„Vor der Kaserne, vor dem großen Tor, stand eine Laterne. Und steht sie noch davor …“ / … wie einst, Lili Marleen …"
Lale Andersen war Lili Marleen. Die blonde Norddeutsche, rauchiges Timbre, ungekünstelter Ton, wurde weltberühmt mit dem Abschiedslied eines Soldaten.
Lale Andersen hat es geliebt – und verflucht. Autogramm-Karten unterschrieb sie mit Lili Marleen – und versuchte vergeblich, nach dem Krieg, einmal nur, ein einziges Mal einen Abend zu geben ohne Lili Marleen, mit Liedern stattdessen von Goethe, Ringelnatz oder Kästner. Das Publikum schrie jedes Mal: „Vor der Kaserne“. Bis die Sängerin nachgab: „Also, das Lied, das ja nun einmal mein Schicksalslied wurde: ‘Lili Marleen" - doch wer war Lale Andersen? „Was geht Euch denn mein Leben an? Da hängt viel Freud und Tränen dran“ - stellte sie einmal klar.
Auf Kleinkunst- und Kabarettbühnen der Weimarer Zeit
Geboren wird Lale Andersen 1905 als Liese-Lotte Bunnenberg im heutigen Bremerhaven. Mit 17 heiratet sie den Maler Paul Ernst Wilke, sie bekommt drei Kinder, nimmt Schauspiel- und Gesangsunterricht und erhält kleine Engagements in Zürich, München und Berlin. Brecht gibt ihr eine Nebenrolle in Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny. Sie steht auf den Kleinkunst- und Kabarettbühnen der Weimarer Republik – dem Münchner „Simpl“, dem „Groschenkeller“ in Berlin.
Der Komponist Norbert Schultze erinnert sich: „Das war eine Zeit, wo sie entdeckt werden wollte, wo sie ihrem Mann weggelaufen war und ihren Kindern. Ich habe für Lale damals auch ein Lied geschrieben, Walter Mehring, ‚Die Kleine Stadt‘. Alles Kabarettistische in ihren Liedern war eben gut.“
Der erste Welt-Hit der Popgeschichte
Ein wirkliches Auskommen hat Lale Andersen nicht, das Tingeln von Auftritt zu Auftritt ist hart. 1938 dann schreibt Schultze für sie die Musik zu Versen des Dichters Hans Leip, „Lied eines Wachsoldaten“ ist der Titel. Dabei gibt es damals schon eine erste Vertonung durch den Komponisten Rudolf Zink, ein ganz leises, melancholisches „Vor der Kaserne, vor dem großen Tor …“
Diese Lili Marleen kennt heute kaum einer mehr. Die andere von Norbert Schultze, deren zackiger Rhythmus an marschierende Stiefel erinnert, wurde zum ersten globalen Megahit der Popgeschichte. Kein anderer Song wurde im 20. Jahrhundert in so viele Sprachen übersetzt.
Jäher Fall in Goebbels Ungnade
Lili Marleens Siegeszug beginnt 1941, nach dem Überfall der Deutschen auf Griechenland und Jugoslawien. Die Propagandakompanie der Wehrmacht gründet in Belgrad einen Soldatensender, jeden Abend um fünf vor zehn wird Lili Marleen gespielt. Das Lied verbindet die Landser an der Front mit ihren Frauen und Bräuten in der Heimat. Lale Andersens kometenhafter Aufstieg beginnt. Sie reist zur sogenannten Truppenbetreuung durch das von den Nazis besetzte Europa: Stettin, Königsberg, Kopenhagen. Zentnerweise erhält sie Fanpost.
Dann das plötzliche Ende. Es wird aufgedeckt, dass sie mit ihrem Lebensgefährten, dem Komponisten und späteren Intendanten der Hochschule für Theater und Musik Hamburg, Rolf Liebermann, Wertsachen und Dokumente emigrierter jüdischer Freunde aus Deutschland herausschmuggelt. Lale Andersen erhält Auftrittsverbot. Goebbels, eben noch hingerissen von dem Lied, verunglimpft Lili Marleen nun als „Schnulze mit Totentanzgeruch".
Nach dem Krieg hat Lale Andersen Erfolg mit kleineren Film-Rollen und Auftritten in Fernsehshows, sie singt populäre Schlager und Seefahrtslieder.
„Ich bin ein Mädchen aus Piräus und liebe den Hafen, die Schiffe und das Meer, …“
Lale Andersen stirbt am 29. August 1972 mit 68 Jahren an Krebs und wird auf der Insel Langeoog, ihrer Wahlheimat, beigesetzt. „Lili Marleen“ spielt man nicht bei der Trauerfeier. Das hatte sie so verfügt.