Gerd Breker: Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union kommen heute in Brüssel zu ihrem ersten Gipfeltreffen des Jahres zusammen, um sich mit der anhaltenden Schuldenkrise zu befassen. Zur Sprache kommen dürfte dabei auch die Lage im hoch verschuldeten Griechenland, da die Regierung in Athen offenbar vereinbarte Spar- und Reformziele nicht erreicht und vermutlich mehr Finanzhilfe als bisher angenommen benötigt. Im Vorfeld stellte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble klar, dass ohne die Umsetzung von Reformen in Griechenland weitere Finanzhilfen keinen Sinn machen, denn dann gäbe es gar keine Summe Geld, die das griechische Problem lösen könnte.
Wir haben es gehört: Griechenland erreicht die Sparziele nicht, Griechenlands Verhandlungen mit den privaten Gläubigern über einen Schuldenschnitt kommen auch nicht voran, Griechenlands Konjunktur liegt am Boden. In Deutschland wachsen die Zweifel, ob die Griechen es schaffen können. Und manch ein Zweifler fragt sich, ob die Griechen es schaffen wollen. Von Oberaufsicht ist die Rede, von einem Sparkommissar über dem griechischen Haushalt. Das sorgt dort für Unmut, das Bild der Deutschen nimmt in Hellas Schaden, weil die eigene Misswirtschaft angesichts des wachsenden Drucks insbesondere aus Deutschland in den Hintergrund rückt. Gespart wird, weil die anderen es wollen, so das Gefühl in Griechenland.
Am Telefon sind wir nun verbunden mit Alexander Graf Lambsdorff, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments, dort sitzt er für die FDP. Guten Tag, Herr Lambsdorff.
Alexander Graf Lambsdorff: Guten Tag, Herr Breker.
Breker: Wenn dies den Griechen nicht selbst gelingt, müssen Führung und Überwachung stärker von außen kommen, zum Beispiel durch die Europäische Union. Dieser Satz von Wirtschaftsminister Rösler weckte die Assoziation eines Sparkommissars, die Partei, die den deutschen Außenminister stellt, sie zerschlägt – wir haben es gerade gehört – eine Menge Porzellan.
Lambsdorff: Also, ich verstehe zwar auf der einen Seite, dass man sich in Griechenland ein wenig darüber aufregt. Auf der anderen Seite würde ich aber auch dazu raten, hier nicht zu übertreiben. Tatsache ist doch: Wir haben ja längst eine solche Aufsicht, sie wird durch die Troika ausgeübt, vom Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank und der Kommission. Das heißt, es gibt schon eine Art Aufsichtsfunktion. Auf deren Berichten, auf den Berichten der Troika beruhen ja die Entscheidungen, ob weitere Kredittranchen ausbezahlt werden.
Und dann haben wir noch eine weitere Einrichtung, das ist der Herr Reichenbach mit seiner Taskforce, der den Griechen dabei helfen soll, wieder auf die Beine zu kommen. Also, ich glaube, was da zum Teil intoniert worden ist von wegen Sparkommissar und so weiter, das war ja gar nicht der Punkt, sondern der Punkt ist, diese Aufsicht wirklich so effektiv zu machen, dass sie auch funktioniert.
Breker: Herr Lambsdorff, für Griechenland geht es ums Sparen, es geht um Strukturreformen, aber es geht auch um Investitionen, damit überhaupt so etwas wie Wirtschaftswachstum in Griechenland entstehen kann. Wie soll das denn heute in Brüssel behandelt werden?
Lambsdorff: Es sind ja zwei Dokumente heute in Brüssel in der Beratung. Das eine ist der Fiskalpakt, das andere ist die Erklärung der Staats- und Regierungschefs zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums. Und hier sind einige Punkte dabei. Herr Finthammer hat eben gesagt, das wäre alles alt bekannt. Manches davon ist in der Tat alt bekannt, anderes ist aber gut und sinnvoll.
Ich freue mich, dass der digitale Binnenmarkt zum Beispiel angesprochen wird, ich glaube, dass der Binnenmarkt für Energie weitergetrieben werden muss. Wir haben noch viel Potenzial in Europa, wo grenzüberschreitend die Zusammenarbeit nicht so gut funktioniert, wie sie funktionieren könnte. Und ich glaube, dass da wirklich noch Wachstumspotenzial drin schlummert.
