfand. Damals stürmten somalische Soldaten und eine handvoll US-amerikanische "Special Operators" ein Gehöft und töteten zehn Menschen. Unter den Opfern waren drei Jungen im Alter zwischen acht und zehn Jahren. Die somalische Regierung bestritt zunächst, dass es zivile Opfer gegeben habe, musste sich aber später korrigieren. Angehörige brachten die Leichen der Opfer aus Protest nach Mogadischu. Auch die US-Kommandozentrale für Afrika, die in Stuttgart ansässige Africom, bestätigte später den gemeinsamen Angriff von US-amerikanischen und somalischen Soldaten.
    Sicherheitskräfte schauen in Mogadischu auf das Wrack eines explodierten Kleinbusses.
    Immer wieder verüben Shabaab-Milizen Anschläge in Somalias Hauptstadt Mogadischu (AFP / Abdi Hajji Hussein)
    Schwache somalische Regierung
    Nach den zivilen Opfern solcher Angriffe gefragt, erklärte der somalische Präsident Abdullahi Mohamed Farmajo gegenüber der BBC: "Es ist wirklich bedauerlich, dass bei solchen Angriffen Zivilisten verletzt werden. Aber ich weiß ganz sicher, dass die USA alles tun, was in ihrer Macht steht um zu verhindern, dass Zivilisten zu Schaden kommen."
    Die somalische Bevölkerung nimmt das womöglich anders wahr. So schworen die Clan-Ältesten von Bariire Vergeltung für die Militäraktion vom vergangenen August - der somalischen Regierung und deren Verbündeten. Die Clan-Ältesten haben ihre Drohung vermutlich wahr gemacht und sich für ihren Vergeltungsschlag mit der Shabaab-Miliz zusammen getan. Jedenfalls haben somalische Ermittler mehrere Hinweise darauf, dass der bislang verheerendste Anschlag in Somalia ein Racheakt war für den US-Militäreinsatz und die zivilen Opfer von Bariire. Bei der Explosion einer LKW-Bombe im Zentrum von Mogadischu wurden am 14. Oktober weit über 500 Menschen getötet, hunderte weitere verletzt. Nach Erkenntnissen der somalischen Sicherheitskräfte stammte der Fahrer des sprengstoffgeladenen LKW aus Bariire. Abdulaziz Ali Ibrahim, der Sprecher des somalischen Innenministeriums, sieht in dem Anschlag aber vor allem einen Beleg dafür, dass die Politik seiner Regierung die richtige ist.
    "Wir haben gegen Al-Shabaab gekämpft, und wir kämpfen immer noch gegen sie. Wir wollen erreichen, dass es nie wieder solche furchtbaren Anschläge gibt. Wir haben in der Region Lower Shebelle bereits einige ihrer Lager und Verstecke zerstört und ich hoffe, dass wir die Miliz bald völlig besiegen werden."
    Eine gewagte Behauptung. Die somalische Regierung ist politisch und militärisch immer noch schwach. Jahrzehntelang galt das ostafrikanische Land als Paradebeispiel für einen gescheiterten Staat. Seit 2012 hat Somalia zwar wieder eine international anerkannte Regierung, aber die Shabaab-Miliz kontrolliert immer noch weite Teile des Landes. Die somalische Regierung ist im Kampf gegen die Terrormiliz höchstens der regionale Junior-Partner der US-Administration unter Präsident Donald Trump.
    "Präsident Trump überträgt der CIA deutlich mehr Befugnisse, Drohnenangriffe auszuüben, als sie das bisher hatte. Das wird vermutlich einen Machtkampf zwischen der CIA und dem Pentagon auslösen."

    Das berichtete der Fernsehkanal der US-amerikanischen Tageszeitung Wall Street Journal schon im März 2017. "Die Befugnisse, die Trump der CIA gegeben hat, verändern grundlegend die institutionellen Rahmenbedingungen des Drohnenkrieges, die von der Obama-Administration festgelegt wurden."
    Somalische Soldaten bereiten sich am 07.02.2017 in Mogadischu auf die Sicherung der Hauptstadt vor. Unter stark verschärften Sicherheitsvorkehrungen wählt das somalische Parlament einen neuen Präsidenten.
