"Die AfD ist nicht nur fremdenfeindlich", so Fahimi. Ihre Politik sei in verschiedener Hinsicht "unsinnig". Als Belege nannte sie den geforderten Ausstieg aus der Energiewende, die Ablehnung der gleichgeschlechtlichen Ehe und die Forderung eines Referendums über das Recht auf Abtreibung.
Sie verstehe nicht, warum sich Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU ) nicht im Vorfeld der Wahl klar geäußert und eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen hätte. Die schlechte Wahlbeteiligung stärke zudem immer die politischen Ränder.
SPD-Ergebnis für sächsische Verhältnisse gut
Das SPD-Ergebnis mit 12,4 Prozent begrüßte sie. "Selbstverständlich ist das kein Ergebnis, das wir als Anspruch im Bund legen. Aber man muss von den Gegebenheiten in Sachsen ausgehen." Es sei zumindest ein Zuwachs, alle anderen bisherigen Fraktionen des Landtags hätten Stimmen verloren.
Martin Dulig habe der SPD in Sachsen mehr Profil gegeben. "Er bleibt für uns dort der Hoffnungsträger. Wenn jetzt noch eine Regierungsbeteiligung herauskommt, wäre es die 14. in 16 Bundesländern."
Das Interview mit Yasmin Fahimi in voller Länge:
Friedbert Meurer: Zur Landtagswahl gestern in Sachsen. Da hat die CDU, die seit 24 Jahren das Land unangefochten regiert, mit 39,4 Prozent zwar knapp das Wahlziel von 40 Prozent verpasst, aber sie steht als Wahlsiegerin fest. Stanislaw Tillich wird weiter Ministerpräsident Sachsens bleiben. Das war erwartet worden.
Die Linke landet bei 18,9 Prozent, die SPD bei 12,4, die FDP scheidet aus dem Landtag aus mit 3,8 Prozent, die Grünen bleiben drin, 5,7 Prozent, die NPD verpasst den Wiedereinzug nur hauchdünn mit 4,95 Prozent und die Sensation des Abends war vermutlich, dass die Alternative für Deutschland AfD mit gleich 9,7 Prozent in den Landtag von Sachsen einzieht. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp unter 50 Prozent.
Über die SPD haben wir geredet, ihr Abschneiden bei dieser Landtagswahl, und in Berlin begrüße ich jetzt die Generalsekretärin der Bundes-SPD, Yasmin Fahimi. Guten Morgen, Frau Fahimi!
Yasmin Fahimi: Schönen guten Morgen, Herr Meurer.
Meurer: Ist die Enttäuschung groß, dass es nur gerade mal zwölf Prozent geworden sind für die Kollegen und die Kolleginnen in Sachsen?
Fahimi: Nein. Wir können ja keine Wunder erwarten. Und man muss ja sagen, dass mit einem Zuwachs von zwei Prozent das ja zumindest ein Zuwachs ist, den nur die SPD aus den jetzigen Fraktionen des Landtages für sich einnehmen konnte. Alle anderen haben ja verloren.
"Ein bittersüßes Ergebnis"
Meurer: Aber trotzdem: Zwölf Prozent, in jedem anderen Bundesland wäre das eine Katastrophe.
Fahimi: Ja selbstverständlich ist das kein Ergebnis, das habe ich auch gestern mehrfach gesagt, das wir als Anspruch als Volkspartei im Bund legen würden. Aber man muss natürlich von den Gegebenheiten in Sachsen zunächst einmal ausgehen und ich finde, wir können schon stolz darauf sein, dass Martin Dulig es gelungen ist, in Sachsen der SPD wieder mehr Profil zu geben, und er einen hervorragenden Wahlkampf gemacht hat.
Wenn jetzt dabei gegebenenfalls tatsächlich sogar auch noch eine Regierungsbeteiligung herauskommt, dann wäre das die 14. in 16 Bundesländern. Insofern ist das, wie ich gestern ja schon gesagt habe, ein bittersüßes Ergebnis.
Meurer: Unsere Kollegin Nadine Lindner hat eben gesagt, der SPD ist es nicht gelungen, in Sachsen sich zwischen CDU und Linke zu behaupten und zu positionieren. Warum nicht?
Fahimi: Na ja, das würde ich etwas anders einschätzen. Die CDU ist dort natürlich eine tragende Kraft. Ich bin zwar etwas verwundert über die Wahlkampfstrategie der Union, aber es ist natürlich immer schwer, einer amtierenden Partei tatsächlich etwas entgegenzusetzen, die dort regiert. Ich glaube aber, dass es gelungen ist, deutlich zu machen, in Fragen der Lehrer- und Polizeibeschäftigten einen anderen Akzent zu setzen, und dass wir auch mit Blick auf der anderen Seite gegenüber AfD und FDP einen anderen Kurs fahren.
Die Regierungspartei von Union und FDP, muss man sagen, ist in Sachsen ja durchaus auch mit einem schlechteren Wahlergebnis bestraft worden, und ich glaube, dass das ist auch eine Folge zum Beispiel davon ist, dass die Regierung Widerstand gegen den Mindestlohn gezeigt hat und versucht hat, den zu verhindern, dass sie auch gegen den Drogeneinzug in Sachsen nicht allzu viel entgegengesetzt hat und hier weiter Polizisten abgebaut hat. Insofern haben beide einen sehr widersprüchlichen Wahlkampf gemacht, der ja nicht offensichtlich wirklich von den Wählern goutiert worden ist.
