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Land im Bürgerkrieg

Sri Lankas Regierung verbreitet mit Siegesmeldungen im Rundfunk den Eindruck, ihr Vorgehen gegen die Rebellenbewegung "Tamil Tigers" sei erfolgreich. Doch das in den Medien gezeichnete Bild ist äußerst zweifelhaft, denn: Eine freie Berichterstattung gibt es in Skri Lanka nicht und kritische Journalisten müssen um ihr Leben bangen.

Von Thomas Kruchem |
    Wir erleben es zurzeit sehr häufig, dass Menschen entführt werden oder verschwinden. Da ist zum Beispiel der Fall des Vizekanzlers der Universität Batticaloa, Mavindra. Er wurde kürzlich, mitten in Colombo, am helllichten Tag gekidnappt. Seitdem ist er verschwunden. Andere Intellektuelle wurden aus ihren Wohnungen, von ihrer Arbeitsstelle oder auf Reisen entführt - oder sie wurden ermordet; so wie der tamilische Anwalt Nadarajah Raviraj. Raviraj wurde, als er von einem Fernsehinterview nach Hause fuhr, erschossen - zusammen mit seinem Fahrer und Leibwächter.

    Sudarshana Gunawardana, ein kleiner, übermüdet wirkender Mann mit jedoch wachem Blick, leitet in seinem Privathaus am Rande Colombos die Menschenrechtsorganisation "Rights now". Fast tausend Srilanker sind in den vergangenen zwei Jahren verschwunden, berichtet Gunawardana; über 2000 sitzen ohne Anklage im Gefängnis. Viele werden gefoltert. Betroffen sind neben politisch engagierten Tamilen auch Menschenrechtler und kritische Journalisten - beider Bevölkerungsgruppen, der Singhalesen und der Tamilen: So wie der prominente Kolumnist Sittampalam Tissainayagam, kurz Tissa. Er wurde im März 2008 verhaftet.

    Es handelt sich bei Tissa um einen sehr engagierten Journalisten mit 20 Jahren Berufserfahrung. Jede Woche schrieb er für eine respektierte englischsprachige Zeitung eine Kolumne. Tissa wurde festgenommen, als er beim Amt für Terrorbekämpfung Auskünfte über einen Kollegen verlangte, der einen Tag zuvor verhaftet worden war. 150 Tage saß Tissa dann selbst ohne Anklage im Gefängnis. Und erst nach erheblichem internationalem und lokalem Druck klagte ihn der Staatsanwalt an - wegen Diskreditierung der Regierung.

    Während der Prozess auf sich warten lässt, sitzt der Journalist Tissainayagam schwerkrank bis heute im Gefängnis. Doch, im Vergleich zu vielen Kollegen, hat er noch Glück. Denn mehr als ein Dutzend kritischer Journalisten sind in den letzten zwei Jahren verschwunden oder ermordet worden. So wurde am 8. Januar 2009 der regierungskritische Journalist Lasantha Wickrematunge erschossen - von Attentätern auf einem Motorrad.

    Einer ähnlichen Todesschwadron fielen am 23. Januar Upali Tennakoon, Chefredakteur der Zeitung "Divira Weekly", und seine Frau zum Opfer. Polizeiliche Ermittlungen in diesen und ähnlichen Fällen verliefen im Sande - weil der Staat selbst der Auftraggeber war?

    Eines steht fest: Sri Lankas singhalesische Regierung will und muss verhindern, dass Journalisten ihren Krieg gegen die tamilischen Rebellen im Norden des Landes kritisieren. Sie muss, im Gegenteil, die Medien benutzen, um den Krieg der Bevölkerung zu "verkaufen" - einen Krieg, der Sri Lanka nahezu paralysiert und nicht zu gewinnen ist. Denn nach ihrer Niederlage in der Feldschlacht greifen die Rebellen verstärkt zu landesweitem Terror und zwingen die demokratisch gewählte Regierung, noch mehr zur Diktatur zu mutieren: Sie muss nun, um die Lage einigermaßen zu kontrollieren; alle Tamilen und kritischen Singhalesen engmaschig überwachen - auf unabsehbare Zeit; mit verheerenden Auswirkungen auf die demokratische Kultur, Wirtschaft und Lebensqualität im Lande.

