Die Christlich-Soziale Union (CSU) ist seit Jahrzehnten die dominierende Kraft im Freistaat – nur zweimal in der Nachkriegszeit stellte die SPD kurz den Regierungschef. Fast immer war die bayerische Staatskanzlei fest in Hand der CSU.
Auch bei der Landtagswahl am 8. Oktober 2023, bei der es rund 9,4 Millionen Wahlberechtigte gibt, geht es vor allem um die Frage, wie stark die CSU wird und mit wem sie koaliert. Alle anderen Parteien sortieren sich dahinter ein. Dass CSU-Chef Markus Söder bayerischer Ministerpräsident bleibt, gilt als ziemlich sicher. Und auch eine Fortsetzung der Koalition mit den Freien Wählern ist wahrscheinlich.
In einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen vom 5. Oktober kommen die Christ-Sozialen allerdings auf lediglich 37 Prozent. Damit ist die CSU von Ministerpräsident Markus Söder zwar die stärkste Partei, aber für ihre Verhältnisse ist das ein schlechtes Umfrageergebnis.
Wer sind die Spitzenkandidaten der Parteien in Bayern?
Für die CSU tritt Ministerpräsident Markus Söder erneut an. Bei der vergangenen Landtagswahl 2018 hatte er mit 37,2 Prozent für CSU-Verhältnisse ein enttäuschendes Ergebnis erhalten. Der 56-jährige Regierungschef gibt als Wahlziel eine stabile Mehrheit und die Fortsetzung der bestehenden Koalition mit den Freien Wählern aus. Von den absoluten Mehrheiten früherer Zeiten ist die CSU deutlich entfernt.
Spitzenkandidat der Freien Wähler ist Hubert Aiwanger. Der bayerische Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident machte im Sommer bundesweit Schlagzeilen. Kritik brachte ihm die Aussage ein, eine schweigende Mehrheit müsse sich die "Demokratie zurückholen".
Im Wahlkampf wurden Antisemitismus-Vorwürfe gegen Aiwanger wegen diverser Vorfälle in seiner Schulzeit in den späten 1980ern-Jahren erhoben. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete über ein Flugblatt und den Verdacht, wonach Aiwanger als 17-Jähriger der Autor des Pamphlets gewesen sei, das man damals in seinem Schulranzen gefunden habe. Aiwanger selbst bestritt dies. Sein Bruder Helmut erklärte, er sei der Urheber gewesen. In dem Flugblatt wurde als erster Preis eines fiktiven Wettbewerbs "Ein Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz" ausgelobt.
Aiwanger reagierte mit einer Mischung aus Dementis, Entschuldigungen, Erinnerungslücken und Kampagnenvorwürfen gegen Medien auf die Debatte. Ministerpräsident Söder hielt trotz massiver öffentlicher Kritik an ihm fest.
Die anderen Spitzenkandidatinnen und -kandidaten sind zumeist eher unbekannt. Katharina Schulze und Ludwig Hartmann gehen für die Grünen ins Rennen. Schulze ist Politikwissenschaftlerin und seit 2017 Vorsitzende der Grünen-Fraktion im bayerischen Landtag. Der Kommunikationsdesigner Hartmann gehört dem Landtag seit 2008 an und ist Mitglied im Haushaltsausschuss.
Auch die AfD setzt auf ein Spitzenduo: Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm. Die Bilanzbuchhalterin Ebner-Steiner ist unter anderem Sprecherin ihrer Fraktion für Heimat, Religion, Finanzen und Frauen. Der Versicherungswirt und Kommunikationswissenschaftler Böhm ist in der bayerischen AfD-Fraktion Sprecher für Europa- und Bundespolitik.
Spitzenkandidat der Sozialdemokraten ist Florian von Brunn. Von Beruf ist er IT-Berater. Von Brunn ist Vorsitzender der Landes-SPD und der SPD-Fraktion im Landtag. Die FDP wird von Martin Hagen in die Landtagswahl geführt. Der Strategie- und Kommunikationsberater ist Chef der Landespartei und der Landtagsfraktion der Liberalen.
Wie sehen die Umfragen zur Landtagswahl in Bayern aus?
