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Landeshauptstadt Potsdam
Ursprüngliche Schönheit blüht allerorten wieder auf

Immer mehr merkt der Stadt Potsdam an, dass es einst Residenzstadt preußischen Kurfürsten und Könige war. 17 Schlösser, drei Parks sowie zahlreiche Seen und Wasserläufe prägen die Stadt. Das Zentrum und renovierte Bauten sorgen Jahr um Jahr für mehr Glanz – auch dank der Investitionen großzügiger Gönner.

Von Stefan May |
    Die Nikolaikirche und das Stadtschloss in Potsdam
    Nikolaikirche und Stadtschloss in Potsdam (Ralf Hirschberger, dpa picture-alliance)
    Immer, wenn ich Besuch aus meiner österreichischen Heimat bekomme, schlüpfe ich in die Rolle des Fremdenführers. Dabei unterscheide ich zwischen den Berlin-Anfängern, den Kennern der Stadt und den Fortgeschrittenen. Die Fortgeschrittenen sind jene, die schon mehrmals da waren. Für sie bereite ich stets einen Besuch Potsdams vor.
    Nun war ich selbst schon längere Zeit nicht mehr da und kam diesmal alleine, ohne große Erwartungen. Um dann umso mehr zu staunen.
    Annäherung auf dem Floß
    Diesmal ist es eine für mich ungewohnte Annäherung: Auf dem Wasser der Havel, auf einem Floß mit Motor. Über 60 Stück solcher Flöße verfügt Ole Bemmann: fast quadratische Holzboote mit kleiner Kajüte darauf. Mit ihnen vermietet er gleichzeitig Urlaubsfreude, Entspannung und eine völlig neue Art der Stadterkundung.
    "Und dann proviantieren sie sich und starten in den Tag und sehen, was der Tag bringt. Wenn sie mehr so Tage unterwegs sind und irgendwann Hunger verspüren, na dann kann man auch Kräuter sammeln. Das sollte jetzt nicht so sein, aber sie verlieren ja den Anschluss an die Umgebung nicht. Sie können ja anlegen, können einkaufen, sie können sich wieder versorgen. Also mit ´ner Kühltasche kann man sich da schon mal so ein paar Tage hin hangeln, ohne dass einem die Butter durchs Holz läuft."
    Wenn man eine Woche lang auf die Vorfahrt verzichtet, muss man nicht einmal die Vorfahrtregeln auf dem Wasser kennen, sagt Bemmann.
    "Und genauso entlasse ich sie jetzt in eine Stille aufs Wasser und freue mich, wenn sie dort Dinge erleben, die sie so noch nicht sehen konnten von dieser Stadt."
    Wuchtige Villen und ein umkämpfter Uferweg
    Wir legen nördlich von Potsdam ab und werden augenblicklich von jener Stille verschluckt. Ab und zu tuckert ein Frachtkahn vorbei, schickt ein flinkes Motorboot hohe Wellen zu uns herüber. Bald taucht zur Linken eine wuchtige alte Villa neben der anderen auf, im üppigen Grün eines gepflegten Gartens. Historisierende Säulen, verwinkelte Giebel, elegante Terrassen. Auch jene Häuser, in denen 1945 die Staatsführer der alliierten Mächte während der Potsdamer Konferenz logierten, sind darunter.
    Ein Zaun mit Hinweisschild der Grundstückseigentümer hindert Passanten am Betreten des Uferwegs um den Griebnitzsee in Potsdam
    Auseinandersetzung um den Zugang zum Uferweg im Jahr 2009 (Joachim Schulz / imago stock&people)
    Ein öffentlicher Uferweg schlängelt sich am Fluss entlang. Unser Stadtführer, Robert Freimark, zeigt auf bis zum Wasser reichende Zäune, die den Weg bisweilen unterbrechen.
    "Die Neuanrainer haben sich dann teilweise hier zu einer Gemeinschaft zusammengeschlossen, die vor dem Oberverwaltungsgericht dagegen geklagt hat, dass dieser Weg öffentlich bleiben soll. Also, das heißt man wollte seine Ufergrundstücke wirklich für sich haben. Und das Oberverwaltungsgericht hat damals entschieden, dass die Eigner da irgendwie auch das Recht dazu haben. Das lag aber auch daran, dass Potsdam keinen juristisch bindenden und klug durchdachten Plan für die Ufernutzung und -gestaltung aufgesetzt hatte. Und diese Situation, die hält bis heute an, aber Potsdam arbeitet ganz intensiv da dran."
