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Landtagswahl in Brandenburg
Kohleausstieg Thema im Wahlkampf-Endspurt

In der Lausitz in Brandenburg steht bis spätestens 2038 der Ausstieg aus der Braunkohle an. SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke hat in Berlin Milliarden-Hilfen für den Strukturwandel herausgeholt. Die SPD hofft, dass das Geld sie in der Wählergunst steigen lässt.

Von Vanja Budde |
Ein Schaufelradbagger steht im Braunkohletagebau Welzow-Süd der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG). Dahinter steigt Wasserdampf aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerkes Schwarze Pumpe.
Braunkohletagebau der LEAG und das Kraftwerk Schwarze Pumpe: Viele Menschen, die hier arbeiten, sind gegen den Kohleausstieg. (picture alliance/Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB)
Am Braunkohle-Kraftwerk Schwarze Pumpe demonstrieren hunderte Mitarbeiter des Betreibers LEAG gegen den Kohleausstieg.
"Unsere Kinder, unsere Enkel haben bisher, unsere Omas, Opas, von der Kohle gelebt und wir sollen jetzt hier aussteigen aus der Kohle! Wir halten das für völlig übertrieben und falsch."
"CO2 ist eine Lüge! Das ist wissenschaftlich bewiesen!"
So denken viele in der Lausitz, wo 5.000 Jobs noch direkt an der Braunkohle hängen, schätzungsweise 20.000 weitere an der Zulieferindustrie. Von den Zukunftsängsten dieser Menschen profitiert die AfD: Sie ist mit einem Drittel der Stimmen in der Lausitz am stärksten.
Der Ministerpräsident weiß um die miese Stimmung
"Diese Region war eine Bergbauregion. Braunkohle war das, wovon so viele Familien sehr gut lebten."
Erklärt Gabi Theiß, SPD-Landtagsabgeordnete aus der Lausitz.
"Und dann kam die Wende und der erste große Bruch für Tausende von Menschen hier in der Region, die von heute auf morgen durch das Abschaffen vieler Tagebaue, Brikettfabriken, was da alles so dranhing, plötzlich keine Arbeit mehr hatten. Wir hatten Arbeitslosigkeit von 50 Prozent und mehr glaube ich. Und die Menschen haben Angst, dass das, was sie schon einmal erlebt haben, wiederkommen kann."
Landtagswahl Brandenburg 2019
SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke weiß um die miese Stimmung: Er kommt aus Forst in der Lausitz. Kritiker werfen ihm vor, den Strukturwandel viel zu lange verschlafen zu haben. Das will Woidke nun, scheint es, aufholen: Seit Wochen vergeht kein Tag ohne Pressemeldung, dass neue Industrieunternehmen, Forschungsinstitute und sogar das Wissenschaftsministerium in der Lausitz angesiedelt werden sollen. SPD-Wirtschaftsminister Jörg Steinbach spricht vom Strukturwandel als einer Riesenchance, die nie wieder komme. Doch die Demonstranten in Schwarze Pumpe überzeugt das nicht, sagt der Betriebsratsvorsitzende Uwe Teubner.
"Im Moment sind das alles Ankündigungen, wir haben nichts. Das läuft alles parallel. Und die große Sorge ist, dass wir wieder hinten runterfallen, wäre nicht das erste Mal. Und daher kommt die Unsicherheit in der Belegschaft."
Milliardenhilfen des Bundes per Gesetz
Regierungschef und SPD-Spitzenkandidat Dietmar Woidke hoffte darum bei einer Kandidatenrunde im RBB-Fernsehen inständig, dass die Zusagen noch vor dem 1. September konkrete Formen annehmen.
"Wir haben da viel erreicht. Und das Strukturstärkungsgesetz ist in Arbeit. Es wird wahrscheinlich auch sogar noch vor der Landtagswahl in Brandenburg durchs Bundeskabinett gehen."
Wenige Tage später tat ihm die Große Koalition den Gefallen: Das Gesetz soll morgen (28.8.) vom Bundeskabinett beschlossen werden. Es sichert den Kohle-Ländern bis 2038 Milliardenhilfen des Bundes zu.
Weniger hilfreich für den Wahlkampf ist der bayerische Ministerpräsident: Dass Markus Söder von der CSU sich als Klimaschützer neu erfunden hat und den Ausstieg nun schon 2030 fordert, heizt in der Lausitz die Nervosität an.
"Und genau das ist das Problem: Man hat sich an einen Tisch gesetzt, man hat einen Kompromiss gefunden und bevor es richtig geregelt ist, redet man schon wieder darum, diesen Kompromiss zu kippen. Und das macht keinen Sinn, das macht Angst und wütend."
Hoffnungsschimmer für die Sozialdemokraten
"Das geht schon seit Jahren so, es vergeht kein Tag, wo man nicht Angst um den Job haben muss."
"Da kann Landes- und Bundespolitik eben nur durch Vertrauenswürdigkeit, durch Verlässlichkeit punkten."
Mahnt Thomas Zenker, seit vielen Jahren Bürgermeister von Großräschen. Vor seiner Haustür ist aus einem ausgekohlten Tagebau ein funkelnagelneuer See entstanden.
"Die Rahmenbedingungen, die jetzt gefordert werden, müssen verlässlich umgesetzt werden. Verlässlichkeit, gute Ideen, langfristige Überzeugungskraft, das muss gelingen - und dann bin ich auch zuversichtlich, dass wir diesen Trend auch wieder zum Positiven brechen können."
Einen Hoffnungsschimmer für die Sozialdemokraten gab es Ende vergangener Woche: In der neuesten Umfrage von Infratest dimap konnte die einstige "Brandenburg-Partei" etwas verlorenen Boden wieder gutmachen: Die SPD steigerte sich um vier Prozentpunkte auf 22 Prozent. Damit liegt sie nicht mehr hinter, sondern gleichauf mit der AfD. Mittlerweile für Brandenburger Sozialdemokraten ein Grund zu Freude und Erleichterung. Am Sonntag wird sich weisen, ob zu recht.