Muhammed Abu Ridan ist zehn Jahre alt. Er wurde geboren, als Syrerinnen und Syrer damit begannen, sich gegen das Assad-Regime zu erheben. In den ersten Jahren seines Lebens hatte es noch ein wenig Normalität gegeben.
"Wir hatten ein Haus, und ich bin jeden Tag zur Schule gegangen und habe gelernt. Dann mussten wir fliehen. Sie haben unsere Schule zerstört und auch unser Zuhause."
Der Junge lebt mit seiner Familie in einem Flüchtlingslager im Norden der Provinz Aleppo. Ihr Heimatdorf sei von Regierungstruppen eingenommen worden, erzählt der Vater von Muhammed.
"Nachdem wir unser Dorf verließen, zogen wir von einem Ort zum nächsten – bis wir hier ankamen und der Junge damit begann, in einer Werkstatt zu arbeiten. Ich werde auch seinen Bruder zum Arbeiten schicken müssen. Das ist unsere Lage, ein erbärmlicher Zustand."
Für Zehn Euro im Monat
Wegen eines Herzleidens kann der Vater nicht arbeiten. Es ist der zehnjährige Muhammed, der die gesamte Familie ernährt, sich, seine Eltern und drei Geschwister. Zehn Stunden täglich arbeitet er in einer kleinen Fabrik, die Topfschwämme aus Stahl herstellt. Dafür erhält er im Monat umgerechnet zehn Euro. Von dem armseligen Zelt, in dem die Familie lebt, bis zur Fabrik sind es zehn Kilometer.
"Jeden Morgen um sechs stehe ich auf und laufe zur Arbeit. Manchmal hält ein Auto an und nimmt mich ein Stück mit. Nach Sonnenuntergang komme ich nach Hause, esse etwas und lege mich schlafen."
UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, schätzt, dass 90 Prozent aller Kinder in Syrien auf Nothilfe angewiesen sind, 20 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Innerhalb des Landes gehen knapp 2,5 Millionen Kinder nicht zur Schule. Jeder zweite Syrer im Land hat nicht genug zu essen, 80 Prozent aller Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze.
Die Versorgung der Menschen fällt internationalen Hilfsorganisationen nicht leicht. Das Geld ist knapp, und einige der Konfliktparteien – vor allem das Assad-Regime – erschweren den Zugang zu den Bedürftigen. So gibt es zum Beispiel für Hilfslieferungen nur noch einen einzigen Grenzübergang, der nicht vom Regime kontrolliert wird. Das haben Russland und China im UN-Sicherheitsrat durchgesetzt.
"Eines der dunkelsten Kapitel der jüngeren Geschichte."
Für Geir Pedersen, dem UN-Sondergesandten für Syrien, ist es aber vor allem deprimierend, dass es den Vereinten Nationen trotz jahrelanger Versuche nicht gelang, den Konflikt einer Lösung näherzubringen.
"Die Welt hat es nicht geschafft, die Syrer zu unterstützen und sie vor dem zu bewahren, das der UN-Generalsekretär als Albtraum bezeichnet hat. Im Namen der Vereinten Nationen bedaure ich es zutiefst, dass wir bislang außerstande waren, in diesem tragischen Konflikt zu vermitteln. Die syrische Tragödie ist eines der dunkelsten Kapitel der jüngeren Geschichte."
Viel zu lösen gibt es ohnehin nicht mehr, zumindest nicht mit Blick auf die großen Konfliktlinien. Mit Hilfe der russischen Armee ist es Assad gelungen, an der Macht zu bleiben und einen großen Teil des Landes wieder unter seine Kontrolle zu bringen. In den Nordwesten ist die Türkei einmarschiert. Den Nordosten kontrolliert eine von Kurden geführte Miliz, die von den USA unterstützt wird. Und die Region um Idlib wurde zum letzten großen Gebiet von Aufständischen. Auch hier sind türkische Soldaten stationiert.
Nichts weist darauf hin, dass mittelfristig Bewegung in diese Konstellation kommen könnte. Und wo Einfluss und Macht wichtiger sind als das Wohl von Menschen, leidet vor allem die Zivilbevölkerung.
Nichts weist darauf hin, dass mittelfristig Bewegung in diese Konstellation kommen könnte. Und wo Einfluss und Macht wichtiger sind als das Wohl von Menschen, leidet vor allem die Zivilbevölkerung.
"Die Welt soll sich anschauen, was dem syrischen Volk angetan wurde."
So wie Abdel Razzak al-Khatoun, ein Bauer aus der Provinz Hama. Seine Frau kam bei einem Raketenangriff ums Leben. Aber der 84-Jährige verlor in dem Krieg auch 13 Söhne. Heute lebt er mit einigen seiner Schwiegertöchter und 12 Enkelkindern in einem Flüchtlingscamp. Er sei froh, dass er sich um die Kinder kümmern könne, sie würden ihm Mut machen.
"Wir haben viele Schicksalsschläge erlebt, aber Gott gab mir Kraft. Für mich ist wichtig, dass ich die Kinder heranwachsen sehe. Ich möchte, dass sie ebenfalls stark werden."
Wie Millionen andere im Land kann Abdel Razzak al-Khatoun ohne Nothilfe nicht überleben. Für die Enkelkinder wünscht er sich, dass sie eine Zukunft haben.
"Ich appelliere an die Araber und die ganze Welt. Wir wollen Gerechtigkeit! Die Welt soll sich anschauen, was dem syrischen Volk angetan wurde."
"Ich appelliere an die Araber und die ganze Welt. Wir wollen Gerechtigkeit! Die Welt soll sich anschauen, was dem syrischen Volk angetan wurde."