    Somalische Soldaten im Kampf gegen die Shabaab-Milizen und bei der Sicherung der Hauptstadt (dpa/picture-alliance/Farah Abdi Warsameh)
    Islamisten mit Drohnen töten
    US-amerikanischen Medien zufolge lockerte Trump außerdem die Regeln für den Einsatz von Kampfdrohnen außerhalb konventioneller Schlachtfelder. Nun dürfen auch mutmaßliche Islamisten mit Drohnen getötet werden, die nur der Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe verdächtig werden, die also nicht als Führungsfiguren gelten oder als Spezialisten mit besonderen Fähigkeiten. Menschenrechtsgruppen, darunter Amnesty International und Human Rights Watch, kritisierten im März, dass die Trump-Administration die neuen Regeln nicht öffentlich macht.
    Sicher ist: US-amerikanische Drohnen töten in Somalia immer häufiger. Nach eigenen Angaben hat das US-amerikanische Militär allein 2017 über 30 Drohnenangriffe durchgeführt, mehr als doppelt so viele wie 2016. Diese Zahl sei noch deutlich untertrieben, meint die britische Tageszeitung "The Guardian". Die Redaktion wertete alle öffentlich zugänglichen Daten aus und zählte 34 Drohnenangriffe allein in der zweiten Hälfte 2017. Ein drastischer Zuwachs: in nur sechs Monaten doppelt so viele Angriffe wie im gesamten Vorjahr.
    Über die Zahl der Opfer gibt es keine bestätigten Angaben. Das "securitydata.newamerica.net" wertet aber die öffentlichen Quellen aus. Demnach gab es im vergangenen Jahr 18 zivile Opfer, außerdem starben 238 Shabaab-Mitglieder. Hinzu kommen die Opfer von Militäraktionen mit Bodentruppen, wie in Bariire.
    "Wir haben keine Bestätigung dafür, dass bei solchen Militäraktionen Zivilisten getötet wurden. Entsprechende Behauptungen gehören zur Taktik der Shabaab-Miliz, um Aufmerksamkeit in Somalia und im Rest der Welt zu bekommen. Wenn es irgendwelche Angriffe gegen sie gibt und wir sie schlagen, versuchen sie, den Toten die Uniformen auszuziehen und sie in zivile Kleidung zu stecken. Dann behaupten sie, Zivilisten wären getötet worden. Aber das stimmt nicht."
    Außerdem sagt der Sprecher des somalischen Innenministeriums, er kenne weder die Zahl der Drohnenangriffe, noch der getöteten Islamisten. Dass er so ausweichend antwortetet, hat einen Grund: Der US-amerikanische "Anti-Terrorkrieg" ist in Somalia umstritten, auch erklärte Gegner der islamistischen Shabaab-Miliz lehnen ihn ab. Nicht zuletzt, weil sie die Zahl der zivilen Opfer der Drohnenangriffe für zu hoch halten. Eine Studie des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen UNDP untermauert die Bedenken der Kritiker.
    Massives Unrecht und Radikalisierung
    Das UNDP hat 2017 untersucht, warum sich Menschen radikalisieren und Mitglieder von islamistischen Terrorgruppen werden. Gut 70 Prozent der Interviewten schlossen sich einer Terrorgruppe an, nachdem sie von der Regierung oder der Armee ihres Landes massives Unrecht erfahren hatten. Beispielsweise waren ein Angehöriger oder ein Freund getötet oder verhaftet worden.
    Für Somalia und den dortigen "Anti-Terrorkrieg" lässt das nichts Gutes hoffen. Aber hätten die somalische Regierung und ihre Verbündeten überhaupt eine andere Möglichkeit, gegen die Shabaab-Miliz zu kämpfen?
    Es ist Freitag, der wöchentliche Feiertag im muslimischen Somalia. Am Lido, dem Strand von Mogadischu, herrscht Hochbetrieb. Junge Männer und Frauen flanieren durch den Sand oder kühlen sich in dem türkisfarbenen Meer, die Frauen voll bekleidet. Die Restaurants am Lido werden besonders häufig Ziel von Terroranschlägen der Shabaab-Miliz - gerade wegen ihrer Beliebtheit. Hier sind die Opferzahlen jedes Mal hoch. Und die Terrorgruppe kann sich sicher sein, dass sie die erhoffte Aufmerksamkeit wirklich bekommt.
