Die Empörung war groß, als bekannt wurde, dass der FC Schalke 04 eine Bürgschaft des Landes Nordrhein-Westfalen für einen Kredit bekommen soll, durch den der Schuldenberg des Bundesligavereins wieder auf deutlich über 200 Millionen Euro anwachsen wird. Besonders kritisch äußerte sich Ralf Jäger, der ehemalige Innenminister von NRW. Denn die Hilfe des von CDU und FDP regierten Landes für das wirtschaftlich angeschlagene Fußballunternehmen unterscheidet sich deutlich von anderen Subventionen für den Sport.
"Erstmalig in der Geschichte von Bürgschaften und der Bundesliga soll ein Verein eine Bürgschaft für laufende Betriebskosten erhalten. Das bedeutet schlichtweg, dass im Fall, dass Schalke den Kredit nicht zurückzahlen kann, der Steuerzahler die Millionengehälter von Trainern und Spielern finanzieren muss. Und ich finde, das geht nicht", sagte der SPD-Politiker Mitte Juli im Deutschlandfunk.
Bürgschaften für Infrastrukturprojekte der Profivereine, für Stadien und den Ausbau von Trainingsanlagen gewähren viele Bundesländer und Kommunen. Wegen der Corona-Krise wurden die Gesetze nun so angepasst, dass mit solchen Beihilfen auch andere Kosten finanziert werden dürfen. Wobei eine Voraussetzung ist, dass das unterstützte Unternehmen vor der Krise nicht unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten litt. Und der FC Schalke 04 hat in den vergangenen Jahren immer wieder mit seinen Schulden und wiederkehrenden Liquiditätsproblemen Schlagzeilen gemacht.
Rechtsexperte hält Bürgschaft für zulässig
Robin van der Hout, der als Spezialist für Beihilferecht in Brüssel arbeitet, hält die Bürgschaft aber für regelkonform. Das Geschäft sei "zulässig, wenn das Unternehmen kein Unternehmen in Schwierigkeiten war, Stichtag ist der 31.12.2019. Also zu diesem Zeitpunkt darf das Unternehmen kein Unternehmen in Schwierigkeiten gewesen sein. Dafür gibt es präzise rechtliche Bedingungen. Also alleine dadurch, dass das Unternehmen Schulden hat oder wirtschaftlich schlecht dasteht, ist man noch kein Unternehmen in Schwierigkeiten im Rahmen dieser Definition. Sondern man muss im Wesentlichen vereinfacht gesprochen die Bedingungen erfüllen, eine Insolvenz zu beantragen."
Die Insolvenzgefahr haben die Schalker im Frühjahr erstmal abgewendet – weil die Saison fortgesetzt wurde und damit TV-Geld geflossen ist. Und der Nachweis, dass die Pandemie zu massiven Einbußen führte, ist für die Fußballvereine leicht, weil monatelang alle Zuschauereinnahmen fehlten.
NRW musste schon für Bürgschaften für Fußballklubs zahlen
Auch ein Verstoß gegen die wettbewerbsrechtlichen Regularien der EU-Kommission liege nicht vor, sagt Professor Ludwig Hierl von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn: "Ich sehe keinen Verstoß gegen das EU-Beihilferecht, weil es eben auch typische Aufgabe der öffentlichen Hand ist, sich an einer normalen Unternehmensfinanzierung zu beteiligen. Das heißt eben auch, beispielsweise Bürgschaften zu übernehmen von Unternehmen, die hier ein tragfähiges Geschäftsmodell aufweisen. Das bedeutet, dass mit einer hohen Wahrscheinlichkeit von einer ordnungsgemäßen Rückzahlung der Kredite auszugehen ist."
Tatsächlich kommt es bei solchen Bürgschaftsvereinbarungen zwischen Fußballklubs und dem Staat nur selten dazu, dass Steuergelder verloren gehen. Wenn doch, wird es allerdings teuer: Aus vertraulichen Informationen, die dem Deutschlandfunk vorliegen, geht hervor, dass das Land NRW in der Vergangenheit mindestens 18 Millionen Euro bezahlen musste, um Verpflichtungen aus Bürgschaften zu begleichen. Einmal zirka drei Millionen für einen Kredit, der an Arminia Bielefeld gegangen ist. Einmal rund 15 Millionen, als das Land für Alemannia Aachen einspringen musste.
Gefahr der Wettbewerbsverzerrung
Laut dieser Informationen bürgte NRW im Juli 2019 mit 38,15 Millionen Euro für frühere Kredite des FC Schalke. Damit gab es beim aktuellen Antrag einen zusätzlichen Anreiz, die neue Bürgschaft zu gewähren. Um die Gefahr zu minimieren, abermals zahlen zu müssen. Derzeit wird ja oft nach mehr Gerechtigkeit im Wettbewerb gerufen, weil Investoren, Konzerne oder Scheichs einzelne Klubs mit gewaltigen Millionensummen alimentieren. Aber sind Staatshilfen für ausgewählte Vereine nicht auch ein Eingriff in den sportlichen Wettbewerb?
"In der Tat die spannende Frage ist jetzt am Beispiel von Schalke 04, ob jetzt alle anderen Fußballklubs, erste, zweite, dritte Liga, eben jetzt auch solche Anträge stellen und wie mit diesen Anträgen umgegangen wird. Weil eine Förderung nicht selektiv durchgeführt werden darf, und das muss man gemäß EU-Beilhilferecht auch aus europäischer Perspektive sehen. Das heißt, wenn insbesondere deutsche Fußballklubs solche Bürgschaften in Anspruch nehmen können, und die Klubs aus anderen Ländern nicht, dann ist eine Gefahr der Wettbewerbsverzerrung gegeben, die gemäß EU-Beihilferecht mindestens untersuchungswürdig ist," sagt der Wissenschaftler Hierl.
Verbände nehmen staatliche Hilfen hin
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof Anfang des Jahres Urteile der EU-Kommission gegen mehrere spanische Klubs gekippt, die aufgrund von staatlichen Hilfen sanktioniert werden sollten. Die Gesetzeslage ist an dieser Stelle hoch komplex. Womöglich wird auch die Beihilfe für die Gelsenkirchener in Brüssel überprüft werden, aber der Jurist Robin van der Hout glaubt, "dass die Bürgschaftsgewährung an Schalke und andere Vereine beihilferechtlich zulässig war, also legal war, eine andere Frage ist, ob man sie auch als legitim betrachtet."
In dieser Frage wären auch die Verbände gefragt, die private Zuwendungen durch das Financial Fairplay oder die 50+1-Regel einschränken, um für Chancengleichheit zu sorgen. Vorteile, wie Bürgschaften, verbilligte Grundstückskäufe, oder Darlehen, die Klubs von staatlicher Seite erhalten, werden hingegen widerspruchslos akzeptiert.