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Lammert bei Einheitsfeier
"Uns beneidet fast die ganze Welt"

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat bei der Einheitsfeier in der Semperoper an die Deutschen appelliert, "mehr Selbstbewusstsein und Optimismus" zu zeigen. Zuvor hatten Demonstranten in Dresden Lammert sowie Kanzlerin Merkel und Bundespräsident Gauck beschimpft. Lammert mahnte zu Respekt und Toleranz.

    Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) spricht am 03.10.2016 während des Festaktes zu den Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in der Semperoper in Dresden (Sachsen).
    Bundestagspräsident Norbert Lammert spricht bei den Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit. (picture alliance/dpa - Jan Woitas)
    Lammert sagte: "Wir leben in Verhältnissen, um die uns fast die ganze Welt beneidet." Die Deutschen könnten daher durchaus mehr Selbstbewusstsein und Optimismus zeigen, denn: "Wir leben jetzt so zusammen, wie es ganze Generationen vor uns nur träumen konnten: In Einigkeit und Recht und Freiheit."
    Diejenigen, die am Einheitstag besonders laut pfiffen und schrien, hätten "offenkundig das geringste Erinnerungsvermögen" daran, in welcher Verfassung sich diese Stadt und dieses Land vor der Wiedervereinigung befanden.
    Lammert: Gesellschaft ist innovativ und traditionell
    Deutschland sei durch Persönlichkeiten geprägt, die Tradition wie Innovation überzeugend verkörperten, so Lammert: "Ein in Bangkok geborener Oberstleutnant leitet die Big Band der Bundeswehr, eine Chinesin wurde Vizepräsidentin einer bayerischen Universität, eine Syrerin ist in diesem Jahr Weinkönigin in Trier, ein türkischstämmiger Muslim war Schützenkönig einer katholischen Schützenbruderschaft in Werl (Westfalen), und eine Fernsehmoderatorin, deren Familie aus dem Irak stammt, verteidigt die Freiheit sowie die Rechte und Pflichten der Presse in Deutschland gegen demokratiegefährdende Anwürfe."
    Deutsche Fußball-, Olympia- und Paralympics-Mannschaften seien auch deshalb erfolgreich, weil ihre Mitglieder mit ihren Mannschaftskameraden "mit welcher Herkunft auch immer, gemeinsame Ziele verfolgen und zusammen kämpfen. Unter einer Flagge".
    Lammert: Worte legen die Lunte für Gewalt
    Der amtierende Bundesratspräsident, Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), rief dazu auf, Demokratie, Religionsfreiheit und Vielfalt zu verteidigen. "Beschämt erleben wir, dass Worte die Lunte legen können für Hass und Gewalt", sagte Tillich beim Festakt. Sowohl Rechtsextremisten, islamistische Hassprediger und linke Extremisten forderten die starke Mehrheit heraus. Sie müsse dafür sorgen, dass die "Saat des Populismus" nicht aufgehe, so Tillich.
    Eine Hand hält ein Schild mit der Aufschrift "Merkel muss weg" in die Höhe, dahinter eine deutsche Flagge.
    Demonstranten machen in Dresden Stimmung gegen Kanzlerin Merkel. (dpa/Arno Burgi)
    Mehrere hundert Demonstranten hatten sich vor dem weiträumig abgesperrten Verkehrsmuseum postiert, in dem sich die geladenen Gäste in das Goldene Buch der Stadt Dresden eintragen sollten. Neben Merkel und Gauck musste auch Bundestagspräsident Norbert Lammert an den pöbelnden Demonstranten vorbei. "Volksverräter", "Haut ab" und "Merkel muss weg", schallte es ihnen entgegen. Die sächsische Staatskanzlei kritisierte das Verhalten der Protestierenden.
    Der Protest kam vor allem von Anhängern des fremdenfeinlichen Pegida-Bündnisses, unter ihnen dessen Mitbegründer Lutz Bachmann, und von Sympathisanten der AfD. Die Frau des sächsischen Wirtschaftsministers Martin Dulig (SPD) brach in Tränen aus, als sie durch die Menge ging. Einem dunkelhäutigen Mann riefen die Demonstranten "Abschieben" zu. Der Grünen-Politikerin Claudia Roth warfen sie vor, die "Vernichtung des deutschen Volkes" voranzutreiben.
    Zum Schutz der geladenen Gäste sah die sächsische Polizei sich schließlich zum Eingreifen gezwungen.
    Kanzlerin Merkel rief am Rande der Feierlichkeiten zu Dialogbereitschaft auf. "Ich persönlich wünsche mir, dass wir diese Probleme gemeinsam, in gegenseitigem Respekt, in der Akzeptanz sehr unterschiedlicher politischer Meinung lösen." Und dass an diesem Dialog auch diejenigen teilnähmen, "die sich gar nicht um dieses Gespräch bemühen". Ausdrücklich dankte Merkel all denen, die sich schon jetzt für Verständigung einsetzten.
    Die Einheitsfeiern finden seit Freitag unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen statt. Rund 2.600 Beamte sind im Einsatz. Um 10 Uhr fand in der Dresdner Frauenkirche ein ökumenischer Gottesdienst statt. Am Mittag folgt der Staatsakt in der Semperoper. Die Grünen-Politikerin Anja Schillhaneck twitterte, dass die Gäste aus Sicherheitsgründen mit dem Bus von der Kirche zur Semperoper gebracht werden und nicht zu Fuß gehen sollten.
    Die Atmosphäre in der Stadt ist angespannt. In der vergangenen Woche hatte es Sprengstoffanschläge vor einer Moschee und einem Kongresszentrum gegeben, bei denen niemand zu Schaden kam. In der Nacht zu Sonntag setzten Unbekannte drei Fahrzeuge der Polizei in Brand.
    (am/vic/ach)