    Als Treffpunkt hat Hussein ein Restaurant an dieser Strandpromenade vorgeschlagen, weil in dem bunten Treiben niemand darauf achtet, wer sich hier mit einer Weißen trifft. Das Gespräch findet in einem abgeschlossenen Raum statt, weil Hussein keine weiteren Zuhörer will. Hussein war sechs Jahre lang ein Emir der Islamisten, also einer der Führer. Er sagt, er sei vor knapp zwei Jahren ausgestiegen. Jetzt fürchtet er die Rache seiner ehemaligen Waffenbrüder, die ihn als Verräter verfolgen. Deshalb will er seinen wahren Namen nicht öffentlich machen, er heißt eigentlich anders als Hussein. Am Ende, sagt er, sei er enttäuscht gewesen vom "wahren Gesicht" der Islamisten.
    "Ich hatte gedacht, dass diese Menschen auf dem rechten Pfad sind, dass sie Gerechtigkeit üben. Aber während meiner Zeit bei ihnen wurde ich immer häufiger Zeuge davon, dass sie ungerecht handeln. Ich habe zum Beispiel mehrfach gesehen, wie sie Frauen als vermeintliche Ehebrecherinnen gesteinigt haben, ohne eindeutige Beweise dafür zu haben, dass diese Frauen sich wirklich schuldig gemacht hatten. Im Grunde haben sie oft einfach nur so getötet. Als mir das klar geworden ist, bin ich ausgestiegen. Ich lehne Ungerechtigkeit ab."
    Vermummte Mitglieder der Al-Schabaab-Miliz in Somalia stehen in einer langen Reihe.
    Die Shabaab-Milizen in Somalia erpressen Unternehmer, um sich finanzieren zu können (dpa/picture-alliance/Badri Media)
    Finanzierung der Terrormiliz
    Aus seiner alten Heimat Jana’ale ist er regelrecht geflohen, um seiner Hinrichtung durch die einstigen Glaubensbrüder zu entgehen. Seitdem lebt er auf dem Gebiet der somalischen Regierung, mit der er einen Deal hat: Informationen über Mitglieder und Strategien der Miliz gegen Straffreiheit. Hussein trägt eine gelbe Häkelkappe, ein altes Hemd und eine alte Hose. Sein rundes Gesicht wirkt offen und freundlich, sein Auftreten ist großväterlich. So wenig er heute noch wie ein radikaler Islamist wirkt, so groß war sein Einfluss, als er noch dabei war: Hussein war Finanzdirektor der Shabaab-Miliz in seiner Heimatregion Lower Shebelle.
    "Die Shabaab-Miliz sammelt Steuern von den Geschäftsleuten. Wir fordern von allen großen Unternehmen Geld. Am meisten von Telefon- und Internetunternehmen. Wie viel wir verlangen, hängt von der Größe des Unternehmens ab. Normaler Weise fordern wir mindestens 5.000 Dollar im Monat."
    Die Miliz habe bis heute in jedem Unternehmen ihre Informanten, so dass sie die Wirtschaftskraft abschätzen könne. Die höchste Summe, die sie zu seiner Zeit von einem einzelnen Unternehmen als Steuer gefordert hätten, seien 50.000 US-Dollar im Monat gewesen. Das Geld dient der Finanzierung der Miliz.
    "Wer nicht zahlen wollte, wurde bedroht. Die Miliz schickte dann einen Selbstmordattentäter oder verübte einen anderen Anschlag. Wer sich weigerte, bekam also die Folgen zu spüren. Weil das jeder wusste, zahlten alle."
    Das sei bis heute so, sagt Hussein. Glaubt man ihm, haben die regelmäßigen Anschläge nicht nur ideologische Gründe, sondern wirtschaftliche: Es sind Sanktionen gegen diejenigen, die der Terrorgruppe die Zahlung von Schutzgeld, auch Steuern genannt, verweigern. So kommen riesige Summen zusammen.
    "In Jana’ale war zum Beispiel jede Woche Donnerstag Markt. Jeder, der Vieh zum Verkauf brachte, musste dafür Steuern bezahlen. Am Markttag haben wir regelmäßig 15.000 Dollar eingenommen. Allein an diesem einen Wochentag! Die Steuern, die jeder Haushalt bezahlen musste, kamen noch dazu."
    Weil er für Mogadischu nicht zuständig war, kann er nur schätzen, was in der Hauptstadt zusammen kommt.
