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Landtagswahl in Hessen
Denkzettel für Berlin

Nach den herben Verlusten für CDU und SPD bei der Landtagswahl in Hessen zeigen sich Politiker der Großen Koalition im Bund selbstkritisch. CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer sagte, man leiste gute Arbeit, überdecke die Erfolge aber oft durch Streit. Politiker der Oppositionsparteien sehen die Große Koalition abgestraft.

29.10.2018
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, l), Bundesinnenminister Horst Seehofer und SPD-Chefin Andrea Nahles im Kanzleramt.
    CDU und SPD in Hessen wurden bei der Landtagswahl für die Zustände in der Bundesregierung abgestraft. Darin sind sich die meisten Beobachter einig. (dpa / Rainer Jensen)
    Der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Union, Linnemann (CDU), mahnte Konsequenzen in der Union an. Wer in Berlin das hessische Ergebnis schönreden wolle, habe die Zeichen der Zeit nicht erkannt, sagte Linnemann der "Rheinischen Post". Alexander Mitsch, der Vorsitzende des konservativen Zusammenschlusses WerteUnion, forderte einen "inhaltlichen Kurswechsel, verbunden mit einem personellen Neubeginn an der Parteispitze". Merkel müsse den Parteivorsitz beim Bundesparteitag im Dezember zur Verfügung stellen, um einen Neubeginn zu ermöglichen, sagte der CDU-Politiker. Der hessische CDU-Landesgruppenchef im Bundestag, Brand, sagte im Dlf, ein "Weiter so" sei nicht möglich. "Auch Angela Merkel muss signalisieren, sie hat verstanden und dass sie bereit ist, etwas zu ändern."
    SPD-Chefin Nahles nannte den Zustand der Regierung "nicht akzeptabel". Die SPD lege das Schicksal aber nicht in die Hände ihres Koalitionspartners. Nahles stellte zugleich ein Ultimatum an das Bündnis und betonte, Union und SPD müssten einen verbindlichen Fahrplan vereinbaren. An dessen Umsetzung bis zur Halbzeitbilanz der Regierung werde sich entscheiden, ob die SPD in der Koalition noch richtig aufgehoben sei.
    Juso-Chef Kühnert will Neuwahlen
    Juso-Chef Kühnert forderte die SPD auf, sich auf Neuwahlen vorzubereiten - und nicht auf den Herbst 2019 zu warten, der als Zeitvorgabe in der Revisionsklausel im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Es sei "offensichtlich, dass den Regierungsparteien die Kontrolle über die Existenz der Regierung ein bisschen entgleitet." Jedes kleine Feuerchen könne das Ganze zum Explodieren bringen, sagte er dem Fernsehsender Phoenix.
    Grünen-Chef Habeck nannte das starke Wahlergebnis der hessischen Grünen ein klares Signal, dass Wahlen nicht nur am Rechtsaußen-Rand gewonnen würden, sondern mit pro-europäischer Vernunft und antipopulistischer Politik.
    Politiker der anderen Oppositionsparteien in Berlin führten das Ergebnis aus Hessen explizit auf die Bundespolitik zurück. AfD-Chef Gauland sagte, die Wähler hätten die Koalition "bewusst abgestraft". Die Linken-Vorsitzende Kipping sprach von einer Denkzettelwahl, FDP-Chef Lindner von einem "Misstrauensvotum".