Es herrscht Trubel an diesem Samstagmorgen im Café Innig in Rosenheim. Alle Stühle sind belegt, es wird geratscht, ein üppiges Frühstücksbuffet ist aufgebaut. Informieren, netzwerken und Ideen austauschen bei Musik, Kaffee und Prosecco. Das Motto der Veranstaltung: "Starke Frauen für Bayern". Dazu hat Daniela Ludwig eingeladen. Sie ist CSU-Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis und stellvertretende Generalsekretärin ihrer Partei. Zwei Wochen vor der bayerischen Landtagswahl hat sie eingeladen. Katharina Hüls, Vorsitzende der Frauen-Union Rosenheim Land:
"Meine lieben Damen. Ich darf Sie herzlich willkommen heißen."
Rund 80 Frauen sind der Einladung gefolgt. Neben Daniela Ludwig ist auch Marion Kiechle gekommen – die bayerische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst. Beide erzählen von ihrem Weg in die Politik. Ludwig zum Beispiel erinnert sich, wie es war, als sie mit 18 Jahren in den CSU-Ortsverband in Kolbermoor gegangen ist und mitmachen wollte:
"Und meine Damen, was wird man als Frau? Schriftführerin!"
Ihr Appel daher an die Gäste: "Deswegen tun Sie sich zusammen in ihren Verbänden. Schließen Sie sich in Ihrem Ortsverein zusammen und machen Sie mal ein Frauenteam. Überlegen Sie sich, was wäre unsere Chancen, was möchten wir erreichen? Und dann marschieren Sie los!"
Zu männliche und harte Rhetorik
Die CSU will schon lange weiblicher und jünger werden. Auf den wichtigsten Positionen sucht man nach Frauen allerdings vergeblich. Dass die Frauen wie heute in Rosenheim so umgarnt werden, hat aber einen weiteren Grund. Je nach Umfrage wird die CSU bei den Landtagswahlen mit 32 bis 38 Prozent der Stimmen so schlecht wie nie zuvor abschneiden. Will die CSU das Ruder noch herumreißen, braucht sie die Stimmen der Frauen. Diese sind seit 1974 zwar die treusten CSU-Wählergruppe, nach einem Sommer, in dem die CSU die Rhetorik in der Asylpolitik verschärfte, wenden sich aber viele ab: Migration sei die Mutter aller Probleme, polterte zum Beispiel der CSU-Parteivorsitzende und Innenminister Horst Seehofer. Mit Folgen: Nur noch 37 Prozent der Frauen wollen die CSU wählen, sieben Prozent weniger als noch im Mai. Bei den männlichen CSU-Wählern hingegen: fast keine Veränderung. Es gilt also, die Frauen zu mobilisieren, sagt Daniela Ludwig:
"Also ich hatte die Wahrnehmung, dass es den Frauen ein bisschen zu hart eingestiegen war. Die sind oft sehr sozial unterwegs und gut vor Ort verwurzelt, kennen viele Einzelfälle und fühlen sich durch eine zu harte Rhetorik dann teilweise sogar persönlich betroffen. Dieses zu Männliche, zu Harte ist für viele Frauen manchmal schwer verdaulich."
Zum Beispiel für Christine Domek-Rußwurm, Gemeinderätin im CSU-Ortsverband Frasdorf: "Es wird zu viel gestritten, viel zu viel gehackelt und gestritten. Und das muss man hervorheben. Es ist ein Thema von ganz vielen."
Zwar ist die Asylpolitik für den Großteil der Bayern das mit Abstand wichtigste Thema. Doch viele CSU-Wählerinnen engagieren sich in der Flüchtlingshilfe, wählen die Partei ausgehend von einem christlich-sozialen Wertefundament.
Auch Domek-Rußwurm ist in der Flüchtlingshilfe aktiv: "Ja ich bin engagiert in der Flüchtlingshilfe. Herr Seehofer ist in seiner Tonart manchmal schon sehr hart. Aber er hat nicht für einen Rechtsruck gesprochen, sondern für Recht."
Aber: Sie steht weiter zu ihrer Partei. Genau so wie Irmingard Rose, die durch ihre Tochter, die in einem Helferkreis für Geflüchtete war, ebenfalls aktiv wurde:
"Da bin ich von Anfang an mit tangiert gewesen. Zu Festen hatte ich immer mit Afghanen oder Syrern zu tun. Und muss ich sagen: Die sind sehr nett gewesen, sehr anständige Leute."
Keine glückliche Wortwahl in der Asylpolitik
Aktiv in der Flüchtlingshilfe zu sein und zugleich die scharfe Rhetorik in der Asylpolitik unterstützen. Ein Balanceakt für die CSU, wie zumindest Christine Domek-Rußwurm eingesteht:
"Der Balanceakt ist natürlich für mich schwierig, weil auch in meinem Freundeskreis sagen jetzt ganz viele. Wir können euch jetzt nicht mehr wählen."
Das kann Angelika Artmann, die Gemeinderätin aus Raubling, durchaus verstehen:
"Diese Wortwahl in der Asylpolitik war nicht sehr glücklich. Und Frauen reagieren da eben sehr sensibel drauf, wenn es um den sozialen Zusammenhalt geht. Und daher ist es von Vorteil, dass die Wortwahl entsprechend frauenfreundlicher wird."
Der Ton macht die Musik. An der Politik selbst stören sich hier weniger Frauen. Die meisten wollen weiterhin ihre CSU wählen. Das hänge, so Daniela Ludwig, auch damit zusammen, dass die Rosenheimer ...
"... der Landkreis waren, der am meisten vom Flüchtlingszustrom betroffen war. Und das haben die Leute hier noch im Nacken. Und da ist der Wunsch groß, dass sich so etwas nicht wiederholt."
Grüne als Alternative
So sei auch zu erklären, dass die Rosenheimer bei der Bundestagswahl mit 14 Prozent die AfD gewählt haben, während die CSU genau so viel verlor. Und trotzdem: Die kritischen Stimmen in den Reihen der CSU-Wählerinnen, die Rhetorik und Politik als zu radikal empfinden, mehren sich auch hier. Manche wenden der Partei deshalb tatsächlich den Rücken zu. Das hat zum Beispiel Norma Widmann beobachtet:
"Ich habe die Erfahrung gemacht, ich bin die Vorsitzende der Frauen-Union in meiner Gemeinde: Es sind zwei Damen deswegen ausgetreten."
Doch wohin wandern die Frauen ab? Eine Antwort, die bei Umfragewerten bis zu teilweise 18 Prozent naheliegend ist: zu den Grünen, die sich in Bayern viel bürgerlicher geben und trotzdem für eine humane Asylpolitik einstehen. Für die christlich-soziale Wählerschaft eine mögliche Alternative, sagt zumindest Martin Knobel. Er ist der Rosenheimer Kandidat der Grünen für den Landtag und wirbt im Wahlkampf-Finale in der Fußgängerzone für sich - nur wenige Meter von der CSU-Veranstaltung entfernt:
"Es sind definitiv auch ehemalige CSU-Wähler und -Wählerinnen. Aber gefühlsmäßig haben wir gerade bei Frauen einen besonderen Anklang gerade."
Der Stimmung im Café Innig, wo sich die starken Frauen heute treffen, tut das keinen Abbruch. Unterhalten, netzwerken, den CSU-Geist beschwören. Hier ist alles beim Alten - noch.