    Mäzenatentum im Stadtzentrum
    Vielleicht wird also doch noch etwas aus einem durchgehenden Uferpark. Es gibt aber auch andere Wohlhabende und Reiche in Potsdam. Solche, die sozial denken und sich sozial engagieren. Das offenbart sich in der neuen Mitte der Stadt, wo Anfang des Jahres das Museum Barberini eröffnet wurde.
    Im Potsdamer Palais Barberini befindet sich das Museum Barberini.
    Fassade des Palais Barberini (dpa / picture alliance / Marcus C. Hurek)
    Der in Potsdam ansässige Mitgründer des Softwareunternehmens SAP, Hasso Plattner, hat das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Palais Barberini neu aufbauen und daraus ein Museum für die Öffentlichkeit machen lassen. Die Fassade ist originalgetreu, alles dahinter hingegen ein moderner Museumsbau, erzählt die Kunsthistorikerin Dorothee Entrup.
    "Die Geschichte des Palais Barberini geht zurück auf Friedrich II. von Preußen, der ja hier nebenan sein Stadtschloss hatte und hier immer die Wintermonate des Jahres verbracht hat. Und er wollte gerne, dass der Platz vor seinem Schloss, also der Alte Markt, ein repräsentativer, italienisch anmutender Platz wird. Auf der anderen Seite, wo wir heute die Nikolaikirche von Karl Friedrich Schinkel aus dem 19. Jahrhundert haben, gab es zu Friedrichs Zeiten eine alte Kirche, die eine Fassade nach Santa Maria Maggiore in Rom hatte, also auch eine sehr, sehr eindrucksvolle barocke Fassade. Diese Kirche ist allerdings Ende des 18. Jahrhunderts abgebrannt."
    Durch die großen Fenster des Museums Barberini fällt der Blick hinüber zur heutigen Nikolaikirche. Sie ist mir noch von früheren Besuchen vertraut. Einsam stand sie damals mitten in einer strukturlosen Öde und ich suchte vergebens nach einem historischen Zentrum von Potsdam.
    Altes Potsdamer Zentrum neu entstanden
    Nachdem ich in der Kirche über eine steile Wendeltreppe nach oben geschnauft und am Fuß der Kuppel ins Freie getreten bin, erkenne ich erst so richtig, was sich genau unter mir in den letzten Jahren verändert hat: Dieses alte Zentrum, jener Platz mit italienischem Flair, ist neu entstanden. Gegenüber wurde das Stadtschloss wiederaufgebaut, in dem nun der brandenburgische Landtag seinen Sitz hat, und zur Linken wartet eine Schlange von Besuchern vor der Sandsteinfassade des Museum Barberini auf Eintritt. Das Museum hat auch der Nikolaikirche zu steigender Popularität verholfen, räumt Pfarrer Matthias Mieke ein.
    "Im Vergleich zum Vorjahr oder zum letzten Jahr haben wir dreimal so viel Besucher – durchs Barberini. Potsdam bestand da hinten aus Waldstadt 1 und 2 und aus Diversen, die sind alle hier vorbei gefahren oder sind mit dem Bus zur Arbeit gefahren worden. Das heißt, die Innenstadt selbst war seit '45 eigentlich konserviert. Wenn sie Bilder von 1980 sehen, dann sehen die fast so aus, und wenn sie schwarz-weiß sind, können sie fast den Unterschied nicht sehen, wie 1946. Da ist wenig passiert."
    Schloss mit Pücklerschem Garten
    Umso mehr in den letzten Jahren. Der Blick streift über Potsdam zur anderen Seite der Havel. Dort zeichnet sich am sanften Hang des Babelsbergs das Schloss ab. Ein Teil Potsdams, den ich früher stets links liegen gelassen habe, der aber inzwischen zu einem weiteren Juwel der Stadt geworden ist.
    Touristen gehen am 13.10.2017 in Potsdam  über die Voltaireterrasse am Schloss Babelsberg.
    Schloss Babelsberg (Bernd Settnik / dpa / picture alliance)
    Das Schloss ist in diesem Jahr sogar für eine Ausstellung geöffnet. Sie widmet sich dem exzentrischen Fürsten Hermann von Pückler-Muskau, der im 19. Jahrhundert den Schlossgarten für das im Sommer hier residierende Prinzenpaar Wilhelm I. und Augusta gestaltete. Pückler hatte viele künstlerische Ideen für das Aussehen der Anlagen von seinen Reisen nach England mitgebracht, erzählt Kuratorin Katrin Schröder.
    "Wer sich damit beschäftigt, weiß, dass diese Lebensform auf den englischen Landsitzen auch eine bestimmte Weltanschauung bedeutete und dass man sich in der Art der Landschaftsgestaltung, der Art dieser landschaftlichen, also freien Gestaltung eines Gartens auch in seiner Weltanschauung ausdrückte. Und das wollte Pückler, dass es in Deutschland auch stärker der Fall ist."