Auf der anderen Seite muss man natürlich auch sagen, dass in Griechenland zunächst einmal auch Voraussetzungen für Investitionen wieder geschaffen werden müssen. Das Land leidet ja darunter, dass es eine miserable Verwaltung hat, dass es kein vernünftiges Grundbuch- und Katasterwesen hat. Das sind alles Dinge, die Herr Reichenbach hoffentlich mit seiner Taskforce jetzt in den nächsten Monaten aufs Gleis setzen kann.
Breker: Allerdings wird das eine Weile dauern, das geht nicht von heute auf morgen.
Lambsdorff: Sie haben völlig recht und das ist etwas, was vermutlich auch die Hörerinnen und Hörer immer wieder verwirrt: Auf der einen Seite redet man über kurzfristige Geschichten – das hat einfach damit zu tun, dass der Refinanzierungsbedarf für Staatsanleihen sich alle paar Monate erneut stellt, weil die Dinger auslaufen -, auf der anderen Seite hat man ein mittel- und langfristiges Projekt, nämlich eine Volkswirtschaft wettbewerbsfähig zu machen. Und das Ganze passt nicht immer zusammen. Aber ich glaube, es ist beides wichtig, dass man Griechenland einerseits hilft, nicht komplett zusammenzubrechen, was die Finanzen angeht, und auf der anderen Seite die Wettbewerbsfähigkeit fördert.
Breker: Griechenland braucht mehr Geld, der Rettungsschirm braucht mehr Geld, das haben wir aus Italien gehört, aus Spanien und auch vom Internationalen Währungsfonds. Dort heißt es, die Brandmauer sei nicht hoch genug. Kann Deutschland sich da auf Dauer verweigern?
Lambsdorff: Ich frage mich ehrlich gesagt, wo Frau Lagarde, wo Herr Monti und wo die anderen, die das intonieren, diese Gewissheit hernehmen, dass die sogenannte Firewall, also die Brandmauer nicht ausreicht. Die letzten Platzierungen von sowohl italienischen als auch spanischen Staatsanleihen am Markt haben Zinssätze ergeben, die absolut im normalen Bereich waren.
Insofern: Da gibt es überhaupt keinen Grund zur Beunruhigung. Ich glaube, wenn man den aktuellen ESM anguckt mit einer Ausleihekapazität von 500 Milliarden und den EFSF, also die Fazilität, dazurechnet mit 250 Milliarden, die noch zur Verfügung stehen, dann ist man bei einer Gesamtbrandmauer in Höhe von 750 Milliarden Euro.
Insofern glaube ich, auch hier gilt es, nicht zu übertreiben, sondern ganz klar darauf hinzuweisen: Es gibt eine Beschlusslage, es gibt eine vernünftige Brandmauer, die errichtet worden ist, da ist sehr viel Geld, was sozusagen im Schaufenster steht. Und ich glaube, dass die Märkte auch verstehen, die Europäer meinen es ernst, insbesondere was Italien und Spanien angeht, diese Länder werden definitiv geschützt.
Breker: Ein weiteres Thema hat der französische Präsident Sarkozy nach Brüssel getragen, nämlich das der Finanztransaktionssteuer. Er schreitet voran. Wird Deutschland dem folgen, wird Ihre Partei dem folgen?
Lambsdorff: Ich kann Herrn Sarkozy in seinem Wahlkampf da nur "bonne chance" wünschen, viel Glück für diesen französischen Alleingang. Die Schweden haben das ja schon einmal probiert, 1994, einen nationalen Alleingang mit einer Finanztransaktionssteuer. Das Ergebnis war, dass aus Stockholm sämtliche Transaktionen abmarschiert sind nach London, die finden dort statt. Die Schweden haben es dann hektisch wieder zurückgenommen, das Gesetz, aber das Geschäft war verloren. Insofern glaube ich, dass der Ansatz, den Sarkozy hier fährt, verfehlt ist.
