Der Prozess findet weit über Hamburg hinaus Beachtung. Über 30 KZ-Überlebende und Angehörige von NS-Opfern aus der ganzen Welt sind Nebenkläger in diesem Verfahren. Die meisten stammen aus den USA, Polen und Israel. Persönlich werden sie aber eher nicht nach Hamburg kommen, sagt Gerichtssprecher Kai Wantzen:
"Die Nebenkläger haben Rechtsanwälte, die sie in dem Verfahren vertreten werden. Wir rechnen nicht damit, dass Nebenkläger auch persönlich erscheinen werden. Mit Ausnahme der Überlebenden, die bereit und in der Lage sind, als Zeugen auszusagen. Die Kammer hat sich sehr darum bemüht, auch Überlebende des KZ als Zeugen hier zu hören und im Moment gehe ich davon aus, dass es drei der Nebenkläger sind, die im Verlaufe der Hauptverhandlung auch als Zeugen gehört werden."
Bruno D. war Wachmann im KZ Stutthof bei Danzig. Als 17-Jähriger begann er dort seinen Dienst. Seine Aufgabe war es, die Gefangenen an der Flucht und Revolte zu hindern. Die Wachleute waren angewiesen, in dem Fall auch zu schießen. Das bestätigt Abba Naor. Naor, heute 91 Jahre alt, lebt in Israel. Er war selbst im KZ Stutthof inhaftiert und hat überlebt:
"Es waren Wachleute auf den Türmen. Da hat man sie gesehen, zwischen dem Frauen- und dem Männerlager. Man musste nur sehen, nicht zu nahe an den Zaun heranzukommen. Dann haben die geschossen. Ganz einfach."
Anklage vor der Jugendstrafkammer
Ehemalige Wachleute wie Bruno D. werden erst seit 2011 in Deutschland strafrechtlich verfolgt. Früher waren die Ermittler davon ausgegangen, dass die bloße Wachtätigkeit im KZ nicht als Beihilfe zum Mord gewertet werden könne. Das änderte sich mit dem Prozess gegen John Demjanjuk. Da hatte das Münchner Landgericht erstmals geurteilt, dass auch Wachleute die NS-Mordmaschinerie am Laufen gehalten hatten. Gegen Bruno D. hatte zunächst die zentrale Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg ermittelt. Sie hatte das Verfahren dann an die Hamburger Staatsanwaltschaft abgegeben. Jens Rommel, der Leiter der zentralen Aufklärungsstelle, erklärt, wieso Bruno D. mitverantwortlich für den tausendfachen Tod in Stutthof sein soll:
"Zu diesen Lagern, die wir überprüft haben, gehörte auch das KZ Stutthof. Und das ist nach unseren Erkenntnissen im Sommer 1945 systematisch in die sogenannte Endlösung der Judenfrage einbezogen worden. Das heißt, wir können eine Haupttat beschreiben, die als systematische Ermordung auch für alle Beteiligten erkennbar war. Und zu diesem Lager Stutthof haben wir dann fünf Wachmänner ermittelt und auch Frauen, die dort in der Kommandantur tätig waren, und diese Verfahren an die Staatsanwaltschaften abgegeben."
Eine Besonderheit des Prozesses ist, dass Bruno D. trotz seines hohen Alters vor einer Jugendstrafkammer angeklagt ist. Denn als Wachmann im KZ Stutthof war er erst 17 Jahre alt. Da er gesundheitlich angeschlagen ist, stand bis zuletzt infrage, ob der Prozess überhaupt stattfinden kann. Um Bruno D. gesundheitlich zu schonen, verhandelt das Gericht nur zwei Stunden pro Verhandlungstag. Bruno D. droht nach Jugendstrafrecht eine Maximalstrafe von zehn Jahren Haft.