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Lage in Venezuela
"Dann könnte es zu Hungerrevolten kommen"

Über Venezuela liege momentan eine "gespannte Ruhe", sagte Klaus Ehringfeld. Die Menschen warteten darauf, wer von den Akteuren den nächsten Schritt oder den nächsten Fehler mache, sagte der Lateinamerika-Korrespondent im Dlf. Sollten Staatschef Maduro aber die Devisen ausgehen, drohten große Aufstände.

Klaus Ehringfeld im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Anhänger von Juan Guaidó demonstrieren in Caracas friedlich gegen die Regierung von Nicolás Maduro.
    Anhänger von Juan Guaido demonstrieren in Caracas friedlich gegen die Regierung von Nicolás Maduro (picture alliance / Adrien Vautier)
    Über dem Land liege momentan eine "gespannte Ruhe", sagte Klaus Ehringfeld, der aktuell in Caracas weilt und dort unter anderem für Spiegel Online und das Handelsblatt arbeitet. Die Menschen würden genau verfolgen, was die Akteure machen und darauf warten, wer den nächsten Schritt oder den nächsten Fehler mache.
    Die Zahl der Unterstützer von Interimspräsident Juan Guaidó sei insgesamt höher als die von Maduro, sagte der freie Journalist. Aber Staatschef Nicolás Maduro habe seine Anhänger, die er durch Abhängigkeiten, zum Beispiel durch Lebensmittellieferungen, an sich und die Regierung binde. Der Frust und die Not seien in Venezuela aber so groß, das immer mehr Menschen ins Lager von Guaidó überliefen.
    Täglicher Überlebenskampf wichtiger als Politik
    Dass es auf den Demonstrationen überwiegend friedlich bleibe, könne zwei Gründe haben, sagte der Mittelamerika-Korrespondent. Maduros Sicherheitskräfte könnten ihm signalisiert haben, dass sie nicht mehr auf die Leute schießen und sie niederprügeln wollten. Die zweite Variante: Maduro wolle die internationale Gemeinschaft milde stimmen.
    Die Menschen schienen nach Eindruck des Lateinamerika-Experten, als hätten sie keine große Sorge vor einem Bürgerkrieg. Die Einheimischen hätten viel größere Sorge, wie sie überlebten, wie sich ausreichend zu Essen auftreiben oder Schuhe für ihre Kinder finden würden.
    "Das tägliche Überleben ist so vordringlich, dass oftmals für die Politik nicht so viel Zeit übrig bleibt", sagte Ehringfeld im Dlf.
    Fragezeichen hinter den Hilfslieferungen
    Eine große Frage sei auch, was mit den Hilfslieferungen passiere, die von außen ins Land gebracht werden sollen.
    "Die Frage ist, was macht das Militär? Setzt das den Befehl der Regierung um und sagt, es gibt keine humanitäre Notlage in unserem Land. Lassen sie aber Nahrungsmittel rein, sind sie ja praktisch der Regierung abtrünnig und die Miltärs folgen Maduro nicht mehr." Maduro stütze sich momentan einzig auf das Machtpotential des Militärs. Mehr habe Unterstützung habe er nicht.
    Ein weiterer wichtiger Punkt seien die Wirtschaftssanktionen der USA. Das habe zur Folge, dass die USA ihr Öl aus Venezuela nicht mehr bezahlten. Dabei gehe es um die Summe von täglich 300 bis 350 Millionen US-Dollar. Mit diesem Geld habe Maduro Benzin und Nahrungsmittelhilfe bezahlt. Wenn das Benzin nun in der nächsten Woche versiegen sollte, drohte dem Land ein Stillstand, sagte Ehringfeld. Dann drohte der Zusammenbruch der Nahrungsmittelversorgung. Das könnte zu Hungerrevolten und großen Aufständen führen. Das wäre wahrscheinlicher, als dass die Miltärs umkippten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.