    Und so legte er auf dem Hügel Terrassen an, ließ von einem Dampfmaschinenhaus am Flussufer Wasser herauf pumpen, um Teiche, Springbrunnen und Wasserfälle zu installieren, schuf Pleasureground und Bowlinggreen. Und natürlich die in Potsdams Grünanlagen allgegenwärtigen Sichtachsen. So fällt der Blick aus dem Schlossfenster von Babelsberg über einen künstlichen Geysir in der Havel auf die berühmte Glienicker Brücke.
    Residenz der Prominenz
    Dort wurden dreimal in der Geschichte des Kalten Kriegs Agenten zwischen West und Ost ausgetauscht, und dort habe ich früher meine Privatführungen für Landsleute begonnen oder beendet. Und jedes Mal hat mich jene heruntergekommene Ruine fasziniert, die der Brücke am nächsten stand. Sie musste einst ein stolzer Bau gewesen sein.
    Renovierte Villa Schöningen an der Glienicker Brücke
    Villa Schöningen an der Glienicker Brücke (imago/CHROMORANGE)
    "Heute ist sie es wieder. Die Villa Schöningen, eine schneeweiße Turmvilla mit flachem Dach, ist seit ein paar Jahren ein Ort für Kunstausstellungen. Und wenn man Glück hat, spielt dort ein Bläserensemble auf. Nicht weit hinter der Villa Schöningen breitet sich der Neue Garten mit dem Heiligen See aus. An seinem Ufer haben Joop und Jauch ihre Villen. Potsdam ist eine Residenz der Prominenz: Auch Nadja Uhl oder Kai Diekmann wohnen in der Stadt."
    Am anderen Ende des Heiligen Sees hat sich in der alten Meierei ein Brauhaus angesiedelt. Schon vor dem Krieg war die Meierei eine beliebte Ausflugsgaststätte, sagt Kai Tister von der Gasthausbrauerei.
    "Das Gebäude hat den Krieg dann auch unbeschadet überstanden, ist danach allerdings unter nicht ganz geklärten Umständen ausgebrannt. Scheinbar haben die Russen hier ihre Mäntel getrocknet, dabei ist Feuer ausgebrochen, und da ja damals der meiste Teil hier aus Holz war, ist nicht viel stehen geblieben. Ja, und bis zur Wende lag das Ganze hier dann direkt im Grenzbereich. Dementsprechend war das hier absolutes Sperrgebiet. Einzig und alleine der Pumpenwart durfte hier hin, hatte da aber jedes Mal Geleitschutz quasi. 2000 rum wurde das Ganze hier dann ausgeschrieben, es sollte wieder gastronomisch genutzt werden, und seit 2003 brauen wir jetzt hier Bier."
    Gastronomischer Aufstieg augenfällig
    Die Gastronomie hat den augenfälligsten Aufschwung genommen in Potsdam: Ob französischer Flair in der Garage du Pont nahe der Glienicker Brücke oder Gin-Verkostung im Hotel Brandenburger Tor, überall in der Stadt haben neue Cafés und Restaurants mit speziellen Angeboten geöffnet. Selbst im Holländischen Viertel, das schon bald nach der Wende zum Anlaufpunkt für Stadtbesucher wurde, versuchen Neue ihr Glück, wie etwa Mario Gierl, der Wirt vom Restaurant Neunzehn:
    "Darüber können wir ganz stolz sein, dass die Potsdamer wirklich zu uns kommen. Weil die meiden eigentlich eher das Holländische Viertel, weil das alles zu teuer ist. Aber das Problem haben wir nicht. Wir haben wirklich sehr viele Potsdamer Leute und auch Berliner Leute bei uns."
    Überraschend, wie viel sich verändert, wenn man ein paar Jahre lang nicht offenen Auges durch Potsdam geht, denke ich nach diesem Besuch. Wie sehr doch diese Stadt hinzu gewinnen konnte, die selbst nach Kriegsschäden und den grauen Jahren der DDR noch attraktiv geblieben ist! Man kann wohl Pfarrer Matthias Mieke von der Nikolaikirche zustimmen, wenn er sagt:
    "Also, es gibt ganz, ganz viele Sachen, wo ich sehr dankbar bin, dass ich hier bin. Es gibt auch viele Sachen, wo ich denke: Ach, vielleicht gehe ich noch mal, vielleicht auch ganz weit, nochmals woanders hin. Aber es ist ´ne sehr schöne Stadt."