Die Grünen um Ministerpräsident Winfried Kretschmann sind erneut stärkste Kraft in Baden-Württemberg, erreichen sogar ihr historisch bestes Wahlergebnis. Der Koalitionspartner CDU muss hingegen erneut auf ein historisch schlechtes Wahlergebnis blicken. Auch die SPD hat erneut verloren, für eine Ampelkoalition mit Grünen und FDP würde es aber reichen. Die FDP konnte zwei Prozentpunkte hinzugewinnen.
Hochrechnung Baden-Württemberg
Winfried Kretschmann von den Grünen sei als starker Krisen-Lotse wiedergewählt worden, sagte Birgit Wentzien, Chefredakteurin des Deutschlandfunks. Auch einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen zufolge haben die Grünen den Wahlsieg vor allem ihrem Ministerpräsidenten Kretschmann zu verdanken. Er sei ein "überragender Faktor" gewesen. 80 Prozent aller Menschen im Land bescheinigten ihm eine gute Arbeit.
Nach Zahlen des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap sehen immerhin fast 30 Prozent der Baden-Württemberger die Grünen als die Partei, die die Coronakrise am ehesten bewerkstelligen kann. Allerdings ist eine Mehrheit von 56 Prozent mit dem Pandemie-Management der Landesregierung nicht zufrieden. Die Unzufriedenheit scheint da aber eher den Koalitionspartner getroffen zu haben.
Baden-Württemberg ist schon lange keine CDU-Hochburg mehr,
ordnete Dlf-Hauptstadtkorrespondent Stephan Detjen das Ergebnis der Partei ein.
Die Enttäuschung über das Ergebnis sei gar nicht so groß, man sei auf ein schlechtes Ergebnis vorbereitet gewesen. Kritik werde es jetzt insbesondere an Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann und am Landesvorsitzenden Thomas Strobl geben.
Das sieht auch Dlf-Landeskorrespondentin Katharina Thoms so.
Eisenmann habe sich stark über ihre Forderung nach Schulöffnungen trotz Corona profiliert, das hätten die Wähler nicht honoriert. Eisenmann könne das schlechte Ergebnis auch nicht auf die Masken-Affäre der CDU schieben. Viele Wähler hätten wegen der Pandemie die Chance zur Briefwahl genutzt und so bereits vor Bekanntwerden des Skandals gewählt. Etwa 50 Prozent der Wähler haben in Baden-Württemberg per Brief gewählt, deutlich mehr als sonst. Die Briefwahl habe der CDU hier in die Hände gespielt, sagte Stephan Detjen, die Masken-Affäre hätte das Ergebnis der CDU sonst noch weiter gedrückt.
Dass in Baden-Württemberg auch Koalitionen ohne die CDU möglich sind, habe auch eine bundespolitische Bedeutung, meint Dlf-Chefredakteurin Birgit Wentzien. Mit einer schwachen CDU könne es auch im Bund Regierungen ohne die CDU geben.
Ein Sieger der Wahl ist auch die FDP. Über drei Prozentpunkte hat die FDP nach ersten Prognosen dazugewonnen. Grund dafür sei insbesondere Rückenwind aus Berlin, sagte Dlf-Korrespondent Stephan Detjen. Die FDP habe sich konsequent mit Kritik an der Regierung profiliert. Das Ergebnis gebe der FDP auch Rückenwind im Bund. Die Liberalen hätten mit diesem Kurs ihr Freiheitsprofil geschärft, sagte auch Birgit Wentzien, Chefredakteurin des Deutschlandfunks. Die Partei habe sich erfolgreich als Kraft profiliert, die den Corona-Kurs zwar kritisiert, dabei aber nicht die Gefährlichkeit des Virus kleinredet.