In der Sache – und das will ich deutlich sagen – steht auch die FDP auf dem Standpunkt, dass es richtig ist, den Finanzsektor an der Finanzierung der Finanzkrise und ihrer Bewältigung insbesondere zu beteiligen. Aber bei einer solchen Finanztransaktionssteuer muss England mitmachen, weil 75 Prozent aller Finanztransaktionen in Europa in London stattfinden. Wenn wir die im nationalen Alleingang, oder auch nur im kontinentalen Alleingang, also ohne die Briten einführen, dann marschiert das restliche Geschäft auch noch nach London, London wird eine Steueroase und in Frankfurt gehen die Lichter aus. Das kann nicht im deutschen, das kann auch nicht im europäischen Interesse sein, einen solchen Schritt zu gehen.
Breker: Kann man nicht so eine Steuer so konstruieren, Herr Lambsdorff, dass sie dort anfällt, wo eben halt der Geldgeber sitzt. Und damit eine Flucht in andere Standorte, zum Beispiel nach London, gar nicht möglich wird?
Lambsdorff: Die Kommission hat das versucht mit dem Ansässigkeitsprinzip, aber das führt ja nur dazu, dass auch diejenigen, die das Geld geben, nach London ziehen, denn das Ganze wird ja von Bankhäusern durchgeführt.
Wenn die Deutsche Bank, die Abteilung in Frankfurt, ein solches Geschäft veranlasst, mal als Beispiel, es in London abwickelt, man aber sagt, okay, ihr sitzt in Frankfurt, also besteuern wir euch nach der kontinentalen Finanztransaktionssteuer, dann wird die Deutsche Bank sich das genau eine Woche anschauen und dann wird die Abteilung nach London verlegt.
Insofern: Mit dem Ansässigkeitsprinzip ist hier der Sache nicht geholfen. Ich bin auch erstaunt, muss ich ganz ehrlich sagen, über die Position der CDU und auch der Bundeskanzlerin in dieser Frage. Ich glaube, eine Finanztransaktionssteuer ohne England macht einfach keinen Sinn. Das Geschäft ist dort nicht reguliert, es ist genauso wenig reguliert wie in New York, Singapur oder Hongkong. Wir machen Frankfurt platt und machen London zur Steueroase, das kann nicht der Sinn der Sache sein. Was Herr Brüderle vorgeschlagen hat, macht erheblich mehr Sinn, dass man das nimmt, was die Briten schon haben, eine Börsenumsatzsteuer. Und dann eine Hemmung, eine Entschleunigung des Computerhandels, dass man das für ganz Europa einführt. Das wäre erheblich sinnvoller, weil dann England auch dabei wäre.
Breker: Im Deutschlandfunk die Meinung von Alexander Graf Lambsdorff, für die FDP im Europaparlament. Herr Lambsdorff, danke für dieses Gespräch.
Lambsdorff: Danke Ihnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Am Telefon sind wir nun verbunden mit Alexander Graf Lambsdorff, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments, dort sitzt er für die FDP. Guten Tag, Herr Lambsdorff.
Alexander Graf Lambsdorff: Guten Tag, Herr Breker.
Breker: Wenn dies den Griechen nicht selbst gelingt, müssen Führung und Überwachung stärker von außen kommen, zum Beispiel durch die Europäische Union. Dieser Satz von Wirtschaftsminister Rösler weckte die Assoziation eines Sparkommissars, die Partei, die den deutschen Außenminister stellt, sie zerschlägt – wir haben es gerade gehört – eine Menge Porzellan.
Lambsdorff: Also, ich verstehe zwar auf der einen Seite, dass man sich in Griechenland ein wenig darüber aufregt. Auf der anderen Seite würde ich aber auch dazu raten, hier nicht zu übertreiben. Tatsache ist doch: Wir haben ja längst eine solche Aufsicht, sie wird durch die Troika ausgeübt, vom Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank und der Kommission. Das heißt, es gibt schon eine Art Aufsichtsfunktion. Auf deren Berichten, auf den Berichten der Troika beruhen ja die Entscheidungen, ob weitere Kredittranchen ausbezahlt werden.
