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Landtagswahl in Sachsen
Rot-rot-grüne Träume, allen Umfragen zum Trotz

SPD, Linke und Grüne sind in Sachsen derzeit weit von einer Mehrheit entfernt. SPD und Linke müssen sogar mit deutlichen Verlusten rechnen. Dennoch gibt es in den drei Parteien viele, die angesichts der inhaltlichen Übereinstimmungen offen für diese Dreier-Koalition werben.

Von Bastian Brandau |
Plakate verschiedener Parteien für die Landtagswahl in Sachsen
Mitglieder von SPD, Grünen und Linke werben in Sachsen für ein gemeinsames Regierungsbündnis. Eine Mehrheit dafür gibt es aber wohl nicht. (imago images / Revierfoto)
"Mischt Euch ein, engagiert Euch. Protestiert. Sachsen kann richtig geil werden."
Der Dresdner Altmarkt am vergangenen Samstag: Zum Abschluss der Auftaktkundgebung der Unteilbar-Demo tritt der Chor "Blaues Wunder" auf. Die Innenstadt ist voll, ist bunt. Nach Angeben der Veranstalter rund 40.000 Menschen kommen zu einer Demonstration unter dem Motto "Solidarität statt Ausgrenzung". Im Chor auf der Bühne auch zwei Freundinnen, die der Protest gegen Pegida zusammen – und dann beide in die Politik gebracht hat. Steffi Brachtel aus Freital zu den Linken, sie kandidierte bei der Kommunalwahl im Mai. Für die SPD tritt Amrei Drechlser bei den Landtagswahlen im Kreis Meißen an. An diesem Tag demonstrieren in Dresden Linke, Grüne und die SPD – und so sollte es auch im Landtag sein, findet Drechsler.
"Man sollte nicht um den heißen Brei drumrumreden. Das ist die Verbindung, die mir am nächsten ist. Wir haben die Wahlprogramme analysiert, es gibt sehr viele Überschneidungen. Ich denke, da kann man sehr gut zusammenkommen. Und wir möchten einfach versuchen, so viele Stimmen wie möglich für diese rot-rot-grüne Koalition zu bekommen. Und dafür kämpfen wir."
Viele inhaltliche Schnittmengen
Wir, das ist in dem Fall die Gruppierung "Damit Sachsen nicht kippt!", in der die Sozialdemokratin Drechsler und die Linke Brachtel sich engagieren, gemeinsam mit grünen und auch parteilosen Menschen. Neun gemeinsame Punkte haben sie herausgearbeitet. Tatsächlich sind die vielen inhaltlichen Schnittmengen bekannt, etwa in der Bildungspolitik, wo die drei Parteien eine Volksinitiative für das gemeinsame längere Lernen unterstützen. Oder beim Klimaschutz. Fragt man allerdings den SPD-Chef Martin Dulig, ebenfalls auf der Unteilbar-Demo nach Rotrotgrün, klingt das anders.
"Ich würde nicht in jeder gemeinsamen Aktivität, weil man gemeinsame Werte heute präsentiert, die unteilbar sind, daraus gleich eine Koalitionsdebatte zu machen. Wir haben am ersten September eine große Aufgabe, nämlich erst mal für stabile Verhältnisse zu sorgen und die SPD mal wieder stark zu machen."
Die holte vor fünf Jahren in Sachsen 12,4 Prozent, jetzt liegt sie in den Umfragen deutlich unter 10. Rot-Rot-Grün ist in Sachsen derzeit weit von einer Mehrheit entfernt. Und dennoch finden viele im Mitte-Links-Lager, müsse man diese Option offen bewerben, um ihr eine Chance zu geben. Zu ihnen gehört der Spitzenkandidat der Linken, Rico Gebhard:
"Ich habe mich immer dafür ausgesprochen, so ein Mitte-links-Bündnis als progressives Veränderungsbündnis hinzubekommen. Da habe ich mich schon 2014 ausgesprochen, da wurde ich ja oft noch von SPD und Grünen belächelt. Also ich bin sehr offen für so ein Projekt, ich würde mich freuen, wenn das zustande käme."
Nur Grüne können auf Gewinne hoffen
Ein Problem der Linken: Sie ist zwar seit 20 Jahren stärkste Oppositionspartei – eine wirkliche Machtoption aber hatte sie in Sachsen, anders als in den Nachbarbundesländern, bisher nicht. Zu stark die CDU, die seit 1990 den Ministerpräsidenten stellt. Und: Lange war es kompliziert im Nachwendesachsen zwischen rot-rot-grün. Von den drei Parteien ist es momentan nur eine, die mit großen Zugewinnen rechnen kann.
"Und es ist echt für die Grünen in Sachsen und in Dresden ein Privileg, dass so viele Leute gekommen sind an so einen fantastischen Ort."
Die St-Pauli-Ruine, ein Veranstaltungsort in der Dresdner Neustadt. Der Raum ist übervoll, viele müssen stehen. Ein Stadtviertel, in dem Rot-Rot-Grün eine Mehrheit hat, hier können die Grünen sogar auf Direktmandate hoffen. Auch in den kleineren Städten haben die Grünen Zulauf, dürfen mit einem deutlich zweistelligen Ergebnis rechnen. Spitzenkandidatin Katja Meier sagt zur Koalitionsfrage:
"Also wir Grünen kämpfen um jede Stimme, das machen wir Grüne ganz besonders, weil von uns geht diese Dynamik aus. Und dann werden die Wählerinnen und Wähler entscheiden, wie das Wahlergebnis ist. Wir wollen dieses Land verändern, dafür sind wir angetreten. Und wir wollen das Land gern mitgestalten, mit denen, die das Land gerechter, weltoffener und ökologischer machen wollen."
"Dann gehen wir es in fünf Jahren noch mal an"
Meier könnte die Grünen mit in die Regierung führen, gemeinsam mit SPD und der CDU, es ist die momentan mit Abstand wahrscheinlichste Option. Für die Grünen wäre es ein gewaltiger inhaltlicher Spagat: gerade mit der CDU gibt es erhebliche Differenzen, besonders in der Umwelt- und Klimapolitik.
"Hallo, darf ich Ihnen etwas mitgeben?"
Das "Kochbuch" mit Rezepten der sozialdemokratischen Kandidatin Sophie Koch geht gut weg an diesem Nachmittag in der Fußgängerzone. Die Dresdner Juso-Chefin will raus aus der Berliner GroKo, auch mit den Entscheidungen der sächsischen SPD-CDU-Koalition ist sie nicht immer zufrieden, etwa beim Polizeigesetz oder in der Klimapolitik. Für Rot-Rot-Grün setzt sich mit anderen jungen Politikerinnen und Politikern aus Grünen und Linken im Bündnis "Sachsen umkrempeln" ein.
"Vorrangig geht es ja darum, dass jede Partei für sich die Stimmen holt. Deswegen finde ich es jetzt nicht schlimm, wenn Martin Dulig nicht vorne an einem rot-rot-grünen Bündnis dransteht. Dafür gibt es andere Kräfte in der Partei, die das Gespräch suchen. Wir machen das auch langfristig. Selbst wenns jetzt nicht für rot-rot-grün reicht, dann gehen wir es in fünf Jahren noch mal an."