    "Ich schätze, das sind im Monat zwischen fünf und 15 Millionen Dollar. Denn wenn man genau hinguckt stellt man fest, dass nicht nur Unternehmen zahlen. Sondern womöglich auch Abgeordnete und andere Politiker. Regierungsmitglieder. Jeder, der sich lieber sicher fühlt, zahlt. Es gibt viele die sich sagen: Ich verzichte lieber auf das Geld und habe dann meine Ruhe."
    Ein Art Mafia im Staat
    Aus Husseins Schilderung ergibt sich das Bild einer sehr gut funktionierenden und ziemlich effizienten Organisation - ganz im Unterschied zum somalischen Staat. Und von einer Gesellschaft, in der immer noch die Angst regiert - auch in der Hauptstadt Mogadischu, obwohl die doch eigentlich von der Regierung kontrolliert wird.
    Die Shabaab-Miliz ist längst eine Art Mafia-Organisation, sie hat die somalische Gesellschaft durchdrungen und bestimmt ihre Gesetze. Ihre wahre Macht fußt auf der Verbindung zwischen Selbstmordattentätern und einem engmaschigen Netz von Informanten. Schlimmer noch: Die Shabaab-Miliz lässt sich mittlerweile von Geschäftsleuten anheuern, um deren Konkurrenten zum Schweigen zu bringen, sagt Hussein.
    "Anfangs war das noch nicht so, aber neuerdings interessiert sich die Miliz immer mehr dafür, wie sie Geld verdienen kann. Sie ist bereit, für Geld alles zu tun. Wenn sie den Auftrag kriegen, jemanden zum Schweigen zu bringen, muss sie oft noch nicht einmal töten. Es reicht, wenn sie denjenigen anrufen und sagen: 'Dieses oder jenes Geschäft gibst du besser auf.' Jeder weiß was passiert, wenn man solche Aufforderungen der Shabaab ignoriert, deshalb reicht meist eine solche Drohung. Und die Auftraggeber sind auch zufrieden: Ihr Konkurrent ist aus dem Weg geräumt, ohne dass er getötet wurde."

    Während viele Viertel in Mogadischu immer noch in Trümmern liegen, entstehen in anderen Stadtteilen luxuriöse Gebäude. Wie die schicke Mogadischu Mall, eröffnet im vergangenen Herbst. In den weiß gefliesten Wänden spiegeln sich die leuchtenden Schriftzüge der Geschäfte. Verkauft werden Schmuck und Kleidung, vor allem aus Dubai. In Mogadischu boomt der Immobilienmarkt. Einheimische erzählen, dass ein Gebäude in der Via Roma, einer kleinen Altstadt-Straße, immerhin eine Million US-Dollar koste. Und dass die Miete für eine Vier-Zimmer-Wohnung bis zu 1000 Dollar kostet, also ähnlich hoch ist wie in Europa.
    Somalische Sicherheitskräfte vor dem Anschlagsort in Mogadischu am 30. Juli 2017
    Viele Gegenden der Hauptstadt Mogadischu müssen neu aufgebaut werden wegen der Terroranschläge (AFP PHOTO / STR)
    Krieg, ein Geschäft
    In Mogadischu kontrastiert die krasse Armut von Flüchtlingen wie der Bäuerin Isaaq mit extremem Reichtum. Mancher weiß den Terror für seine Geschäfte zu nutzen. Heuert Killer an, die als angebliche Shabaab-Mitglieder geschäftlichen Konkurrenten des Auftraggebers aus dem Weg räumen. Der Sprecher des Innenministeriums:
    "Das ist möglich, ich gebe Ihnen Recht, das ist möglich. Die Shabaab-Miliz ist nicht unser einziges Problem. Wir werden unser Territorium Stück für Stück von der Shabaab zurückerobern. Anschließend werden wir uns dem zuwenden, was sonst noch ansteht. Wir haben noch eine Menge vor uns."
    Für viele ist der Krieg ein gutes Geschäft, und das gilt auch für die Islamisten. Einige Geschäftsleute profitieren von der Schwäche des Staates, der den Markt und die Wirtschaft nicht reguliert, kaum Steuern eintreibt. Mit Drohnenangriffen ist dieses System, zu dem Drohungen und Terror gehören, nicht zu zerstören. Sondern mit einem starken Staat, der Regeln setzt und durchsetzt. Und einer funktionierenden Justiz, die Gewaltverbrechen aufklärt und gegen die Täter vorgeht.