Und dann haben wir noch eine weitere Einrichtung, das ist der Herr Reichenbach mit seiner Taskforce, der den Griechen dabei helfen soll, wieder auf die Beine zu kommen. Also, ich glaube, was da zum Teil intoniert worden ist von wegen Sparkommissar und so weiter, das war ja gar nicht der Punkt, sondern der Punkt ist, diese Aufsicht wirklich so effektiv zu machen, dass sie auch funktioniert.
Breker: Herr Lambsdorff, für Griechenland geht es ums Sparen, es geht um Strukturreformen, aber es geht auch um Investitionen, damit überhaupt so etwas wie Wirtschaftswachstum in Griechenland entstehen kann. Wie soll das denn heute in Brüssel behandelt werden?
Lambsdorff: Es sind ja zwei Dokumente heute in Brüssel in der Beratung. Das eine ist der Fiskalpakt, das andere ist die Erklärung der Staats- und Regierungschefs zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums. Und hier sind einige Punkte dabei. Herr Finthammer hat eben gesagt, das wäre alles alt bekannt. Manches davon ist in der Tat alt bekannt, anderes ist aber gut und sinnvoll.
Ich freue mich, dass der digitale Binnenmarkt zum Beispiel angesprochen wird, ich glaube, dass der Binnenmarkt für Energie weitergetrieben werden muss. Wir haben noch viel Potenzial in Europa, wo grenzüberschreitend die Zusammenarbeit nicht so gut funktioniert, wie sie funktionieren könnte. Und ich glaube, dass da wirklich noch Wachstumspotenzial drin schlummert.
Auf der anderen Seite muss man natürlich auch sagen, dass in Griechenland zunächst einmal auch Voraussetzungen für Investitionen wieder geschaffen werden müssen. Das Land leidet ja darunter, dass es eine miserable Verwaltung hat, dass es kein vernünftiges Grundbuch- und Katasterwesen hat. Das sind alles Dinge, die Herr Reichenbach hoffentlich mit seiner Taskforce jetzt in den nächsten Monaten aufs Gleis setzen kann.
Breker: Allerdings wird das eine Weile dauern, das geht nicht von heute auf morgen.
Lambsdorff: Sie haben völlig recht und das ist etwas, was vermutlich auch die Hörerinnen und Hörer immer wieder verwirrt: Auf der einen Seite redet man über kurzfristige Geschichten – das hat einfach damit zu tun, dass der Refinanzierungsbedarf für Staatsanleihen sich alle paar Monate erneut stellt, weil die Dinger auslaufen -, auf der anderen Seite hat man ein mittel- und langfristiges Projekt, nämlich eine Volkswirtschaft wettbewerbsfähig zu machen. Und das Ganze passt nicht immer zusammen. Aber ich glaube, es ist beides wichtig, dass man Griechenland einerseits hilft, nicht komplett zusammenzubrechen, was die Finanzen angeht, und auf der anderen Seite die Wettbewerbsfähigkeit fördert.
Breker: Griechenland braucht mehr Geld, der Rettungsschirm braucht mehr Geld, das haben wir aus Italien gehört, aus Spanien und auch vom Internationalen Währungsfonds. Dort heißt es, die Brandmauer sei nicht hoch genug. Kann Deutschland sich da auf Dauer verweigern?
Lambsdorff: Ich frage mich ehrlich gesagt, wo Frau Lagarde, wo Herr Monti und wo die anderen, die das intonieren, diese Gewissheit hernehmen, dass die sogenannte Firewall, also die Brandmauer nicht ausreicht. Die letzten Platzierungen von sowohl italienischen als auch spanischen Staatsanleihen am Markt haben Zinssätze ergeben, die absolut im normalen Bereich waren.
Insofern: Da gibt es überhaupt keinen Grund zur Beunruhigung. Ich glaube, wenn man den aktuellen ESM anguckt mit einer Ausleihekapazität von 500 Milliarden und den EFSF, also die Fazilität, dazurechnet mit 250 Milliarden, die noch zur Verfügung stehen, dann ist man bei einer Gesamtbrandmauer in Höhe von 750 Milliarden Euro.