"Wir sind die einzige Partei, die zulegen konnte"
Meurer: Und trotzdem hat die CDU, sagen wir mal, ungefähr ein Prozent verloren. Sie verweisen, Frau Fahimi, darauf: Sie haben den Mindestlohn durchgesetzt in Berlin, Sie haben die Rente mit 63 als Ausnahme durchgesetzt. Aber so richtig scheint die SPD nicht vom Fleck zu kommen, siehe Europawahl und jetzt auch Sachsen. Frustriert das ein wenig?
Fahimi: Nein, noch mal: Wir haben es bewiesen, trotz aller Unkenrufe, dass wir sowohl bei der Europawahl als auch jetzt in Sachsen die einzige Partei sind, die zulegen konnte, und insofern kann das ja nicht stimmen, dass unsere Politik in Berlin hier eine Belastung wäre, sondern im Gegenteil. Wir wissen auch von den Hintergrundbefragungen, auch in Sachsen, dass zum Beispiel die Mehrheit der Sachsen-Wähler auch den Mindestlohn befürwortet.
Meurer: Ich sage ja nicht, dass das Gegenwind gebracht hätte, aber die Erfolge, die Sie für sich in der Koalition in Berlin haben erringen können, in den Koalitionsverhandlungen und danach in Wahlergebnissen, wartet man noch darauf, dass das sich so richtig umschlägt, oder?
Fahimi: Noch mal: Wir haben bei der Europawahl deutlich zugelegt, so viel wie noch nie in einer bundesweiten Wahl, und wir haben jetzt auch in Sachsen zwei Prozent im Gegensatz zu allen anderen Parteien zugelegt. Insofern glaube ich, wäre das jetzt hier eine falsche Auswertung zu sagen, dass wir nicht von unserer Politik in Berlin auch profitieren würden. Aber davon abgesehen, muss man natürlich jede Wahl auch für sich betrachten, Europa für Europa und Sachsen für Sachsen.
"Man muss die Kirche im Dorf lassen: In Sachsen sind andere Verhältnisse"
Noch einmal: Wir wollen gar nicht verhehlen, natürlich ist das kein Ergebnis, das wir irgendwo anders im Bund für die SPD anstreben und damit zufrieden wären. Aber man muss ja jetzt noch mal die Kirche im Dorf lassen. In Sachsen sind andere Verhältnisse. Sie sind ja auch darauf eingegangen, dass es zum Teil für die SPD dort sehr schwierig sich entwickelt hat, dass wir sehr klare Entscheidungen und Abgrenzungen auch zu ehemaligen SED-Mitgliedern etc. getroffen haben, und insofern glaube ich, können wir zunächst einmal dort ein Ergebnis formulieren, mit Martin Dulig, auf das wir aufbauen und das ausbaubar ist.
Martin Dulig bleibt für uns dort der Hoffnungsträger. Nichts desto Trotz gibt es für uns in Sachsen eine ganz andere Herausforderung, und das ist der wachsende rechte Rand, der nicht zuletzt auch von der Union provoziert worden ist.
Meurer: Die NPD ist knapp rausgeflogen, unter fünf Prozent. Die Überraschung des Abends gestern war die Alternative für Deutschland: 9,7 Prozent. Sie sagen, da sei Tillich und die CDU ein bisschen selber dran schuld, weil dort eine Koalition nicht klar und deutlich ausgeschlossen worden ist. Andererseits, Frau Fahimi, ist da auch ein bisschen Schadenfreude dabei, dass jetzt auch die CDU Konkurrenz von rechts bekommt?
"Wachsende rechte Rand wurde von Union provoziert"
Fahimi: Nein, über so etwas kann ich mich überhaupt nicht freuen, sondern ich betrachte das mit sehr viel Sorge, was sich dort entwickelt. Das ist eine ziemlich rechte Suppe, die sich da zusammenbraut aus ganz vielen vorurteilsbehafteten Aspekten. Das geht ja quer durch den Gemüsegarten.
Das sind nicht nur fremdenfeindliche Äußerungen, sondern es ist zum Teil eine völlig unsinnige Politik, die da behauptet, dass die Klimaprognosen längst widerlegt wären und wir aus der Energiewende aussteigen sollten, eine Ablehnung gleichgeschlechtlicher Ehen, ein Referendum über Abtreibung wird dort vorgeschlagen, also völlig absurde Aspekte, und das kann mich nur mit Sorge umtreiben und ich habe auch nicht verstanden, warum Herr Tillich, anders als die Bundes-CDU, sich hier nicht bereits im Wahlkampf klar dazu hat äußern können, mit der AfD nicht zu koalieren.
Damit provoziert er natürlich hier auch sozusagen einen entsprechenden Wählerfang, der noch zusätzlich durch eine nach unten getriebene Wahlbeteiligung natürlich noch mal weiter gestärkt worden ist. Einen Wahltag ans Ende der Ferien zu legen, das ist schon auch eine, sagen wir mal, wie ich finde, Frechheit gegenüber den Wählerinnen und Wählern und provoziert wie gesagt aus meiner Sicht eine schlechte Wahlbeteiligung, und wir wissen, dass das immer die Ränder stärkt.
Meurer: Die Generalsekretärin der SPD, Yasmin Fahimi, zum Ausgang der Landtagswahl gestern in Sachsen. Frau Fahimi, schönen Dank und auf Wiederhören.
Fahimi: Danke!
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