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Land im Untergang

Auch Monate nach dem Militärputsch schafft es die Regierung nicht, in der Zentralafrikanischen Republik für Stabilität zu sorgen. Jetzt soll die Auflösung der Seleka-Rebellen den Durchbruch bringen. Derweil leidet die Zivilbevölkerung unter dem politischen Chaos im Land.

Von Bettina Rühl |
    Eine Gesundheitsstation in der Stadt Kaga Bandoro im Norden der Zentralafrikanischen Republik. Die Regenzeit hat angefangen und damit die Zeit der Malaria, denn in der Feuchtigkeit vermehren sich die Mücken, die den Erreger übertragen, besonders stark. Aber die Mücken sind noch nicht einmal die schlimmste Bedrohung für die Menschen, die hier leben. Viel gefährlicher sind die Bewaffneten, die seit einem Putsch im März allgegenwärtig sind. Besonders gefürchtet sind die Milizionäre der Rebellen-Koalition Séléka, die stürzte im März den damaligen Präsidenten Francois Bozizé. Ein Mädchen, vielleicht acht Jahre alt, erzählt seine Geschichte.

    "Als sie in unser Dorf kamen, wollte ich weglaufen. Aber sie schossen auf mich, die Kugel traf mich am Ohr, und ich fiel hin. Als ich wieder aufstand, schnappten sie mich und brachten mich hierher, das war vor vier Tagen. Meine Familie musste 6000 afrikanische Francs bezahlen, damit sie mich freilassen. Ich lernte hier auch ein Mädchen kennen, das die Bewaffneten hergebracht hatten. Sie hatten das Mädchen zu fünft vergewaltigt, bis ihre Scheide gerissen war. Deshalb brachten die Männer sie hierher. Zum Glück hatte ihre Familie genug Geld für die Behandlung, obwohl die sehr lange dauert. Jetzt geht es ihr wieder besser."

    Séléka-Führer Michel Djotodia ließ sich im vergangenen Monat als Präsident vereidigen, aber der Staat entgleitet seiner Kontrolle.

    Oberstleutnant Babacar Gaye ist der UN-Sondergesandte für die Zentralafrikanische Republik.

    "Die Plünderungen nehmen kein Ende, Menschen werden entführt, gefoltert und getötet. Innerhalb der Bewaffneten Gruppen einschließlich der Armee gibt es keine klare Kommandostruktur. Das Land droht, in archaisches Chaos zu rutschen. Einige Polizisten erscheinen zwar zur Arbeit, aber sie sind viel zu schlecht ausgestattet, um sicher und effektiv arbeiten zu können."

    Ivan Simonovic ist Assistent des UN-Generalsekretärs für Menschenrechte.

    "Es ist deshalb nötig, sofort eine starke internationale Eingreiftruppe mit einem sehr robusten Mandat zu entsenden. Sie muss die Bevölkerung landesweit schützen, dem Recht wieder zur Geltung verhelfen und für Bedingungen sorgen, die faire und freie Wahlen innerhalb von 18 bis 24 Monaten ermöglichen."

    Die Afrikanische Union will eine 3600 Mann starke Truppe in den Krisenstaat senden, fordert aber deren Unterstützung durch die Vereinten Nationen. Beobachter bezeichneten die geplante Eingreiftruppe namens MISCA als einen "guten Anfang". Die MISCA wird aber wohl viel zu klein sein, um die Zivilisten landesweit schützen zu können. Außerdem ist sie voraussichtlich erst 2014 vollzählig. Während die Diskussionen über die mögliche Hilfe anhalten, nimmt die Gewalt weiter zu.

    Frank Dörner ist Geschäftsführer der Hilfsorganisation Tierärzte ohne Grenzen:

    "Wir haben auch hier über die letzten Monate zunehmend Fälle von sexueller Gewalt, von vergewaltigten Frauen behandeln müssen, insgesamt ist der gesamte Trend besorgniserregend und schlimm und zeigt einfach, dass der Respekt für die Zivilbevölkerung von den verschiedenen bewaffneten Gruppen nicht existent ist."

    Die Täter gehören zu den unterschiedlichsten bewaffneten Gruppen.

    "Da sind sicher Regierungsnähere dabei, da sind sicher auch Séléka-Abspaltungen dabei, das sind sicher auch Selbstverteidigungs-Komitees, Gruppen, die sich gegründet haben, es gibt Oppositionsgruppen, die bewaffnet sind, es gibt religiöse Gruppen – also im Moment ist die gesamte Situation sehr, sehr unübersichtlich."

    Aufgrund der schlechten Sicherheitslage wird die Arbeit für die Hilfsorganisation immer schwieriger. Aber dass die Helfer nicht den Mut verlieren und weitermachen, ist für die Bevölkerung überlebenswichtig.

    "Wenn man sich die Situation schon vor dem Staatsstreich angeguckt hat, dann konnte man sagen, dass außerhalb der Zentren und vor allen Dingen der Hauptstadt Bangui das Gesundheitssystem insgesamt nur sehr rudimentär vorhanden war, und das ist natürlich jetzt weitestgehend zum Erliegen gekommen."

    Ende vergangener Woche löste Präsident Djotodia die Rebellenkoalition Séléka auf, er reagierte damit auf den wiederholten Vorwurf, die Rebellen begingen schwere Kriegsverbrechen. Unklar ist, wie er diesen Beschluss umsetzen will: Die staatliche Armee ist viel zu schwach und ihm gegenüber vermutlich nicht loyal genug, um Djotodias einstige Kampfgefährten zu entwaffnen. Im schlimmsten Fall führt das Verbot der Séléka nur dazu, dass die Kommandostrukturen noch unklarer werden, das Chaos weiter zunimmt. Klar ist in all dem nur eines: Den Preis zahlt auf jeden Fall die Bevölkerung.