Insofern glaube ich, auch hier gilt es, nicht zu übertreiben, sondern ganz klar darauf hinzuweisen: Es gibt eine Beschlusslage, es gibt eine vernünftige Brandmauer, die errichtet worden ist, da ist sehr viel Geld, was sozusagen im Schaufenster steht. Und ich glaube, dass die Märkte auch verstehen, die Europäer meinen es ernst, insbesondere was Italien und Spanien angeht, diese Länder werden definitiv geschützt.
Breker: Ein weiteres Thema hat der französische Präsident Sarkozy nach Brüssel getragen, nämlich das der Finanztransaktionssteuer. Er schreitet voran. Wird Deutschland dem folgen, wird Ihre Partei dem folgen?
Lambsdorff: Ich kann Herrn Sarkozy in seinem Wahlkampf da nur "bonne chance" wünschen, viel Glück für diesen französischen Alleingang. Die Schweden haben das ja schon einmal probiert, 1994, einen nationalen Alleingang mit einer Finanztransaktionssteuer. Das Ergebnis war, dass aus Stockholm sämtliche Transaktionen abmarschiert sind nach London, die finden dort statt. Die Schweden haben es dann hektisch wieder zurückgenommen, das Gesetz, aber das Geschäft war verloren. Insofern glaube ich, dass der Ansatz, den Sarkozy hier fährt, verfehlt ist.
In der Sache – und das will ich deutlich sagen – steht auch die FDP auf dem Standpunkt, dass es richtig ist, den Finanzsektor an der Finanzierung der Finanzkrise und ihrer Bewältigung insbesondere zu beteiligen. Aber bei einer solchen Finanztransaktionssteuer muss England mitmachen, weil 75 Prozent aller Finanztransaktionen in Europa in London stattfinden. Wenn wir die im nationalen Alleingang, oder auch nur im kontinentalen Alleingang, also ohne die Briten einführen, dann marschiert das restliche Geschäft auch noch nach London, London wird eine Steueroase und in Frankfurt gehen die Lichter aus. Das kann nicht im deutschen, das kann auch nicht im europäischen Interesse sein, einen solchen Schritt zu gehen.
Breker: Kann man nicht so eine Steuer so konstruieren, Herr Lambsdorff, dass sie dort anfällt, wo eben halt der Geldgeber sitzt. Und damit eine Flucht in andere Standorte, zum Beispiel nach London, gar nicht möglich wird?
Lambsdorff: Die Kommission hat das versucht mit dem Ansässigkeitsprinzip, aber das führt ja nur dazu, dass auch diejenigen, die das Geld geben, nach London ziehen, denn das Ganze wird ja von Bankhäusern durchgeführt.
Wenn die Deutsche Bank, die Abteilung in Frankfurt, ein solches Geschäft veranlasst, mal als Beispiel, es in London abwickelt, man aber sagt, okay, ihr sitzt in Frankfurt, also besteuern wir euch nach der kontinentalen Finanztransaktionssteuer, dann wird die Deutsche Bank sich das genau eine Woche anschauen und dann wird die Abteilung nach London verlegt.
Insofern: Mit dem Ansässigkeitsprinzip ist hier der Sache nicht geholfen. Ich bin auch erstaunt, muss ich ganz ehrlich sagen, über die Position der CDU und auch der Bundeskanzlerin in dieser Frage. Ich glaube, eine Finanztransaktionssteuer ohne England macht einfach keinen Sinn. Das Geschäft ist dort nicht reguliert, es ist genauso wenig reguliert wie in New York, Singapur oder Hongkong. Wir machen Frankfurt platt und machen London zur Steueroase, das kann nicht der Sinn der Sache sein. Was Herr Brüderle vorgeschlagen hat, macht erheblich mehr Sinn, dass man das nimmt, was die Briten schon haben, eine Börsenumsatzsteuer. Und dann eine Hemmung, eine Entschleunigung des Computerhandels, dass man das für ganz Europa einführt. Das wäre erheblich sinnvoller, weil dann England auch dabei wäre.
Breker: Im Deutschlandfunk die Meinung von Alexander Graf Lambsdorff, für die FDP im Europaparlament. Herr Lambsdorff, danke für dieses Gespräch.
Lambsdorff: Danke Ihnen.
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