    Dass sich die Regierung unter Präsident Mahinda Rajapakse, der einst selbst Menschenrechtler war, in eine derartige Sackgasse manövriert hat, lässt sich für den in Colombo lebenden Friedensforscher Jehan Perera letztlich nur aus dem "Mahavamsa" erklären - aus jenem vor 1500 Jahren von buddhistischen Mönchen verfassten Geschichtswerk, das in Schulen und Haushalten der Singhalesen bis heute nicht nur gelesen, sondern als Basis der eigenen singhalesischen Identität verstanden wird.

    "Um die Sturheit und Unnachgiebigkeit der Singhalesen gegenüber den Tamilen zu verstehen, muss man sich klar machen, wie tief verunsichert die Singhalesen sind. Diese Verunsicherung geht auf die Darstellung ihrer Geschichte im Mahavamsa zurück. Danach kamen immer, wenn hier singhalesische Königreiche aufblühten, tamilische Invasoren aus Südindien und zerstörten die Königreiche. Die Singhalesen verstehen sich deshalb bis heute als belagerte Minderheit im südindischen Raum. Und dieser Komplex, ein von der 'Ausrottung bedrohtes Volk' zu sein, veranlasst die Singhalesen, um keinen Preis nachzugeben gegenüber den Tamilen. Genau das aber wäre nötig, um den Teufelskreis von Gewalt und Hass hier zu brechen."

    Gefangen in diesem Teufelskreis schließt die singhalesische Regierung immer mehr Zeitungen und erlässt Knebelgesetze - zur weiteren Kontrolle der Medien, auch des Fernsehens, klagt der singhalesische Journalist Sunanda Deshapriya.

    "Nach diesem neuen Gesetz hat der Minister die volle Macht über das Fernsehen. Er kann mit sofortiger Wirkung die Ausstrahlung von Sendungen verbieten und Lizenzen widerrufen. Er kann, wenn er einen Beitrag als, Zitat, 'unanständig' empfindet, den betreffenden Sender für 60 oder 120 Tage aus dem Äther verbannen. Und allein der Minister bestimmt, was anständig ist und was unanständig."

    Kein Wunder, dass die meisten Fernseh- und Radiostationen nur noch Lifestyle-Programme ausstrahlen, sagt Sunanda achselzuckend. So vermeiden sie, dass ihre Investitionen in Flammen aufgehen - wie die des Senders MTV, der am 6. Januar 2009 mit Granatwerfern beschossen wurde. Auch hier wurden die Täter nicht gefasst. Und so wird die Berichterstattung in Sri Lankas Medien immer einseitiger und stereotyper: Die Regierungstruppen ziehen von Sieg zu Sieg; die Rebellenorganisation LTTE begeht Gräueltaten, versklavt die tamilische Zivilbevölkerung, operiert mit Kindersoldaten und will die Singhalesen mit blutigem Terror von der Insel vertreiben. Kein Wort von Todesschwadronen, von Internierungslagern für tamilische Zivilisten im Norden, von der jetzt verfügten zwangsweisen Registrierung aller Tamilen in der Hauptstadt Colombo.

    Der Krieg und vor allem die Kriegspropaganda haben die Psyche der - privat so freundlichen, einfühlsamen und kultivierten - Singhalesen gespalten, meint der Journalist Sunanda. Sobald sie einen Tamilen nur sähen, flackerten Misstrauen, Hass und Panik in ihren Augen auf. Sunanada, der vor 30 Jahren marxistischer Rebell war, zählt zu den wenigen Journalisten, die immer noch ganz offen für die Pressefreiheit in Sri Lanka kämpfen. Seine Kampagne "free media", "Freie Medien", organisiert Protestmärsche und Mahnwachen für vom Staat drangsalierte Journalisten. Für dieses Engagement zahlt Sunanda einen hohen Preis: Nach zahllosen Drohungen leben der Journalist und seine Mitstreiter quasi im Untergrund.

    "Wir haben unsere ganze Art zu leben geändert. Jeden Tag fahren wir jetzt auf einem anderen Weg zur Arbeit. Nie schlafen wir zwei Tage hintereinander am selben Ort. Viele von uns haben im letzten Jahr mehrfach die Wohnung gewechselt. Die meisten erzählen auch niemandem, wohin sie gerade gehen und benutzen jeden Tag ein anderes Handy. Denn wir wissen: Die Regierung versucht, uns zu beobachten. Mit unserem Kampf für die Pressefreiheit schürten wir Unruhe, sagen sie. Außerdem arbeiteten wir für die LTTE und ausländische Regierungen."

    Sunanda deutet auf eine Liege neben seinem Schreibtisch - eine seiner Schlafstätten. Seine Frau und die Kinder hat er bei Verwandten auf dem Land versteckt.