Landtagswahl in Hessen
Die CDU kann sich den Koalitionspartner aussuchen

Die CDU hat die Landtagswahl in Hessen klar gewonnen – Boris Rhein wird Ministerpräsident bleiben und kann sowohl weiter mit den Grünen regieren als auch mit der SPD koalieren. Auch seine bundespolitischen Ambitionen dürften gestärkt werden.

    Boris Rhein (CDU), ein Mann Anfang 50, steht auf einer Bühne und breitet die Arme weit aus. Links hinter ihm steht eine Frau, Astrid Wallmann und Manfred Pentz.
    Boris Rhein, Ministerpräsident von Hessen und CDU-Spitzenkandidat, feiert das Ergebnis seiner Partei bei der Wahlparty. (picture alliance / dpa / Lando Hass)
    Aus der Landtagswahl in Hessen ist die CDU mit 34,6 Prozent der Stimmen als eindeutiger Wahlsieger hervorgegangen. Boris Rhein bleibt Ministerpräsident, rechnerisch sind verschiedene Koalitionen unter Führung der CDU möglich.
    Die SPD-Spitzenkandidatin Nancy Faeser hat ihr Ziel, die Regierung abzulösen, nicht erreicht. Sie hatte erklärt, nur als Wahlsiegerin in Hessen bleiben zu wollen - so bleibt sie in Berlin. Stärken wird dieses Wahlergebnis ihre Position als Innenministerin nicht.

    Inhaltsverzeichnis

    Wie haben die Parteien bei der Landtagswahl in Hessen abgeschnitten?

    Die CDU hat stark zugelegt und kommt im vorläufigen amtlichen Endergebnis auf 34,6 Prozent. Zweiter Wahlsieger ist die AfD, die mit 18,4 Prozent zweitstärkste Kraft wurde. SPD und Grüne haben beide hingegen deutlich verloren - die Sozialdemokraten kommen auf 15,1 Prozent, die Grünen auf 14,8 Prozent.
    Die FDP, die bei der letzten Wahl noch 7,5 Prozent der Stimmen erzielt hatte, musste am späten Wahlabend um den Wiedereinzug in den Landtag zittern und schaffte es dann aber knapp. Linke und Freie Wähler scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde.

    Was bedeutet das für die Sitzverteilung im Landtag und die künftige Koalition?

    Stärkste Fraktion wird die CDU, danach kommt mit großem Abstand die AfD. Die SPD verbucht einen Sitz mehr als die Grünen. Die kleinste Fraktion wird die FDP sein.
    Boris Rhein kann sich seinen Koalitionspartner aussuchen - reichen würde es sowohl für eine Zusammenarbeit mit den Grünen als auch mit der SPD. "Die Bürgerinnen und Bürger haben einen klaren Regierungsauftrag an die CDU Hessen erteilt", sagte Rhein in Wiesbaden. "Wir werden den Regierungsauftrag annehmen." Er kündigte die zeitnahe Aufnahme von Gesprächen mit Grünen, SPD und FDP an.

    Wie reagieren die Spitzenkandidaten auf die Landtagswahl?

    Ministerpräsident Rhein sprach von einem "unfassbar großartigen Tag" für die CDU. Er sieht einen klaren Regierungsauftrag der Wähler: "Sie haben die Hessen-CDU gewählt, aber sie haben auch Stil und Stabilität sowie sanfte Erneuerung gewählt." Man werde jetzt eine Regierung aus der Mitte des demokratischen Spektrums bilden.
    Bundesinnenministerin Faeser nannte das Ergebnis "enttäuschend". Sie habe den Sozialdemokraten als Spitzenkandidatin "leider nicht helfen" können, sagte sie vor Anhängern.
    Tarek Al-Wazir, der Spitzenkandidat der Grünen, sagte in Wiesbaden: "Wir mussten bergauf kämpfen." Er führte das Abschneiden seiner Partei auch auf einen negativen Einfluss aus Berlin zurück. Keine der Parteien der Ampelkoalition habe Rückenwind gehabt.

    Welche bundespolitischen Reaktionen gibt es?

    SPD-Chefin Saskia Esken räumte die Niederlage ihrer Partei ein, äußerte sich in der ARD beunruhigt über die Zugewinne der AfD und warnte vor trügerischen Erwartungen. "Die AfD wird tatsächlich auch von Menschen gewählt, die sich soziale Gerechtigkeit wünschen, von der AfD aber niemals bekommen würden." Die Bilanz der Ampelkoalition und auch deren sozialdemokratische Handschrift könnten sich sehen lassen. Man habe aber nicht geschafft, dies bei den Wahlen in den Mittelpunkt zu stellen.
    Der Grünen-Kovorsitzende Omid Nouripour sagte, es habe keine Wechselstimmung in Hessen gegeben. Zugleich machte er deutlich, dass seine Partei mit dem Ergebnis nicht zufrieden ist. Mit Blick auf die Verluste der drei Ampelparteien gab es reihenweise Aussagen aus der Koalition, dass das Auftreten des Bündnisses verbessert werden müsse. Ähnliches war aber schon mehrfach zu hören. Dennoch gab und gibt es immer wieder öffentlich ausgetragenen Streit innerhalb der Koalition.
    Trotz des knappen FDP-Wiedereinzugs in den hessischen Landtag äußerten sich nach der Wahl mehrere führende Liberale erneut kritisch über die Ampel. FDP-Chef Christian Lindner forderte eine "Asylwende". Auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki verlangte eine Kurskorrektur der Koalition im Bund.
    Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel sagte, die AfD sei kein Ost-Phänomen mehr, sondern eine gesamtdeutsche Volkspartei geworden. Die Linke-Parteivorsitzende Janine Wissler sprach angesichts des Scheiterns an der Fünf-Prozent Hürde in ihrem Heimatbundesland Hessen von einem "bitteren Abend". Immens geschadet hätten auch die Spekulationen über eine Parteineugründung durch die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht.
    Boris Rhein könnte durch die Wahl zu einem neuen Hoffnungsträger der CDU aufsteigen, ähnlich wie Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther. Vielleicht wird Rheins Name zukünftig auch gehandelt, wenn es um Kanzlerkandidaten der Union geht. CDU-Chef Friedrich Merz zeigte sich ebenfalls zufrieden. Seine Chancen auf die Kanzlerkandidatur dürften nicht gesunken sein - zumindest gegenüber Markus Söder, der in Bayern sogar knapp unter dem enttäuschenden CSU-Ergebnis von 2018 blieb.
    Rhein hatte sich im Landtagswahlkampf von Merz-Aussagen über die Gesundheitsversorgung abgelehnter Asylbewerber distanziert: "Das ist eine Wortwahl, die hätten Sie so von mir nicht gehört", hatte er gesagt. Am Tag nach der Wahl lobte Rhein hingegen die Führungsqualitäten des CDU-Chefs, der innerhalb der Partei Geschlossenheit geschaffen habe.
    Nancy Faeser hat sich hingegen mit ihrer gescheiterten Kandidatur für das Amt der Ministerpräsidentin keinen großen Gefallen getan. Ihre Position als Bundesinnenministerin dürfte durch den Wahlausgang geschwächt sein. Dennoch ist Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) "fest entschlossen, auch weiterhin mit Nancy Faeser als Bundesinnenministerin im Kabinett zusammenzuarbeiten", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am 9.10.2023 in Berlin. 

    beb, tei, dpa, Reuters, AFP, ARD, ZDF