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Landtag Baden-Württemberg
Verwirrung um AfD-Fraktionsspaltung

Die AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag ist um mehr als die Hälfte geschrumpft: Ihr bisheriger Chef Jörg Meuthen und zwölf Gleichgesinnte haben ihren Austritt erklärt. Grund ist der Streit um den Abgeordneten Wolfgang Gedeon, der wegen antisemitischer Äußerungen in der Kritik steht. Inzwischen hat Gedeon seinen Rückzug aus der AfD-Fraktion angekündigt.

    Meuthen sitzt an einem Tisch und spricht in eine Reihe von Mikrofonen. Neben ihm sitzen zwei weiterer Männer.
    Meuthen bei der Pressekonferenz in Stuttgart. (dpa / Daniel Maurer)
    Bisher bestand die Fraktion aus 23 Abgeordneten, künftig sind es nur noch zehn. Meuthen begründete den Ausstieg der 13 AfD-Parlamentarier mit dem Ergebnis einer fraktions-internen Abstimmung über einen Ausschluss Gedeons. Dabei sei eine von ihm angestrebte Zwei-Drittel-Mehrheit für den Rausschmiss nicht zustandegekommen.
    Der AfD-Abgeordneten Wolfgang Gedeon gibt nach einer Fraktionssitzung ein Statement vor Journalisten. 
    Ursache des Streits. Der Singener AfD-Abgeordnete Wolfgang Gedeon. (dpa-Bildfunk / Bernd Weißbrod)
    Unklar ist nun, welche der beiden Parlamentarier-Gruppen die AfD künftig offiziell im Landtag vertritt. Meuthen beansprucht dieses Recht für sich und seine Mitstreiter. Auch der AfD-Bundesvorstand erklärte, man erkenne nur Meuthen an sowie jene Abgeordneten, die sich ihm anschlössen. Antisemitismus habe keinen Platz in der Partei. Aber auch die verbleibenden derzeitigen AfD-Abgeordneten können weiterhin eine Fraktion stellen: Die Mindestzahl dafür liegt bei sechs Parlamentarieren.
    Gutachten sollen Antisemitismus-Vorwürfe bestätigt haben
    Meuthen hatte bereits vor Wochen mit seinem Rücktritt gedroht, sollte Gedeon nicht aus der Fraktion ausgeschlossen werden. Herausgekommen war aber lediglich, dass der Abgeordnete aus Singen seine Mitgliedschaft zunächst ruhen lässt. Währenddessen sollten die Antisemitismus-Vorwürfe gegen ihn geklärt werden. Laut Meuthen ist dies inzwischen geschehen: Gleich zwei Gutachten hätten den Antisemitismus-Vorwurf bestätigt.
    Gedeon hat inzwischen seinen Rückzug aus der Fraktion im Stuttgarter Landtag angekündigt. Noch-Fraktionschef Meuthen hatte vergeblich versucht, Gedon aus der Fraktion auszuschließen. "Der Fraktionsbruch ist rechtskräftig", sagte Meuthen nach der Erklärung Gedeons. An diesem Mittwoch sollen die Abgeordneten zusammenkommen, um über eine mögliche Neugründung der AfD-Fraktion zu tagen, kündigte Meuthen an. "Wenn nun mindestens fünf Abgeordnete überlaufen zu uns, dann kann die andere Gruppe nicht als Fraktion existieren. Dann gibt es eine neue AfD-Fraktion frei von Antisemitismus", betonte er.
    Frauke Petry sieht Fraktionsspaltung abgewendet
    Das Büro von Parteichefin Frauke Petry, die auch nach Stuttgart gereist war, erklärte hingegen, mit dem Rückzug von Gedeon sei eine Spaltung der AfD-Fraktion in Baden-Württemberg abgewendet worden. In den kommenden Tagen werde die Partei daran arbeiten, "zu alter Stärke und Einheit zurückzufinden". Petry und Meuthen sind allerdings heillos zerstritten, wie DLF-Korrespondentin Uschi Götz berichtet. Hintergrund sei ein innerparteilicher Machtkampf, das Meuthen-Gauland-Höcke Trio möchte Petry als Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl verhindern.
    Die anderen Parteien im Stuttgarter Landtag begleiteten die AfD-Spaltung mit heftiger Kritik an Meuthen. Dieser habe die Quittung für seine skrupel-und verantwortungslose Strategie erhalten, auf dem Ticket von Ressentiments in den Landtag zu segeln, erklärten die Grünen-Landesvorsitzenden Thekla Walter und Oliver Hildebrand. CDU-Landes-Generalsekretär Manuel Hagel meinte, Meuthen fliege seine "unverständliche Verzögerungstaktik" beim Umgang mit den antisemitistischen Äußerungen Gedeons "ordentlich um die Ohren". Auch SPD-Fraktionschef Andreas Stoch erklärte, die AfD sei an ihrer Unfähigkeit gescheitert, sich von Antisemitismus und Rechtsextremismus abzugrenzen. Der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Hans-Ulrich Rülke meinte, Meuthen habe Radikale und Antisemiten angezogen, die ihn nun verschlängen.
    Antisemitischer Grundton
    Auch wenn Gedeon selbst darauf beharrt, kein Antisemit zu sein: Einige seiner Publikationen lassen nach Ansicht Vieler einen deutlichen antisemtischen Grundton erkennen. Die Kritik entzündete sich unter anderem an Passagen in Gedeons Buch "Der grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten". So schrieb er im Zusammenhang mit dem Holocaust von "gewissen Schandtaten". Zudem hatte er Holocaust-Leugner als "Dissidenten" bezeichnet und so mit Menschen verglichen, die für ihr politisches Engagement in autoritären Regimes verfolgt werden. Von ihm stammt auch der Satz: "Das Talmud-Judentum ist der innere Feind des christlichen Abendlandes." Gedeon hält zudem die sogenannten Protokolle der Weisen von Zion, von denen Antisemiten Theorien über eine angebliche jüdische Verschwörung ableiten, für "eher" keine Fälschung.
    (mg/tzi/vic)