In den Umfragen zur Landtagswahl in Bayern ist die CSU klar stärkste Kraft. In den Umfragen aus dem September lagen die Christsozialen bei 36 bis 38 Prozent. Die Freien Wähler rangieren zwischen 14 und 16 Prozent. Bei 13 bis 16 Prozent landen die Grünen in den Erhebungen. Auf einem Niveau von 12 bis 14 Prozent bewegt sich die AfD. Die SPD liegt um die 8 bis 9 Prozent. Die FDP kommt in den letzten Umfragen nur auf 3 bis 4 Prozent und würde damit den Wiedereinzug in den Landtag in München verfehlen.
Was sind die wichtigsten Themen im bayerischen Wahlkampf?
Von Cannabis-Freigabe über Flüchtlingspolitik bis Heizungsgesetz setzt die regierende CSU im Wahlkampf stark auf Kritik an der Bundesregierung. Die CSU wirft SPD, Grünen und FDP eine „ideologische Politik“ und „Murksgesetze“ vor. Auch Söders Vize-Ministerpräsident Aiwanger profiliert sich als Gegner der Ampelkoalition.
Söder und Aiwanger nahmen im Juni 2023 an einer Kundgebung von rund 13.000 Menschen, darunter auch AfD-Sympathisanten, gegen das geplante Heizungsgesetz teil. Beide ernteten für ihre Teilnahme an der Demonstration in Erding bei München viel Kritik. SPD und Grüne warfen ihnen „destruktiven Populismus“ und Stimmenfischen am rechten Rand vor.
Die Grünen versuchen sich, davon abzugrenzen, unter anderem mit dem Slogan „Wir setzen auf Machen statt Meckern“. Sie wollen etwa einen Ausbau der Windkraft in Bayern. Die AfD wirbt mit dem Slogan „Unser Bayern zuerst“ dafür, die angebliche „Migration in die Sozialsysteme“ zu beenden. Die bayerische AfD gilt - ähnlich wie Björn Höcke in Thüringen - als besonders völkisch und radikal.
Eine große Rolle im Wahlkampf spielt der Wohnungsbau, denn es mangelt an bezahlbaren Wohnungen. 10.000 wollte die aktuelle CSU-Landesregierung bis 2025 bauen, doch nur ein Bruchteil scheint bis dahin fertig zu werden. Bayern stehe besser da als der Rest Deutschlands, sagt Christian Bernreiter, Bayerns Staatsminister für Wohnen, Bau und Verkehr; die Opposition spricht von Versäumnissen, der Staat müsse mehr investieren.
Die SPD fordert unter anderem einen „massiven Ausbau der Kinderbetreuung“. Auch die FDP legt in ihrem Wahlprogramm einen Schwerpunkt auf frühkindliche Bildung.
Welche Koalitionen sind denkbar in Bayern?
Eine Fortsetzung der Koalition aus CSU und Freien Wählern gilt als wahrscheinlich, auch wenn die Zusammenarbeit zwischen den beiden Partnern in den vergangenen Jahren nicht immer reibungslos lief. Das Regieren mit selbstbewussteren Freien Wählern dürfte für die CSU nicht einfacher werden. Söder hat sich trotzdem mehrfach auf eine Fortsetzung der Koalition festgelegt.
Dass Ministerpräsident Markus Söder mit einer der Ampel-Parteien (SPD, FDP oder Grüne) koaliert, scheint unrealistisch. Ein Bündnis mit den Grünen schließt der CSU-Chef sogar aus. Vor einigen Jahren hatte Söder hingegen noch mit den Grünen geflirtet.
Was ist die bundespolitische Bedeutung der Wahl?
Die CSU ist nicht nur in der Landespolitik, sondern auch in der Bundespolitik aktiv. 2021 wollte Markus Söder Kanzlerkandidat der Union werden. Damals scheiterten seine Ambitionen am Widerstand im CDU-Bundesvorstand, der den damaligen Parteichef Armin Laschet als Kanzlerkandidaten durchsetzte. Laschet erhielt bei der Bundestagswahl im Herbst 2021 ein historisch schlechtes Ergebnis. Wegen seiner Sticheleien gegen Laschet im Wahlkampf wurde Söder dafür eine Mitschuld gegeben.
Mit Blick auf die kommende Bundestagswahl 2025 lässt Söder keine erneuten Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur erkennen, etwa Anfang August 2023 im ARD-Sommerinterview. Er verwies dabei auf die Erfahrung 2021. Er werde von Bayern aus versuchen, "für Bayern und für Deutschland Gutes zu bewirken", sagte Söder. Mit Blick auf die Kanzlerfrage befürwortete er eine Entscheidung im Herbst 2024 nach den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland.
tei, dpa, Reuters, AFP