"Wir sind ein wenig selber Schuld dran, wir gehen ins Restaurant, dann kommt der Kellner und wir sprechen Französisch."
Die Äußerung des Passanten ist die exakte Beschreibung der Situation. Peter Gilles ist Sprachwissenschaftler an der Uni Luxemburg und macht in der Mensa die Probe auf's Exempel.
Er ordert das Tagesgericht, ganz selbstverständlich auf Französisch.
"Sie würden verhungern ohne Französisch."
Der Koch lädt Fisch, Kartoffeln und Spinat auf den Teller und wartet mit der Remoulade.
Nur ein bisschen, das reicht, sagt Gilles. Der Franzose lächelt freundlich, er kennt die Vorlieben seiner Gäste. Luxemburgisch kann er keins - ein, zwei Worte vielleicht, mehr nicht.
"Ich probier‘s mit Floskeln wie "mojen" oder "guten Appetit". Diese kleinen Gesten sind hilfreich. Ich arbeite seit 25 Jahren in Luxemburg und hatte nie Probleme."
Französisch: Die Sprache der Dienstleistung
Vielen Luxemburgern aber reichen diese minimalen sprachlichen Anstrengungen der ausländischen Beschäftigten nicht mehr aus.
"Ich hätte aber gerne, dass meine Sprache beibehalten wird und nicht verloren geht. Jeder der im Ausland arbeitet, lernt dort die Sprache, nur hier glaubt man, es sei nicht nötig."
Zusammengefasst heißt das: "Die Ausländer lernen zu wenig Luxemburgisch. Wenn sie in ein Geschäft gehen, ist alles auf Französisch und das ist es, was sehr viele Luxemburger ärgert."
In den Läden, der Gastronomie, beim Bäcker arbeiten fast ausschließlich Pendler aus Belgien und Frankreich. Andere Arbeitskräfte stehen nicht zu Verfügung. Französisch ist die Sprache der Dienstleistung und dabei werde es auch bleiben, sagt Bildungsminister Minister Claude Meisch mit einem Augenzwinkern.
Digitalisierung verhilft dem Luxemburgischen zur Renaissance
"Wenn wir jetzt sagen würden, wir stellen keine Bedienungen mehr im Restaurant ein, wenn sie nicht Luxemburgisch können, ja, denn haben wir keine Bedienungen mehr und bedienen uns selbst."
Trotz eines eher gefühlten, denn tatsächlichen sprachlichen Missbehagens lässt sich nicht leugnen: Es ist noch nie so viel Luxemburgisch im Land gesprochen worden wie zurzeit. Das haben wissenschaftliche Studien ergeben. Und die meisten Luxemburger fühlten sich in ihrer Mehrsprachigkeit auch ausgesprochen wohl, sagt Sprachwissenschaftler Gilles. Überdies verhelfe die Digitalisierung des Alltags dem Luxemburgischen zu einer wahren Renaissance.
Social Media: Einsprachig luxemburgisch
"Alles was facebook, Twitter, e-mail, sms unter Luxemburgern betrifft, ist einsprachig luxemburgisch."
Rundfunk und Fernsehen senden auf Luxemburgisch, das Theater bedient sich der Sprache und auch die luxemburgischen Autoren schreiben wieder mehr in der Alltagssprache, seit vor ein paar Jahren allgemein verbindliche orthografische und grammatikalische Regeln eingeführt wurden, erklärt Buchhändler Fernand Ernster. Luxemburgisch sei in Mode gekommen und darauf sei man stolz:
"Letzebuergisch es eppes wat haut vlaicht mei modern gin es. Mir sin ach ganz houfreg, dat et dat git."
Houfreg, zu Deutsch stolz, hielt 1999 der langjährige Regierungschef und heutige EU-Kommissionspräsident Jean–Claude Juncker zum ersten Mal die alljährliche Rede zur Lage der Nation nicht auf Französisch, sondern auf Luxemburgisch. Dabei ist es geblieben. Und selbstverständlich wurde die für das Land prägendste Entscheidung der letzten Jahre, der Verzicht auf das Bankgeheimnis, in verständlicher Sprache mitgeteilt.
"Unser Finanzplatz lebt nicht von Schwarzgeld und Steuerhinterziehung. Dafür können wir den automatischen Informationsaustausch zum ersten Januar einführen."
"Als kleine Wiederholung bekommt jetzt jeder einen Zettel mit einer Uhr." Die Sprachkurse am Institut des Langues sind voll. Die Schüler mühen sich nach Kräften. Der Lehrer verteilt Zettel mit verschiedenen Uhrzeiten.
"Wie lautet die Frage zur Uhr. Voila: "Wie viel Uhr ist es ...?"
Petitionen pro und contra Luxemburgisch
Dass für das Luxemburgische die Uhr tickt, fürchtet niemand. Auch jene nicht, die sich in einer Petition dafür einsetzen, dass Luxemburgisch gegenüber Französisch und Deutsch bevorzugt wird. Doch die Chancen dafür stehen schlecht, sagt der Bildungsminister.
"Dann hätten wir als Luxemburger große Probleme, nicht nur die Ämter, die das bewältigen müssten, sondern auch jeder Bürger, der luxemburgisch schreiben müsste, denn wir haben das ja nie richtig in der Schule gelernt."
Nötig seien jedoch Symbole der Anerkennung, argumentiert Claude Meisch und neue Regeln, die dabei helfen, das Zusammenleben in einer vielsprachigen Gemeinschaft zu organisieren. Darüber wird im Januar gesprochen.