Die SPD sehe insgesamt zufrieden auf den Wahltag, beobachtet Hauptstadtkorrespondent Stephan Detjen. Die Partei blicke dabei aber lieber nach Rheinland-Pfalz, wo Ministerpräsidentin Malu Dreyer die SPD nach ersten Prognosen erneut zur stärksten Kraft machen konnte. Es habe sich für die SPD auch ausgezahlt, auf Bundesebene kritische Töne zur CDU und deren Pandemie-Management anzuschlagen. Die SPD habe dabei in ihrem Auftreten zeitweise an eine Oppositionspartei erinnert. Die CDU habe nun auch den Missmut der Bevölkerung in beiden Landtagswahlen gespürt. Die SPD werde nun wieder und wieder darauf hinweisen, dass Koalitionen auf allen Ebenen auch ohne die CDU möglich seien, sagte Nadine Lindner aus dem Dlf-Hauptstadtstudio.
Grüne und CDU
Vieles deutet auf eine Fortsetzung der grün-schwarzen Koalition hin. "Es gibt keine Wechselstimmung im Land", sagte der Vorsitzende der CDU Baden-Württemberg, Thomas Strobl, kurz nach Veröffentlichung der ersten Prognose. Die CDU sei immer bereit, Verantwortung zu tragen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann betonte, offen Gespräche führen zu wollen. Der Vorsitzende der Landtagsfraktion der Grünen, Andreas Schwarz, sagte im Gespräch mit dem Deutschlandfunk, man werde zuerst mit der CDU und dann mit FDP und SPD sprechen. Das solle aber nicht als Zeichen gewertet werde, ordnete Kretschmann das Vorgehen ein. Man orientiere sich bei der Reihenfolge an den Wahlergebnissen.
Im Vorfeld der Wahl gab es aus den Reihen der Grünen
auch einige kritische Stimmen gegenüber dem Koalitionspartner.
Die Landesvorsitzende Sandra Detzer hatte auf dem Parteitag gesagt: "Lasst uns gemeinsam kämpfen gegen diejenigen, die ambitionierten und wirksamen Klimaschutz verhindern. Und ja, diese Verhinderer haben in Baden-Württemberg einen Namen: CDU. Sie war unser Klotz am Bein - ohne den wir noch viel mehr hätten hinbekommen können."
CDU-Landeschef Thomas Strobl, Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident, hatte diesen Angriff freundlich abprallen lassen: "Das zeigt ja, dass die CDU in dieser Koalition als CDU offensichtlich sichtbar und erkennbar ist und dass wir durchaus in der Regierungsarbeit, die gut und verlässlich ist, unsere eigenen Akzente auch gesetzt haben."
CDU-Landeschef Thomas Strobl, Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident, hatte diesen Angriff freundlich abprallen lassen: "Das zeigt ja, dass die CDU in dieser Koalition als CDU offensichtlich sichtbar und erkennbar ist und dass wir durchaus in der Regierungsarbeit, die gut und verlässlich ist, unsere eigenen Akzente auch gesetzt haben."
Ampelkoalition: SPD, FDP, Grüne
Sicher ist, dass Grüne und SPD zusammen mit der FDP regieren könnten. Die Grünen-Landesvorsitzende Detzer hatte sich im Vorfeld der Wahl für eine Ampelkoalition mit SPD und FDP ausgesprochen. "Sie können auch davon ausgehen, dass wir Gespräche führen mit SPD und FDP. Das wäre die Präferenz." SPD-Generalsekretär lars Klingbeil betonte nach der Wahl, die SPD sei bereit, in die Regierung einzutreten.
Der FDP-Landesvorsitzende Michael Theurer signalisierte ebenfalls Gesprächsbereitschaft für eine Ampel: "Wenn Winfried Kretschmann uns zu Regierungsgespräch einlädt, werde ich unseren Gremien vorschlagen, diese Gespräche ergebnisoffen zu führen." Man wolle sich insbesondere für den Mittelstand engagieren. "Wir sehen uns in unserem Kurs gestärkt, wieder Regierungsverantwortung übernehmen zu wollen", betonte auch der FDP-Politiker Hans Ulrich Rülke.
Auch ein Dreierbündnis von CDU, SPD und FDP wäre rechnerisch möglich. Der Vorsitzende der Landtagsfraktion der Grünen, Andreas Schwarz, sagte im Deutschlandfunk, dass die CDU diese Option aber bereits ausgeschlossen habe.